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Orientierungslauf

Neue Herausforderung für Spitzensportlerin Aebersold

Abgesagte Wettkämpfe und Isolation erschweren Simona Aebersold den Alltag. Die Brüggerin benötigt eine Tagesstruktur und hofft, dass die Sprint-WM im Oktober stattfinden kann.

Alleine auf weiter Flur: Simona Aebersold hält sich fit und will im Herbst wieder auf WM-Medaillenkurs einschwenken./Bild: Keystone/SWISS ORIENTEERING/Remy Steinegger

Francisco Rodríguez

In den letzten Tagen hat der internationale OL-Verband auch die Sprint-WM 2020 verschoben, sowie die EM in Estland und das Weltcupfinale in Italien gestrichen (BT vom letzten Mittwoch). «Zum ersten Mal habe ich so richtig realisiert, wie wichtig mir die Wettkämpfe sind», sagt Simona Aebersold, die wie alle anderen Spitensportlerinnen und -sportler notgedrungen auf die grossen Saisonhöhepunkte verzichten muss. Zumindest was die Weltmeisterschaften in Dänemark betrifft, bestehe aber noch Hoffnung. Es wird in der OL-Szene gemunkelt, dass sie im Oktober nachgeholt werden könnten. «Im Moment wird dies noch nicht bestätigt und der Temin ist weiterhin offen», sagt Aebersold. «Dennoch ergibt sich für mich ein neuer Planungshorizont, an dem ich mich ein wenig orientieren kann.»

Denn ohne Wettkampfziel vor Augen zu trainieren, ist eine schwierige Herausforderung bezüglich Inhalte und Antrieb. Stark erschwerend hinzu kommen die grossen Restriktionen in der Coronakrise. «Ich trainiere ganz alleine für mich oder gemeinsam mit meinem Bruder», sagt Aebersold, die mit ihrer Familie in Brügg wohnt. Begleitete Einheiten mit ihren Trainern und dem Nationalkader sind dagegen untersagt. Einmal pro Woche oder in unregelmässigeren Abständen erhalten die Orientierungsläuferinnen und -läufer von ihrem Staff eine PDF-Datei mit den Trainingsstrecken und den Posten, die sie dann individuell ablaufen. «Zum Glück hatte ich auch noch alte Karten aus früheren Trainings auf die Seite gelegt, die ich nun wieder verwenden kann.» Für das Krafttraining stünden ihr in Randzeiten die Räumlichkeiten  der Physiotherapie zur Verfügung, die sich im Wohnhaus befindet. Aebersold führt ein Trainingstagebuch, auf das die Verantwortlichen des Nationalkaders online Zugriff haben. In einer Whatsapp-Gruppe pflege man mit allen den Austausch.

Aebersold vermisst die Kontakte

«Obwohl wir öfters telefonieren oder über die Sozialen Medien verbunden sind, vermisse ich die direkten Kontakte schon sehr, sei es in unserem Team als auch an der Uni», sagt Aebersold. Das wirke sich dann auch auf die Motivation aus, speziell wenn man an seine Grenzen gehen müsse. «Ein intensives Intervalltraining ist in der Gruppe weniger schwierig, da man sich gegenseitig antreibt und ich mich zum Beispiel einfach der Läuferin vor mir an die Fersen heften kann.» Die direkte Unterstützung enfällt auch an der Universität in Bern, wo Aebersold Sportwissenschaften und Biologie studiert. «Da nun alles online läuft, muss ich mich zwingen, dran zu bleiben.» Die Versuchung sei gross, in den Semesterferien-Modus zu verfallen. «Kürzlich habe ich doch glatt einen Abgabetermin verpasst.» Aebersold ist sich bewusst, dass sie eine klare Tagesstruktur in ihren neuen Alltag bringen muss und stellt einen detaillierteren Lern- und Trainingsplan auf. «Die Prüfungen werden einmal kommen, und dann will ich bereit sein», sagt die Studentin, die am Ostermontag 22 Jahre alt wird.

Zweites Basistraining im Frühling

Die aktuelle Situation könne auch als Challenge angesehen werden, die sie meistern wolle. «Im Training habe ich mehr Zeit für andere Sachen, die in der Wettkampfphase kaum Platz finden.» Aebersold fokussiert sich auf den läuferischen Aspekt und versucht mit spezifischen Einheiten schneller zu werden. «Davon werde ich für die Sprintwettbewerbe nur profitieren können.» Auch längere Dauerläufe, in denen sie bis zu zwei Stunden unterwegs sei und die normalerweise in der Zwischensaison gemacht würden, bereicherten ihr Programm. «Es ist schön, ein zweites Basiswintertraining in die Jahreszeit zu verlegen, in der angenehm warmes Frühlingswetter herrscht.» Sie wolle dafür auch in die Berge fahren und einsam in der Natur ihre Kilometer abspulen.

Sofern sich bis im Sommer die Lage etwas beruhigt hat und die Restriktionen gelockert werden konnten, plant Aebersold eine Reise nach Schweden zu einer Kollegin. «Für ein paar Wochen bei ihr zu sein und in einem anderen Umfeld zu trainieren, würde mir sehr gut tun», sagt die Brüggerin und hofft, dass die Coronakrise möglichst bald vorbei ist. Spätestens im Oktober in Dänemark möchte die dreifache WM-Medaillengewinnerin des letzten Jahres wieder voll im Wettkampf-Modus sein und mit dem Schweizer OL-Nationalteam das Podest stürmen.