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Automobil

Trennungsschmerz und Schmetterlinge im Bauch

Neel Jani bestreitet am Samstag in Spa-Francorchamps sein zweitletztes Rennen in der Langstrecken-WM. Der künftige Formel-E-Rennfahrer aus Jens blickt dem Wechsel mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegen.

Neel Janis neues Dienstauto: Der Seeländer testet in Spanien auf dem Circuit Calafat Porsches Formel-E-Wagen. copyright: Porsche

Moritz Bill

Noch zwei Rennen, dann ist Schluss.  Neel Janis Abschiedstour aus der Langstrecken-WM (WEC) findet auf den legendären Strecken von Spa-Francorchamps (Samstag) und Le Mans (15./16. Juni) in einem würdigen Rahmen statt. Dennoch, oder eben gerade deswegen, fällt dem Seeländer Rennfahrer die Trennung nach elf Beziehungsjahren nicht leicht. «Es wird komisch sein, in einem Jahr das 24-Stunden-Rennen in Le Mans als Zuschauer zu verfolgen», sagt Jani vorausblickend, denn rückblickend hält er fest:«Diese Serie hat mich sehr geprägt. Sie hat mich zu einem besseren, professionelleren Rennfahrer gemacht. Ich habe ihr viel zu verdanken.» In der WEC reifte der heute 35-Jährige aus Jens zum Porsche Werksfahrer, zum Le-Mans-Sieger, zum Weltmeister.
Ob es ein definitiver Abschied oder nur eine Trennung auf Zeit ist, lässt Jani offen. Er kann sich vorstellen, einst die alte Liebe neu aufleben zu lassen, sollte diese ihr Erscheinungsbild in Form eines attraktiveren Reglements und eines ausgeglicheneren Wettbewerbs anpassen. Jetzt aber nimmt seine neue Flamme – der bevorstehende Einstieg mit Porsche in die Formel E –  zu viel Zeit im Leben des jungen Familienvaters ein, als dass er auf zwei Hochzeiten tanzen möchte, so wie es ein paar Berufskollegen machen. Er will seinen uneingeschränkten Fokus auf die Elektroserie legen.
Das liegt auch an den Familien, denen Janis beide Herzensdamen angehören. Seit Porsches Rückzug aus der WEC Ende 2017 geht Jani dort wieder mit seiner Jugendliebe Rebellion Racing aus. Mit dem Schweizer Privatrennstall war er bereits vor seinem Porsche-Engagement liiert gewesen. Gegen das einzig verbliebene Werksteam von Toyota sind die «Rebellen» aber chancenlos. Daran wird sich auch in Spa und Le Mans nichts ändern. Eine Liebe kann noch so innig sein – im Motorsport stehen Siege über allem. Zudem ist der Hype um die WEC im Zuge der ausgezogenen Werkteams und Toyotas Dominanz abgeflacht.

In der Kennenlernphase
Ganz anders liest sich die Partnerannonce von Porsche, mit der sich die Prestigemarke in der Formel E anpreist. Keine andere Rennserie boomt derzeit mehr. Mit Mercedes wird Ende Jahr ein weiterer deutscher Rennwagenhersteller einsteigen und die Anzahl Werkteams auf elf erhöhen. «Mit Porsche in die Formel E zu gehen, ist eine riesige Chance für mich. Ich freue mich auf die Herausforderung», sagt Jani. Die Vorfreude erzeugt Schmetterlinge im Bauch, die den Trennungsschmerz übertrumpfen.
Bis zum ersten Renneinsatz im Dezember in Saudi-Arabien gibt es noch viel zu tun. Jani, Porsche und die Formel E – sie alle müssen sich noch besser kennenlernen. Bei den bisherigen Tests, zuletzt im April auf dem Circuit Calafat in Spanien, stand die Zuverlässigkeit des Fahrzeugs im Zentrum. Nun gilt es, die Performance zu verbessern, sprich, das Auto schneller zu machen. Dabei tappt Porsche als Neuling jedoch im Dunklen. «Das grosse Problem ist», sagt Jani, « dass wir nicht wissen, wo wir gegenüber der Konkurrenz stehen.» Da die Kurse in der Formel E nur durch Städte führen und deshalb temporär errichtet werden, sind Tests mit Referenzzeiten unmöglich.
Ohnehin wird spannend zu beobachten sein, wie sich die Weissacher in ihrer Debütsaison schlagen. Im Gegensatz zum Einstieg in die WEC, als Jani ebenfalls schon in der Entwicklungsphase ins Boot geholt wurde, kann Porsche nicht das komplette Auto selbst bauen. Nur rund 20 Prozent sind Eigenproduktionen, der Rest des Materials ist von der FIA vorgeschrieben.

Auf der Suche nach einem Partner
Während Jani schon seit Ende des letzten Jahres seinen Sitz im Formel-E-Cockpit auf sicher hat, ist die Stelle des zweiten Porsche-Fahrers vakant. Gut möglich, dass sich die Deutschen die Dienste eines schon in der Formel E engagierten Fahrers sichern werden. Jani sagt jedenfalls: «Ich hoffe auf einen Teamkollegen, der Erfahrung mitbringt. Das würde uns am meisten nutzen.» Kronfavorit ist André Lotterer. Der Deutsche bestreitet seine zweite FE-Saison mit Techeetah. In der WEC teilte er sich 2017 das Porsche-Cockpit mit Jani, in der aktuellen Saison fahren die beiden zusammen für Rebellion. Auch der Britte Sam Bird, momentan bei Envision Virgin Racing unter Vertrag, wird mit Porsche in Verbindung gebracht.
Wer auch immer der neue Partner des Seeländers wird, abseits der Rennstrecke ist der Platz an Janis Seite schon lange besetzt. Anfangs Woche teilte er sich das Cockpit eines Porsches 992 mit seiner Ehefrau Lauren Jani. Für das Kundenmagazin fuhr das Paar die Strecke des ersten durchgeführten Autorennens Paris - Rouen ab und liess sich dabei an mehreren Orten ablichten. Ab heute wird Neel Jani in Spa wieder schneller unterwegs sein und zum zweitletzten Mal auf Punktejagd gehen.

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Es droht Schneefall
Neel Jani hat in seinen elf Jahren in der Langstrecken-WM schon einiges erlebt. Doch heftiger Schneefall während eines Rennens wäre ein Novum. Genau das sagt die Wetterprognose für das Rennen am Samstag im belgischen Spa-Francorchamps voraus. Zudem werden Temperaturen um die Null Grad erwartet. Sollte die Prognose eintreffen, dürfte das die Fahrzeuge vor grosse Probleme stellen. «Diese Autos sind nicht für solche Bedingungen konzipiert», weiss Jani. Vor allem die Reifen werden bei tiefen Temperaturen zu wenig warm, bleiben hart und machen das Fahren somit ungemein schwieriger. Für ein bisschen Spannung ist also trotz Toyotas Dominanz gesorgt. bil