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Olympische Spiele

Tränen der Freude kamen später

Wer Olympia erlebt hat, kommt davon nicht mehr los. Als Sportchef war Pierre-Yves Grivel 2006 in Turin. Ein letzter Stein im Final lässt ihn noch heute erschaudern.

Silber-Feier 2006: Sportchef Pierre-Yves Grivel mit Manuela Kormann, der heutigen Verbands-Nachwuchschefin. Bild: zvg

Beat Moning

Pinerolo 2005: Das mit Bieler Spielerinnen bestückte Juniorinnen-Curling-Team der Schweizer Frauen holt die WM-Goldmedaille. Der Vater von Spielerin Tanja, Coach Pierre-Yves Grivel, ist stolz und blickt an diesem warmen 13. März nach einem 10:2-Finalsieg über Schweden sogleich auf das nächste Jahr. Da steht er als sportlicher Leiter der beiden Equipen im Einsatz. An selber Stätte strebt die Schweiz 2006 an den Olympischen Spielen ebenfalls die Goldmedaille an. Es sollte aber nicht sein: Die Männer scheiden als Fünftklassierte nach der Round Robin aus, die Frauen schaffen es in den Halbfinal und stossen dort nach einem 7:5-Sieg über Kanada in den Final gegen Schweden vor. Wieder Schweden.

Doch das Kunststück des Vorjahres wiederholt sich für Grivel knapp elf Monate später an diesem 23. Februar nicht. «Ich sehe diesen letzten Stein im Zusatz-end noch heute vor mir. Ein schwieriger Doppel-Take-out der Schwedinnen führte zum entscheidenden Punkt für die Gegnerinnen.» 6:7 lautete das bittere Ergebnis. Alle hätten sie sich in diesem Moment der Steinabgabe in den Armen gehalten und gehofft. Vergebens. «Im ersten Moment war die Enttäuschung gross. Es flossen Tränen. Im zweiten Moment aber konnten wir auch Freude haben. Silber an Olympia holt man nicht alle Tage», sagt der Bieler noch heute.

 

Zweimal Gold möglich

16 Jahre sind es also her. Jetzt sitzt Pierre-Yves Grivel vor dem Fernseher, schaut sich in erster Linie Curling und Eishockey an. «Ich hoffe und fiebere mit, dass zumindest zwei der drei Teams Medaillen holen. Ich glaube, da liegt Gold drin.» Er traut also Jenny Perret und Martin Rios viel zu. «Allerdings müssen sie die Nervosität ablegen. Noch spielen sie nicht auf ihrem besten Niveau.» Grivel wäre gerne nach Peking gereist. «Es war schlicht unmöglich, am Ende konnten ausländische Gäste nicht einmal einreisen.» So Olympia zu erleben, müsse indes auch nicht sein.

Grivel hat keine Probleme, diese Winterspiele bei aller Kritik von aussen am TV zu verfolgen. «Da bin ich nicht Politiker, sondern in erster Linie Sportler. Die Athletinnen und Athleten haben sich lange vorbereitet und verdienen es, an Olympischen Spielen teilzunehmen, verdienen es, dass man sie in der Heimat unterstützt.» Klar würde er es auch selber gerne sehen, würde Olympia an echten Wintersportorten stattfinden, wie etwa in vier Jahren in Mailand/Cortina oder wie 2010 in Vancouver. Erinnerungen kommen hoch, wenn er an Turin denkt: «Superspiele, mit einer einmaligen Ambiance, mit grossen Partys im Schweizer Haus.» Kein Vergleich zu dem, was die Anwesenden jetzt wegen Corona alles erleben müssen. «Das tut mir leid, dass da keine Stimmung aufkommt, dass im Olympischen Dorf die Kontakte zu ausländischen Kollegen nicht möglich sind. Olympische Spiele müssten definitiv anders aussehen.»

 

Mental gut vorbereitet

Nun reise man als Sportlerin und Sportler halt trotz den Erschwernissen einfach dorthin, absolviere das, was auf dem Programm steht und kehrt wieder zurück. Nicht mehr und nicht weniger. «Wir müssen in dieser Situation an die Athletinnen und Athleten denken. Es sei wichtig, dass die Sportlerinnen und Sportler Politik und Corona ausblenden und sich nur auf das fokussieren, was für sie wichtig ist.» Wer das am besten könne, habe auch die besten Chancen. «Mental sind alle gut darauf vorbereitet. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass es dann vor Ort leichter gesagt ist, als getan.» Letztlich gehe es allein darum, sich als Sportler an Olympia zu zeigen, was für die Sponsoren und für viele wirtschaftliche Einkünfte bedeuten.

Dass der Bundesrat wegen Corona nicht nach Peking reist und sich zumindest an der heutigen Eröffnungsfeier vor Ort präsentiert, kann FDP-Politiker Grivel, der demnächst aus dem Grossrat definitiv ausscheiden wird, verstehen. «Es macht keinen Sinn. Es ist ja wegen Corona, dass diese Kontaktmöglichkeiten nicht vorhanden sind, dass es keinen Austausch mit chinesischen Politikern geben kann.» Daher solle boykottieren wer wolle, ändern tue sich nichts. «Es sind Zeichen, die gar nichts bringen.» Um noch einmal festzuhalten: «Peking ist sicher kein gutes Olympiapflaster, dennoch bin ich der Meinung, dass man Sport und Politik nicht mischen sollte. Er freue sich nun einfach, in den nächsten zwei Wochen sportliche Höchstleistungen zu sehen. «Medaillen sind nicht alles, aber für ein kleines Land wie die Schweiz wichtig. Mit 15 darf man durchaus rechnen und zufrieden sein.» Umso mehr, wenn noch Curling-Medaillen darunter wären.

 

Zweite Niederlage und ein Sieg: Jedes Mal ist es eng

Niederlage im Zusatzend gegen China zum Auftakt vorgestern, Niederlage im Zusatzend gestern gegen Italien und am Nachmittag der erste Erfolg gegen Grossbritannien im achten und letzten End. Enge Spiele begleiten das Schweizer Duo Jenny Perret/Martin Rios im Mixed-Curling. Allzu viele Ausrutscher darf es nicht mehr geben, um die Halbfinal bestreiten zu können. Nach neun Runden in der Round Robin wird abgerechnet.

Die schottische Crew gehört auf dem Papier zu den ersten Anwärtern auf den Olympiasieg. Bruce Mouat (als Skip) und Jennifer Dodds wurden letzten November mit ihren Viererteams Europameister im klassischen Curling.

Mit Dreierhäusern im 2. und im 4. End zur 6:3-Führung legten die Seeländerin und der Glarner den Grundstein für den Erfolg, den sie dringend benötigt hatten. Für die restlichen sechs Partien der Round Robin wird sich aber insbesondere Jenny Perret steigern müssen. Die 30-Jährige brachte es in den ersten drei Spielen auf eine durchschnittliche Quote von nur gerade 60 Prozent an geglückten Steinen. Fehlsteine unterliefen ihr gerade bei den Niederlagen in den ersten zwei Spielen vor allem bei wichtigen Aufgaben.

Der Spielverlauf bei der 7:8-Niederlage nach Zusatz-End gegen Italien glich fast aufs Haar jenem des 6:7 zum Auftakt gegen China. Erneut glückte den Schweizern ein Dreierhaus, mit dem sie im 6. End um einen Stein in Führung gingen, und erneut verpassten sie Chancen, den Match über die normale Distanz von acht Ends zu gewinnen. sda