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Regionalfussball

«Traue ich mir das zu?»

Verschiedenste Führungsmodelle zeichnen die rund 30 regionalen Fussballklubs aus. Beim FC Nidau haben zwei Frauen, die Sekretärin und die Juniorenchefin, wichtige Funktionen übernommen.

Copyright: Matthias Käser / Bieler Tagblatt

Beat Moning

Ein Verein ohne Präsident oder ohne Präsidentin? Ein Blick in die Vorstände der regionalen Fussballklubs zeigt, dass Vereine sehr wohl ohne Vereinsoberhaupt funktionieren können. Etwa beim FC Nidau. Da heissen die ersten Ansprechpersonen für die drei Aktiv-Equipen, für das Frauenteam und die Senioren-/Veteranen-Teams Valérie Kocher und für die 100-köpfige Juniorenabteilung Luana 
Bianchi. 30 und 20 Jahre alt, gehören sie beide auch der 3.-Liga-Frauenequipe an. 2013 gründete Valérie Kocher die Frauen-Fussballabteilung. Zugang zum Fussballsport fanden die beiden nicht zuletzt über ihre fussballangefressenen Väter. Zum einen Jean-Marc Hofstetter, langjähriger Spieler und Funktionär beim FC Biel, zum anderen Mario Bianchi, der viele Jahre die Fussballschuhe schnürte und den FC Nidau führte. Heute ist er als Ehrenpräsident im erweiterten Vorstand.

Allein mit ihren Vätern wollen sie ihre eigene Leidenschaft zum Fussball nicht begründen. Bei Valérie Kocher, die kürzlich heiratete, ist es der Bruder Lionel Hofstetter, langjähriger Nidau-Akteur und Captain, bei Luana Bianchi Cousin Yves Augsburger, der zuvor die Juniorenabteilung des FC Nidau geführt hatte, die die nötige Inspiration vermittelt haben.

 

Know-how im Hintergrund

Valérie Kocher sagt, sie habe sich zuerst in der Organisation des Stedtlifestes von Nidau engagiert und so auch Zugang zu den Mitgliedern erhalten. «Vielleicht bin ich da nicht immer beliebt gewesen, wenn ich die Spieler eingeteilt habe», sagt sie und lacht. Nun nimmt sie als Sekretärin die dritte Saison in Angriff. Kein Präsident, kein Vizepräsident – sie wusste, was da allenfalls auf sie zukommt. Immerhin hat der Vorstand im 100. Klubjahr um die 100 000 Franken Budget im Auge zu behalten. «Traue ich mir diesen Job überhaupt zu?», fragte sich Valérie Kocher und musste doch einige Tage darüber schlafen, bis sie auf die Saison 2018/19 zugesagt hat.

Bereut habe sie den Schritt in den Nidau-Vorstand bislang nicht. Im Gegenteil, die Arbeit mache ihr viel Spass. Die «Tätschmeisterin» führt den Vorstand mit viel Gelassenheit und Enthusiasmus. «Wir haben neben uns Frauen noch drei Männer (Finanzchef Yves Clénin, Marketing/Sponsoring Dario Demisch, Sportchef Philippe Hübscher, die Red.). Das sind kompetente Leute und im Hintergrund hat es immer noch Personen, die uns zur Seite stehen, wenn Not am Mann oder eben Frau ist.» Wer war der letzte Präsident beim FC Nidau? Ein Blick in die Protokolle zeigt: Nach Mario Bianchi bis 2008 war bis 2011 Samuel Quinche an der Spitze.

«Graue Eminenzen» sind für kleine Klubs nicht unbedeutend. Darauf kann auch der FC Nidau zurückgreifen. Schnell kommt Oswald Knobel, langjähriger Trainer und Funktionär beim FCN und noch immer eine wichtige Ansprechperson, auf Ivan Oppliger zu sprechen. Dieser hatte ein Dutzend Jahre als Sekretär die Geschicke des Vereins geleitet, bevor er an Valérie Kocher übergab. «Er wollte einfach nicht Präsident sein, aber er hatte alles gemacht, sozusagen den Laden geschmissen», so Knobel. Oppliger ist für die Nachfolgerin noch immer da, wenn es Fragen gibt. «Das Verhältnis im Vorstand ist gut und wir haben in der Tat viel Know-how im Hintergrund, auf das wir zurückgreifen können», bestätigt Valérie Kocher, Captain des Frauenteams und beruflich im Personalwesen engagiert. Als Eins-zu-Eins-Nachfolgerin von Oppliger sieht sich nicht, erhält aber von Knobel viel Lob. «Sie ist unsere Ansprechpartnerin, zu ihr geht die Post. Sie leitet den Klub wirklich gut und effizient.»

 

«Wir funktionieren anders»

Knobels Nachfolgerin ist seit einem Jahr Luana Bianchi. Einst holte die heute 20-Jährige Bronze an den Junioren-Weltmeisterschaften im Snowboardcross. Nach der Ausbildung im Baspo wird sie ein Studium aufnehmen, und wieder vermehrt auf den Schneesport setzen. Dem FC Nidau bleibt die ehemalige Walperswil-Spielerin treu. «Der Fussball als Ausgleich und noch etwas Arbeit im Hintergrund passen mir.» Dabei wollten die Eltern gar nicht, dass sie in dieser Sportart Fuss fasst.

Valérie Kocher als Präsidentin, Luana Bianchi als Vizepräsidentin? Die ideale Besetzung, könnte man meinen. Beide winken ab, sagen, sie seien zu jung und zu unerfahren. «Wir lieben das Administrative und das Organisatorische, es ist gut so, wie es ist», sagen beide unisono. Für Kocher wie für Bianchi sei wichtig, dass ihre Arbeit akzeptiert werde. «Es ist cool, Frauen im Vorstand zu haben», das habe man schon gehört. Beide haben bislang keine schlechten Erfahrungen in dieser noch immer stark männerdominierten Sportart gemacht.

Wie die Aufstellung im Text unten zeigt: In Fussballklubs haben längst auch Frauen wichtige Positionen eingenommen. Den einen oder anderen Kandidaten fürs Präsidium anfragen, das gedenke man dann aber mal zu tun. Bisherige Kontakte verliefen im Sande. Oswald Knobel sagt es wie folgt: «Wir funktionieren beim FC Nidau etwas anders. Es gab Kontakte, aber bis zur spruchreifen Verpflichtung kam es in den letzten Jahren nie.» Kocher selber ergänzt: «Vielleicht sahen die Leute, was es alles zu tun gibt und haben zu viel Respekt, um einen regionalen Fussballklub zu führen.»

Dafür hat der FC Nidau nun im sportlichen Sektor ein Aushängeschild: Kurt Baumann, Trainer der 2.-Liga-Mannschaft. «Wow, was kommt denn da? Ich staunte zuerst nicht schlecht», erinnert sich Valérie Kocher an die Meldung dieser Verpflichtung des neuen Trainers. Klar habe man ihn vom FC Biel her gekannt. Dass er nun auf der Burgerallee die Nidau-Kicker «schleife», sei aber schon speziell. «Die Ambitionen werden steigen. Ich erwarte schon etwas mehr Schwung in unserer ersten Mannschaft.»

 

100-Jahr-Feier im nächsten Jahr

In einem Jahr wird das 100-Jahr-Jubiläum gefeiert. Am 7. Juli 1921 wurde der FC Nidau gegründet. «Es gibt Ideen», sagt Valérie Kocher nach einer ersten Sitzung mit dem Organisationskomitee. Im Raum steht etwa ein Legenden-Match. «Wir wollen eine schlichte Feier mit unseren Mitgliedern und Leuten aus der nahen Region», lautet die allgemeine Vorgabe zu diesem Jubiläumsanlass, der im Juni 2021 über die Bühne gehen soll.

Stichwörter: Fussball, Sport, Region, Club, FC Nidau