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Fechten

Nicht nur «Zorro» sorgte 
bei ihr für einen Volltreffer

Vanie Gogniat vom Bieler Fechtclub nimmt in dieser Woche an der Junioren-WM in Kairo teil. Die 15-jährige Neuenburgerin startet in der Kategorie U17 und gehört zu den grössten Schweizer Talenten.

Vanie Goginat steht ab morgen in Kairo an der WM im Einsatz. Bild: Yann Staffelbach

Christian Kobi/pl

Die Degenfechterin Vanie Gogniat vom Bieler Fechtclub flog am Samstag zur Junioren-WM nach Kairo. Nach 15 Jahren tritt wieder eine Frau des Seeländer Klubs auf der Weltbühne auf. Zuletzt vertrat Fabiola Cruz 2005 die Schweizer Farben an der U17-WM. In derselben Altersklasse kämpft die 15-jährige Neuenburgerin ab morgen in der ägyptischen Hauptstadt. Die Selektion von Gogniat, die am 29. Juni ihren 16. Geburtstag feiert, ist keine Überraschung, denn sie gehört zu den drei jungen Top-Talenten im Land. Schon 2020 war sie für die Junioren-WM in den USA gesetzt. Der Anlass fiel aber wegen der Pandemie aus. Das schwierige Jahr fast ohne Wettkämpfe hat die Athletin für ihre technische Entwicklung genutzt: «Ich habe an meiner Beinarbeit gefeilt, denn hier muss ich grosse Fortschritte machen.»

Auf dem Weg zum sportlichen Erfolg scheut die Fechterin aus dem Val-de-Ruz keine Mühen: Sie trainiert rund 15 Stunden pro Woche. Dafür absolviert sie vier Einheiten in Biel und eine in Lausanne mit dem Nationalkader. Das dichte Programm lässt keinen Platz für den Besuch des Gymnasiums von Neuenburg. Deshalb nimmt die Sportlerin übers Internet an den Lektionen teil.

Aber warum hat sich Gogniat für den Bieler Fechtclub entschieden? Schliesslich liegen Neuenburg oder La Chaux-de-Fonds näher bei ihrem Wohnort. Dazu erklärt die 15-Jährige: «Ursprünglich wollte meine Familie in die Region Biel umziehen. Deshalb bin ich vor drei Jahren dem Seeländer Klub beigetreten.» Der Wohnungswechsel wurde später verworfen und die Gogniats wohnten weiterhin im Val-de-Ruz. Trotzdem blieb sie ihrem Verein treu: «Mir gefällt es hier. Es herrscht eine sympathische Atmosphäre und die sportliche Betreuung ist überaus professionell», so die Athletin.

 

«Sie lernt rasch»

Am Fechtzentrum, das im Gebäude des Bieler Zeughauses liegt, traf Gogniat mit Fechtmeister Rémy Grosjean einen alten Bekannten. Sie hatte unter seiner Leitung bereits einige Trainingslager in Frankreich absolviert. Der Coach und die Schülerin verstanden sich auf Anhieb: «Die Arbeit mit Vanie ist sehr angenehm. Sie hört stets aufmerksam zu und lernt rasch», bestätigt der französische Trainer. Seit Jahren beobachtet er die sportliche Entwicklung seiner Schülerin und stellt fest: «Sie kommuniziert immer besser und versteht es, mit ihren Emotionen umzugehen. Diese Qualitäten sind im Fechtsport matchentscheidend.»

Genau dieser Umgang mit Gefühlsregungen wird in diesen Tagen Gogniats Erfolg an der Weltmeisterschaft bestimmen. Vor gut einem Jahr verpatzte sie nämlich ihren ersten internationalen Auftritt an der U17-Europameisterschaft in Kroatien. Rückblickend meint die Fechterin: «Ich hatte mich total vom Stress überwältigen lassen.» Am Ende landete die Schweizerin weit hinter ihrem Potenzial auf dem 92. Rang. Diese Woche hofft sie insgeheim auf einen Platz unter den ersten 16. Dennoch bleibt sie realistisch: Auch ein Tabellenrang zwischen 32 und 64 wäre für sie ein Erfolg.

Am Samstag flog die Schweizer Mannschaft nach Ägypten. Seit Karfreitag lebte die Delegation abgeschottet im Trainingslager in Magglingen – zur Verminderung der Ansteckungsgefahr und zu letzten Vorbereitungen auf die WM. Für Gogniat war das Osterfest ohne Familie ein weiterer Prüfstein auf dem Weg nach ganz oben.

 

Leseschwäche führte zum Fechten

Oft spielt bei der Wahl einer Sportart der Zufall mit. Bei Gogniat war dies anders, wie sie erzählt: «Da ich an einer Lese-Rechtschreib-Schwäche leide, suchte meine Mutter nach einer Freizeitaktivität, die meine Beeinträchtigung positiv beeinflussen könnte. Auf diese Weise kam sie auf den Fechtsport.» Die Wahl stiess bei der kleinen Vanie auf Begeisterung, denn sie schaute mit ihren Grosseltern regelmässig Episoden aus dem Zeichentrickfilm «Zorro». Mit sieben Jahren bekam sie ihren ersten Degen und nahm kurze Zeit später an einem Turnier teil. «Ich gewann, und das weckte in mir die Lust zum Weitermachen», so die Athletin aus dem neuenburgischen Val-de-Ruz.

 

Weg zur Selbsterkenntnis

Sie trainierte einige Zeit in Neuenburg, dann wechselte sie zum Fechtclub La Chaux-de-Fonds und landete vor drei Jahren beim Bieler Verein. Gogniat liebt ihren Sport, weil er vielfältige Anforderungen stelle: «Jede Gegnerin hat ihren eigenen Stil, an den ich mich anpassen muss. Deshalb gleicht kein Kampf dem anderen.» Den Fechtsport erlebe sie als Weg zur Selbsterkenntnis, wobei der Umgang mit Stress und Emotionen eine wichtige Rolle spiele. Bescheiden meint die Schweizer Fechthoffnung: «Ich werde in Zukunft sicher noch viel lernen.» Jedenfalls hat ihre Mutter mit der Auswahl der Sportart einen Volltreffer gelandet.