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Ohne Ausbildung gibt es oft ein böses Erwachen

Warum passen Sport und Studium gut zusammen? Ist das überhaupt so? Sicherlich erlaubt das Studium eine gewisse Flexibilität, die einem ein Arbeitgeber kaum erlauben könnte.

Marc Schneeberger, Bild: zvg

Lernen geht fast überall, im Zug, im Flugzeug oder im Trainingslager, vor dem Training und nach dem Training. Überhaupt kann man als Sportler nicht einfach den ganzen Tag trainieren, denn auch die Erholungszeiten dazwischen sind wichtig für den Körper.

Wenn man diese Erholungszeit mit etwas Sinnvollem wie Lernen füllen kann, anstatt mit Videospielen zu verbringen, ist dies sicherlich gut. Mir persönlich hat die Ablenkung durch das Studium oder die Arbeit oft geholfen Distanz zum Sport zu bekommen. Mich auf etwas anderes zu konzentrieren ermöglichte es mir, mich vor wichtigen Wettkämpfen abzulenken und zu verhindern, dass sich die Spannung zu früh aufbaut.

Auch umgekehrt passt der Sport gut zum Studium. Viele Universitäten – insbesondere amerikanische und englische Universitäten – bieten seit jeher ein grosses Sportangebot an. Sport gehört vielerorts zum Studium dazu, ganz im Sinne von «Mens sana in corpore sano» was frei übersetzt auf Deutsch heisst: «In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist.» Top-Athleten an amerikanischen Universitäten erhalten beispielsweise sogar Stipendien im Umfang von mehreren zehntausend Dollar jährlich.

Leider ist es, aber hier in der Schweiz nicht immer so einfach ein Studium mit einer Spitzensportkarriere zu kombinieren. Hat man nämlich eine finanziell nicht so einträgliche Sportart gewählt, dann fehlt einem an Ende des Monats ganz einfach ein Einkommen. Mit etwas Glück und Engagement bekommt man auch hier ein Stipendium oder wird von einem Gönner, oft sind das ehrlicherweise auch die Eltern, oder einer Stiftung unterstützt. Jedoch bei Weitem nicht so koordiniert und umfangreich wie im Ausland.

Hat man aber das finanzielle Problem gelöst, kann es immer noch einige weitere Hürden geben, die es zu nehmen gilt. Schwierig wird es oft bei Prüfungsterminen. Sind nämlich gleichzeitig gerade noch wichtige Wettkämpfe, am besten noch weit weg, dann sind Terminkollisionen vorprogrammiert.

Als studierender Sportler ist man oft auf Goodwill angewiesen. Auf Leute – sei es Professoren oder Kommilitonen – die freiwillig und vielleicht sogar ein bisschen wegen der Faszination für den Sport zusätzlichen Aufwand auf sich nehmen und Flexibilität bei alternativen Prüfungsterminen bieten.

Es ist ja nicht so, dass der Spitzensportler weniger leisten will. Das würde ja auch nicht in das Bild des Sportlers passen. Dieser trainiert ja bereits hart und mit grossem Ehrgeiz und hat einen riesigen Anspruch an sich selbst – sei es im Sport oder im Studium. Als Spitzenathlet ist man aber auf Flexibilität angewiesen.

Eine gute Option bietet hier beispielsweise eine Fernfachhochschule, wenn man der Typ dafür ist – warum nicht? Schön wäre aber, wenn auch die traditionellen Hochschulen bereit wären, für die Spitzensportler eine Lösung zu finden. Das müssen keine Speziallehrgänge sein, einfach die Anerkennung, dass ein qualifizierter Spitzensportler grundsätzlich einen guten Grund hat, um eine Prüfungs-Verschiebung zu bitten.

Man könnte jetzt meinen, es wäre kaum möglich, ein Studium mit dem Spitzensport zu kombinieren. Dem ist aber natürlich nicht so. Es gibt zahlreiche gute Beispiele welche beweisen, dass Top-Athleten «nebenbei» auch noch studieren konnten. Solche Athleten sind in besonderer Weise Vorbilder, denn ohne Ausbildung gibt es nach der Sportkarriere oft ein böses Erwachen.

Info: Marc Schneeberger ist im vergangenen September vom Spitzensport zurückgetreten. Heute arbeitet der 33-Jährige als Ingenieur bei der Firma Feintool in Lyss.

sportredaktion@bielertagblatt.ch