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Fussball

Vom Absteiger zum Meister

Verteidiger Cédric Zesiger hat mit YB die Meisterfeier genossen. Der Hunger nach Titeln ist beim Seeländer allerdings noch lange nicht gestillt. Morgen geht es im Cup-Viertelfinal nach Luzern.

Hat bei YB das Glück gefunden: Der Seeländer Cédric Zesiger (Mitte hinten) feiert gemeinsam mit Christopher Martins in Sion die vorzeitige Sicherung des Meistertitels./Bild: Keystone

Francisco Rodríguez

Cédric Zesiger genoss am späten Montagabend die Meisterfeier in vollen Zügen. «Für solche Momente spielt man Fussball», sagte der Seeländer nach der Pokalübergabe. «Davon werde ich einmal meinen Kindern und meinen Enkeln erzählen.» Während Zesiger die Fragen der Medienvertreter beantwortete, ertönte über die Stadionlautsprecher der Hit von Züri West «Fingt ds Glück eim?». Kuno Laueners Worte, «Du chasch no so töiff ir Sosse schtah. Irgendwenn chunnt me immer a», hätten in diesem Augenblick nicht besser zu Zesigers Situation gepasst. «Wenn ich sehe, woher ich gekommen bin und wie schwierig die letzten Jahre für mich waren, dann ist dieser Titel der verdiente Lohn für den ganzen Krampf.»

Zesiger ist längst in Bern angekommen, nachdem er zuvor in Zürich schlimme Zeiten erlebt hatte. Der besiegelte Abstieg mit den Grasshoppers und die Demütigungen durch die Hardcorefans, die den Abbruch des Spiels gegen Luzern erzwangen und auf dem Platz die Leibchen der GC-Spieler einforderten, da sie ihrer nicht würdig seien, musste mental erstmal verdaut werden.

28 Mal in der Startformation

Bei den Young Boys spürte der aus Treiten stammende Fussballer Auftrieb und lancierte so richtig seine Karriere. «Es ging für mich schneller als erhofft, denn wegen der zahlreichen Verletzten kam ich schon früh zu viel Einsatzzeit und bestritt auch die internationalen Spiele», so Zesiger, der von einer grossen Genugtuung sprach. «Ich habe sehr viel Erfahrung auf hohem Niveau sammeln können. Es war zwar nicht alles gut, aber ich habe daraus gelernt und laufend Fortschritte gemacht.» Insgesamt 32 Pflichtspieleinsätze und 2495 Spielminuten hat Zesiger in dieser Saison für YB geleistet, 28 davon als Stammspieler. «Es macht mich unheimlich stolz, ein Teil dieses Meisterteams zu sein. Ich bin ein junger Spieler, der noch nicht an seine Grenzen gestossen ist. Und ich habe die richtigen Leute um mich herum, um weiterzukommen.»

Zesiger wurde nicht müde, seine Teamkameraden, den Trainerstaff und die Vereinsführung zu loben und sich für die Unterstützung zu bedanken. Trainer Gerardo Seoane liess den 22-jährigen Verteidiger in der abschliessenden Meisterschaftspartie gegen St. Gallen 90 Minuten auf der linken Seite durchspielen. In der Dreierabwehrkette mit Abwehrpatron und Captain Fabian Lustenberger im Zentrum sowie dem rechts postierten Nicolas Bürgy half Zesiger mit, die gegnerischen Angriffe zu neutralisieren. Seine 1,94 Meter Grösse setzte er effektiv und mit einer gesunden Portion Aggressivität ein.

Der Kämpfer an vorderster Front

Der Treitener ging aber auch in die Offensive, meist bei Eckbällen und nach der Pause immer öfters. In der 47. Minute wurde ihm wegen einer Offsideposition ein Tor aberkannt. Es wäre sein dritter Saisontreffer gewesen, nachdem Zesiger im vergangenen November beim 4:3-Heimsieg gegen St. Gallen gleich doppelt getroffen hatte, damals beide Male mit dem Kopf. Am Montag stand er nur zwei Minuten nach seinem nicht gegebenen Tor schon wieder im Zentrum des Geschehens. St. Gallens Goalie Lawrence Ati Zigi erwischte bei seiner Faustabwehr den vor ihm hochgestiegenen Zesiger mitten im Gesicht, worauf Headschiedsrichter Sandro Schärer die Szene noch einmal vom Videoassistenten beurteilen liess und letztlich keinen Penalty gab.

Das 3:1 fiel dann doch noch und mit einem Heber von Nicolas Moumi Ngamaleu ebenso sehenswert wie die beiden vorangegangenen YB-Treffer durch Rekordschütze Jean-Pierre Nsame. Als dann der Schlusspfiff ertönte, fielen sich die Spieler in die Arme. «Es ist wunderbar, diesen Erfolg gemeinsam mit meinen Teamkollegen und mit meiner Familie zu teilen», sagte Zesiger, dessen Eltern und Schwester sowie ihr Freund auf der Tribüne sassen. «Es wäre natürlich noch schöner gewesen, wenn alle Fans da und das Stadion voll gewesen wären. Wir wollten aber unseren Sieg nicht davon abhängig machen.»

Trotz Corona den Fokus nie verloren

Es sei halt eine spezielle Zeit, die spezielle Massnahmen erfordere. Trotz Coronakrise und Lockdown habe die Mannschaft den Fokus nie verloren. «Wir sind immer professionell geblieben und haben die richtigen Sachen gemacht, um am Ende den Kübel in den Händen zu halten.» Obwohl man nicht recht gewusst habe, wann und ob die Meisterschaft wieder aufgenommen würde, sei man für den Tag X bereit gewesen. Während die Konkurrenz bei der grossen Belastung allmählich an Terrain einbüsste, liefen die Young Boys zu Bestform auf und gewannen die letzten sechs Meisterschaftsspiele der Saison.

Fertig ist die Saison 2019/20 allerdings noch lange nicht. «Mit YB den Meistertitel zu holen, ist einfach super, ich will aber noch mehr mit diesem Team erleben», meinte Zesiger nicht einmal eine Stunde nach dem Abpfiff. «Diese Resultate motivieren uns zusätzlich, um nun auch im Cup etwas zu reissen», so Zesiger. Die schönen gemeinsamen Augenblicke im Wankdorf mit den lediglich 1000 anwesenden Personen, die der Meisterfeier einen intimen Rahmen verliehen, wolle man ein wenig geniessen, ehe die volle Konzentration auf das wichtige Auswärtsspiel in Luzern gerichtet werde. Morgen um 18 Uhr tritt YB zum Viertelfinal an. «Nur noch drei Spiele, bis wir den totalen Erfolg perfekt machen können.» Zesiger und seine Teamkollegen sind sich bewusst, dass sie mit dem erst zweiten Double nach jenem von 1958 ein Meilenstein in der 122-jährigen Klubgeschichte setzen können.

Der letzte Cupsieg der Berner liegt auch schon 33 Jahre zurück und wurde zu einer Zeit realisiert, als vom aktuellen Team nur der am Montag feierlich verabschiedete Grenchner Marco Wölfli sowie der aktuell verletzte Guillaume Hoarau auf der Welt waren. Nachdem YB in der Meisterschaft eine 32-jährige Durststrecke beendet und nun bereits den dritten Meistertitel in Folge feiert, soll sich auch im Cup alles zum Guten wenden. Jetzt, da das Glück Zesiger gefunden hat, wird es dieser nicht mehr so schnell wieder aus den Händen geben.

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Schweizer Cup

Viertelfinals:
Lausanne - Basel    2:3 n.V.
Winterthur - Bavois    Heute, 18.00
Luzern - Young Boys    Morgen, 18.00
Rapperswil-Jona - Sion    Morgen, 18.00
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