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Handball

Steiger drückt der Schweiz die Daumen

Die Schweiz empfängt heute Nordmazedonien zum wohl wichtigsten Qualifikationsspiel auf dem Weg an die Europameisterschaften 2022. HS-Biel-Trainer Benjamin Steiger war einst selber Nationalspieler und bestritt eine EM-Kampagne.

28 Länderspiele für die Schweiz: Benjamin Steiger hat früher mit der A-Nationalmannschaft eine tolle Zeit erlebt./Bild: Keystone

Francisco Rodríguez

Beim Auftakt in die EM-Kampagne für die Endrunde 2022 in Ungarn und der Slowakei erlitt das Schweizer Nationalteam auswärts gegen Favorit Dänemark eine erwartete Niederlage. «Ich sah gute Ansätze, aber letztlich hatte die Schweiz dennoch keine Chance auf die Punkte», meint Benjamin Steiger, der die Partie am letzten Donnerstag zuhause am Bildschirm mitverfolgte. «Die Big Points machte halt Dänemark.» Der Weltmeister setzte sich standesgemäss mit 31:26 durch, wobei die Schweizer mit einer starken zweiten Halbzeit Moral für das heutige Spiel in Schaffhausen gegen Nordmazedonien tanken konnten. «Eine enorm wichtige Partie», sagt Steiger und drückt der Schweiz die Daumen.

Der HS-Biel-Spielertrainer fiebert nicht nur als Fan mit, sondern betrachtet die Länderspiele auch als willkommenen Anschauungsunterricht für seine Tätigkeit. «Ich analysiere die Partien, sehe interessante Spielzüge und wie die Deckung organisiert wird.» Dies gebe ihm viele Ideen, die er im Training in Biel einflechten könne. Allerdings seien der Umsetzung auch Grenzen gesetzt. «Dänemark besitzt natürlich die nötigen Leute mit internationaler Klasse, um solche Spielzüge auszuführen.»

Nordmazedonien liege nun für die Schweiz absolut in Reichweite. Da sich jeweils die besten beiden Teams pro Gruppe für die Endrunde qualifizieren und sich Dänemark kaum das EM-Ticket nehmen lassen dürfte, ist das heutige Duell in Schaffhausen ein Schicksalsspiel. Sollte die Schweiz erneut verlieren und im Rückspiel keine Punkte holen, ist aber noch lange nichts entschieden. Letztlich dürfen auch die vier besten Gruppendritten ans EM-Turnier.

«Die Chancen stehen gut, am Ende wird die Tagesform entscheiden», sagt Steiger. Und auch den vermeintlichen Aussenseiter der Gruppe, Finnland, dürfe man keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen. «Die Schweiz muss noch konstanter werden, denn letztlich könnte das Torverhältnis das Zünglein an der Waage spielen.» Die zweite EM-Teilnahme in Folge wäre als grosser Erfolg zu werten. Vor 2020 hatten die Schweizer geschlagene 14 Jahre lang kein Grossturnier mehr bestritten.

44 Tore für das A-Nationalteam

Steiger gehörte von 2007 bis 2009 dem Schweizer A-Nationalteam an. Der ursprünglich aus Lyss stammende Handballer, der heute mit seiner Familie in Bern wohnt, hat es in seiner Aktivkarriere auf insgesamt 28 A-Länderspiele gebracht und dabei 44 Tore geworfen. In dieser Zeit fielen auch je eine WM- und eine EM-Kampagne, die letztlich keine Finalrundenteilnahme einbrachten. Steiger mag sich noch gut an das eine oder andere Spiel erinnern. «Mit Italien lieferten wir uns harte Fights.» Die Schweiz vermochte in der betreffenden EM-Qualifikationsphase sowohl auswärts als auch daheim Italien zu bezwingen. Die Partie im Frühsommer 2009 in Suhr war speziell umkämpft. Zur Pause stand es 12:12, ehe die Schweizer in der zweiten Halbzeit aufdrehten und Italien schliesslich mit 28:20 doch noch deutlich besiegten. Nicht zuletzt dank einer guten Leistung von Steiger, dem drei Torerfolge gelangen.

Steiger entlastet Andy Schmid

Speziell in Erinnerung geblieben ist ihm auch das Heimspiel in Aarau gegen den Top-Favoriten Russland, den man bei Halbzeit mit 18:12 auf Distanz hielt. Die Russen kamen aber wieder heran und behielten am Ende mit 31:30 knapp die Oberhand. «Ich stand nur kurz im Einsatz, um Andy Schmid etwas zu entlasten», erzählt Steiger. Der Bundesliga-Profi der Rhein-Neckar Löwen gehört inzwischen zu den weltbesten Handballern und ist ein unverzichtbarer Wert in der Schweizer Nationalmannschaft. «Ich dagegen war damals nicht Leistungsträger, sondern eher Ergänzungsspieler. Trotzdem war es eine schöne Zeit und es machte mich auch stolz, Nationalspieler zu sein», sagt Steiger.

Wenn er etwas ein wenig bereue, sei es sein Entscheid, nicht voll auf den Handballsport gesetzt zu haben, sondern daneben immer einer Arbeit nachgegangen zu sein. Die Stelle als Detailhandelsfachmann in einem Sportgeschäft war schliesslich auch der Auslöser für den Rücktritt im Nationalteam. «Die Doppelbelastung wurde mir einfach zu gross. Vielleicht hätte ich aber den Job eine Zeitlang bei Seite lassen sollen, um als Vollprofi Handball zu spielen.»

Der mittlerweile 36-Jährige ist dem Handballsport mit seiner ersten Trainerstation in Biel treu geblieben und arbeitet daneben tageweise weiterhin im Sportgeschäft. Über den internationalen Spitzenhandball sagt Steiger, er sei im Vergleich zu früher noch einmal schneller und dynamischer geworden und die Spieler körperlich durchtrainierter. «Es ist alles professioneller.» Die Karriere seines ehemaligen Teamkollegen in der Nationalmannschaft, Andy Schmid, hat der Seeländer gespannt mitverfolgt und freut sich auf das heutige Spiel am TV. Dabei wünscht er sich nichts sehnlicher als ein Schweizer Sieg.

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Der HS Biel will möglichst bald wieder in die Halle

Seit der kantonal beschlossenen Verschärfung der Massnahmen gegen Corona ruhen beim HS Biel Spiel- und Trainingsbetrieb. Die Bieler halten sich mit einem individuellen Programm zuhause fit. Derzeit wird abgeklärt, ob die Mannschaft schon nächste Woche wieder in die Halle darf. Kontaktsport ist zwar im Schweizer Handball auf Stufe NLB untersagt, weil nur die NLA faktisch die Kriterien für eine Liga mit überwiegend professionellem Spielbetrieb erfüllt. Basistraining in Kleingruppen sollte dagegen mit dem Schutzkonzept möglich sein. «Wir wollen die Zeit nutzen, um an Physis und Ausdauer zu arbeiten», sagt Biels Spielertrainer Benjamin Steiger. «Für eine konkrete Trainingsplanung muss ich aber zuerst wissen, wie es weitergeht.»

Am letzten Donnerstagabend besprachen die Präsidenten der NLB-Vereine in einer Videokonferenz mit Ligavertretern die Situation. «Wir wissen Stand heute nicht, wann wieder gespielt werden darf», sagt HS-Biel-Co-Präsident Simon Meier. Je nach Entwicklung der Pandemie ist jedenfalls frühestens im Januar mit der Fortsetzung der Meisterschaft zu rechnen, womit das NLB-Programm gewaltig in Verzug gerät.

«Wir wollen alle, dass die Meisterschaft diesmal gewertet wird», sagt Meier. Herrscht diesbezüglich Konsens, gehen die Meinungen beim Modus weit auseinander. Einige Vereine halten an der ursprünglichen Anzahl an Spielen fest, andere möchten ein verkürztes Programm haben. «Fakt ist, dass mit dem aktuellen NLB-Modus viele englische Wochen auf uns zukommen würden», so Meier. «Für ein Profiteam mag das kein Problem sein.» Als voll berufstätige Amateursportler nach einem langen Arbeitstag an einem Dienstag- oder Mittwochabend nach Genf oder Kreuzlingen zu fahren, um dort erfolgreich Handball zu spielen, sei jedoch kaum umsetzbar und gesundheitlich riskant. «Mit unserem schmalen Kader können wir uns keine Verletzten leisten.»

Der Vorschlag, den Biel unterstützt, sieht eine auf die Hinrunde gekürzte Qualifikation vor, worauf in Playoff-Serien der Aufsteiger und im Playout die beiden Absteiger ermittelt würden. «Damit bliebe es bis am Schluss spannend», sagt Meier. Noch weniger Spiele gäbe es, wenn nach einer Einfachrunde wie bis anhin die Letzten direkt absteigen und nur die Teams auf den Rängen 1 und 2 einen Playoff-Final bestreiten würden. Ein Thema bei den NLB-Vereinen sind weiterhin auch die Finanzen und das Stabilisierungspaket des Bundes für den Breitensport. Beim HS Biel belaufen sich die Einnahmeausfälle wegen abgesagter Anlässe auf rund 45000 Franken. Die entsprechende Eingabe ist bei den verantwortlichen Stellen erfolgt und die Zuversicht da, für einen bedeutenden Teil entschädigt zu werden. fri