Sie sind hier

Abo

Automobil

Schlafen mit Motorenlärm

Neel Jani ist einer der drei Schweizer Werksfahrer, die dieses Jahr in Le Mans starten. Der Jenser hofft, dass sein Porsche die 24 Stunden ohne technische Probleme bewältigt.

Dass Le Mans der Saisonhöhepunkt ist, darüber sind sich Neel Jani, Marcel Fässler und Sébastien Buemi (v.l.) einig. copyright: jonathan liechti/bieler tagblatt

von Moritz Bill

Und weg waren sie. Nachdem die Seitenwagen-Legende Rolf Biland die Startflagge geschwungen hatte, rasten Neel Jani und Sébastien Buemi davon. Marcel Fässler rührte sich hingegen nicht vom Fleck. Doch Buemi und Jani zeigten Mitleid mit dem dritten Profi-Rennfahrer im Bunde und liessen Fässler aufholen, nachdem die technischen Probleme an dessen Rennkart behoben worden waren.  
Mit solchen Geschenken seiner Schweizer Kollegen kann Fässler übernächstes Wochenende am 24-Stunden-Rennen von Le Mans sicher nicht rechnen. Stand beim gestrigen Show-Kart-Rennen mit Journalisten in Lignières noch der Spass im Vordergrund, zählt am prestigeträchtigsten Langstreckenrennen in Frankreich nur der Sieg. Gleich drei Schweizer gehen dieses Jahr in der Königsklasse (LMP1) mit einem Werksteam in Le Mans an den Start – ein Novum. Und dass alle drei beim Saisonhöhepunkt zum Favoritenkreis gehören, macht die Ausgangslage aus Schweizer Sicht noch spezieller.

«Le Mans hat eigene Gesetze»
Der Jenser Neel Jani nimmt zum sechsten Mal in Serie den Klassiker an der Sarthe in Angriff – zum ersten Mal im Porsche. Von den drei Schweizer Fahrern werden ihm die geringsten Chancen auf den Sieg zugerechnet. Der deutsche Sportwagenhersteller ist nach 15 Jahren Abwesenheit auf diese Saison in die Spitzenklasse zurückgekehrt (das BTberichtete) und strebt erst im kommenden Jahr den obersten Podestplatz an. «Aber beim Comeback wollen wir trotzdem ein Wörtchen mitreden», sagt Jani. Der Seeländer sieht aber auch seine Schweizer Kollegen in der Favoritenrolle. Fässler (Audi) hat in Le Mans bereits zweimal gewonnen und Buemi (Toyota) fuhr mit seinem Team bei den ersten beiden Läufen der Langstrecken-WM als erster über die Ziellinie.
Trotzdem. «Le Mans hat eigene Gesetze», weiss Jani. Und Porsche hat bereits gezeigt, dass das Auto konkurrenzfähig ist. «Wir blieben aber noch den Beweis schuldig, dass beide Autos ohne Probleme durchfahren können.» Im 24-Stunden-Rennen kommt der Technik eine noch entscheidendere Rolle als bei den restlichen WM-Rennen (6 Stunden) zu. «Die kleinen Details werden entscheidend sein. Das kann nur während des Rennens trainiert werden. Deshalb haben Toyota und Audi mit ihrer Erfahrung klare Vorteile», sagt Jani.  

Mensch und Maschine gefordert
Dazu kommt, dass  in Le Mans das Jahr hindurch nicht getestet werden kann. Ein Teil der Strecke führt über öffentliche Strassen. So stand der einzige Testtag vor dem Rennwochenende am letzten Sonntag auf dem Programm. Die Werksfahrzeuge lagen alle nahe beieinander. Allzu aussagekräftig sind die Testzeiten aber nicht. «Wir haben vieles ausprobiert. Grundsätzlich sind wir zufrieden, aber es gibt noch einiges zu verbessern. Die Balance zwischen den Kurven und den Geraden stimmt zum Beispiel noch nicht», so Jani.
24 Stunden Rennbetrieb ist aber nicht nur für die Maschinen eine Herausforderung. «Das ganze Team von den Fahrern bis zu den Mechanikern darf sich keine Fehler erlauben. Mit der einschleichenden Müdigkeit die Konzentration über eine solch langeZeit aufrecht zu erhalten, ist schwierig», sagt Fässler. Die Erholung zwischen den Einsätzen ist deshalb für die Fahrer wichtig (die Dreierteams wechseln sich ab;ein Fahrer darf höchstens vier Stunden am Stück hinter dem Steuer sitzen). Die Piloten können sich in provisorisch eingereichten Unterkünften zurückziehen. Die «Container-City», wie sie Jani nennt, befindet sich aber in unmittelbarer Nähe der Strecke. Das ununterbrochene Motordröhnen raubt dem Seeländer aber nicht den Schlaf:«Für mich ist das kein Lärm, eher Musik», sagt er mit einem Grinsen im Gesicht.  

Jani als Startfahrer gesetzt
Grund zum Lachen hat der 30-jährige Seeländer auch noch aus einem anderen Grund:Sein Team hat bereits entschieden, dass er als Startfahrer antreten wird. Eine grosse Ehre für Jani, denn das Interesse an Porsche wird bei der Rückkehr nach Le Mans riesig sein. Ob er gleich wie in Spa wiederum von zuvorderst starten wird, ist für Jani nebensächlich. «Die Poleposition in Le Mans ist zwar mit viel Prestige verbunden, aber rennentscheidend ist sie nicht.» Wenn Jani wie gestern in Lignières seine Schweizer Konkurrenten nach dem Start hinter sich lassen kann, wäre das trotzdem eine gute Ausgangslage, um sein  bisher bestes Le-Mans-Resultat (4. Rang 2012) zu verbessern.