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Seeländer zwischen Frust und Erleichterung

Der Nidauer François Affolter hat mit dem FC Chiasso den Abstieg trotz Sieges gegen Xamax nicht abwenden können. Dafür können die Neuenburger mit dem Bieler Raphäel Nuzzolo eine weitere Saison in der Challenge League aufgleisen.

Seeländer Duell: Der Bieler Raphaël Nuzzolo (rechts, im Zweikampf mit Fabio Dixon) und der Nidauer François Affolter (hinten) trafen in der letzten Spielrunde aufeinander./Bild: Keystone

Francisco Rodríguez

Noch nie zuvor dürfte nach einer Niederlage die Stimmung so gut gewesen sein. Auf der langen Rückreise aus Chiasso assen die Xamax-Spieler gemeinsam im Car Pizza und liessen ihren positiven Emotionen freien Lauf. Von einem Fest zu sprechen, sei allerdings übertrieben. «Das ist ein grosses Wort», sagt Raphäel Nuzzolo. «Erleichterung» treffe es schon eher, was die Mannschaft nach dem Spiel gefühlt habe und noch jetzt spürt – trotz der Müdigkeit.

Die Nacht war speziell für den Bieler sehr kurz. Erst um 4 Uhr kam Nuzzolo ins Bett, was den Familienvater nicht von der Aufgabe befreite, am selben Morgen seinen Sohn zur Schule zu begleiten. «Mit dem Ligaerhalt fällt einem alles einfacher», sagt er wohlgelaunt.

Verständlicherweise schlechter ist die Gemütslage beim anderen Seeländer Protagonisten des Duells zwischen Chiasso und Xamax. François Affolter konnte trotz des 2:1 gegen die Gäste aus Neuenburg den Abstieg seines Teams nicht mehr abwenden. Dazu wäre nämlich ein Sieg mit vier Toren Unterschied nötig gewesen. Zunächst hatte es in Chiasso noch gut für die Südtessiner ausgesehen, denn bis zur 22. Minute gingen sie mit 2:0 in Führung. Am Ende blieb aber die grosse Enttäuschung.

«Die Realität ist schwierig zu akzeptieren», sagt Affolter. «Aber es gehört ebenfalls zum Sport, dass es einen Sieger und einen Verlierer gibt. Auch wenn wir die Saison mit einem Sieg abschliessen konnten, so hat es zuvor halt 35 andere Spiele gegeben, in denen wir die Meisterschaft schliesslich verloren haben.» Die für Chiasso starke zweite Meisterschaftshälfte mit doppelt so vielen Punkten wie in der ersten konnte den schlechten Saisonstart und die anfänglich sechs Niederlagen in Serie nicht wettmachen. «Wir haben zu viel Zeit benötigt, um in Fahrt zu kommen.»

Affolters Zukunft ist völlig offen

Am Tag nach dem besiegelten Abstieg traf sich die Mannschaft noch einmal abseits des Spielfeldes. Auf dem Menuplan stand am Mittag wie bei Xamax in der Nacht zuvor Pizza. Es war ein Abschiedsessen. Noch ist nicht abzuschätzen, welches Gesicht der FC Chiasso in der Promotion League haben wird. Offen ist die Zukunft auch bei Affolter, dessen Vertrag unabhängig der Ligazugehörigkeit Ende Saison ausgelaufen ist.

Der 30-jährige Nidauer ist zwar enttäuscht, zieht aber aus persönlicher Sicht gleichwohl ein positives Fazit. «Ich habe viel Spielpraxis sammeln können, nachdem ich während zweieinhalb Jahren in den USA nur wenig zum Einsatz gekommen war», so der Verteidiger, der über Aarau bei Challenge-League-Konkurrent Chiasso landete. 31 Ernstkämpfe hat Affolter für die Tessiner geleistet, 27 davon in der Startelf. Nach seiner Wadenzerrung im vergangenen Herbst kämpfte sich der Seeländer sofort wieder zurück in die Stammformation.

Wo er seine Karriere fortsetzt, würden die nächsten Wochen zeigen. «Ich und mein Agent sondieren den Markt und prüfen alle Möglichkeiten.» Klar ist für Affolter, dass er noch ein paar Saisons als Profifussballer tätig sein will.

Nuzzolo vor seiner 21. Saison

Nuzzolos Vertrag bei Xamax läuft dagegen noch ein Jahr weiter, wobei ihm der Verein offenlässt, ob weiterhin in der gewohnten Rolle als Spieler oder in einer anderen Funktion. «Ich wollte mich zuerst auf den Abstiegskampf fokussieren und keine Gedanken an meine Zukunft verlieren», sagt Nuzzolo. Er legt sich zwar auch am Tag nach dem Ligaerhalt noch nicht fest. «Die Idee ist aber schon, dass ich auch nächste Saison spiele.» Es wird die insgesamt 21. sein in der beispiellosen Karriere des Stürmers.

Mit 535 Partien in der Swiss Football League, davon 401 in der höchsten Liga, ist er seit März Rekordhalter.  Am 5. Juli wird der Bieler seinen 38. Geburtstag feiern. Er fühle sich fit und gesund und sei hochmotiviert, den Rekord auszubauen, auch wenn die vergangenen Wochen schon sehr viel Substanz gekostet hätten. «Wir spürten sogar noch mehr Druck als vor einem Jahr in der Super League», sagt Nuzzolo. «Denn diesmal riskierten wir den Absturz in den Amateurfussball. Die Folgen für unseren Klub, all die Junioren und die ganze Region wären dramatisch gewesen.»

Dass Xamax nach dem Abstieg aus der Super League eine Stufe tiefer gleich in die nächste sportliche Krise hineingeraten ist, habe diverse Gründe, die klubintern einer eingehenden Analyse unterzogen würden. «Die Fehler haben sich im Lauf der Saison angehäuft», so Nuzzolo. Es habe im Verein nach den vielen Wechseln ein fester Marschplan gefehlt. «Wir haben uns plötzlich mitten im Abstiegskampf wiedergefunden und waren für diese schwierigen Spiele gegen die Rivalen am Strich nicht bereit.»

Nuzzolo erwartet ab Sommer mit dem starken von Ex-FC-Biel-Trainer Jean-Michel Aeby geführten Aufsteiger Yverdon sowie dem oder den Super-League-Absteigern eine noch grössere Leistungsdichte und Konkurrenz. Der Bieler will mit seiner reichen Erfahrung in Neuenburg mithelfen, die Jungen weiterzuentwickeln und Xamax die dritte Zittersaison in Folge zu ersparen.