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Automobil

Zurück in die Zukunft

Neel Jani startet morgen mit Porsche in Saudi-Arabien in die Formel-E-Meisterschaft. Der Jenser fuhr schon einmal in der vollelektrischen Rennserie. Der zweite Versuch soll nachhaltig sein.

Neel Jani unterwegs mit dem Porsche 99X Electric bei einem Test auf dem Circuit Ricardo Tormo bei Valencia. Porsche/ZvG

Patric Schindler
Mit dem Diriyah-E-Prix in Riad (Saudi-Arabien) von morgen und Samstag startet Porsche in seine Debütsaison in der Formel E. Die sechste Meisterschaft der ersten vollelektrischen Rennserie der Welt erstreckt sich über 14 Veranstaltungen in 12 Städten auf 5 Kontinenten. Neel Jani kann das erste Rennen von morgen kaum erwarten:«Es ist toll, dass es nun endlich losgeht. Wir wissen aber auch, dass damit eine Reise ins Ungewisse beginnt, was das Ganze natürlich sehr spannend macht. Wir sind so gut es geht vorbereitet, aber ein Formel-E-Rennwochenende kann man nicht simulieren», sagt der frühere Testfahrer und dritte Pilot des Formel-1-Rennstalls Scuderia Toro Rosso.


Jani startet die Formel-E-Saison zusammen mit dem Deutschen André Lotterer. Beide fahren einen Porsche 99X Electric. Die dreistellige Kombination steht bei Porsche für zweitürige Seriensportwagen. Die Zahl neun wurde gleich zweimal vergeben, um den Stellenwert des Formel-E-Projekts zu unterstreichen, während das X für Zukunftsorientierung und Prototypensport steht. Insgesamt standen dem Werksteam 15 Testtage zwischen dem 1. Januar und 1. Oktober zur Verfügung. Mitte Oktober folgte der offizielle Formel-E-Test auf dem Circuit Ricardo Tormo bei Valencia. Dort trafen die zwölf Teams, die morgen an den Start gehen, zum ersten Mal direkt aufeinander. Das Programm bestand zu grossen Teilen aus Tests von unterschiedlichen Fahrzeugeinstellungen sowie Simulationen von Qualifikation und Rennen. Jani legte insgesamt 119 Runden und rund 368 Kilometer zurück.


Zum Saisonauftakt finden zwei Rennen auf dem Strassenkurs von Diriyah statt (eines morgen und eines am Samstag). Heute gibt es einen kurzen Funktionstest. Am ersten Renntag stehen zudem zwei freie Trainings auf dem Programm. Das erste dauert 45 Minuten, das zweite 30 Minuten. Im Qualifying werden die Fahrer in vier Gruppen unterteilt. Sie müssen in den jeweiligen Gruppen innerhalb von sechs Minuten ihre schnellste Runde absolvieren. Die Top 6 aus allen Gruppen qualifizieren sich für die 20-minütige Super Pole. Dort wird entschieden, wer das Rennen aus der ersten, zweiten und dritten Startreihe in Angriff nehmen wird. Das Rennen dauert 45 Minuten plus eine Runde. Das Programm zu Rennen 2 am Samstag ist nahezu identisch, es gibt jedoch nur eine 45-minütige Trainingseinheit.


Von Beginn weg begeistert
Der 2,4 km lange Strassenkurs in Diriyah (ein Vorort von Riad) ist eine der anspruchsvollsten Strecken im Formel-E-Rennkalender (siehe Infobox). Der Kurs besteht aus 21 Kurven und hat zudem eine der längsten Geraden. Im Vergleich zu den meisten anderen Rennserien im Motorsport werden in der Formel E die Rennen auf Stadtkursen ausgetragen. Jani war von Beginn weg von der Formel-E-Meisterschaft begeistert. In der Zeit, als die Serie lanciert wurde, unterschrieb er bei Porsche einen Werksvertrag und zeichnete sich fortan als Langstreckenfahrer aus.


Die Formel E verfolgte er mit grossem Interesse weiter. «Ich war nicht nur interessiert an der neuen Technologie, sondern mich begeisterte auch das Gesamtpaket dieser Serie», sagt Jani. Dass sich die Formel-E-Meisterschaft derart positiv entwickelt, habe wohl niemand voraussagen können. «Innerhalb von sechs Jahren so schnell zu wachsen, hat im Motorsport noch keine Serie geschafft», erklärt der 35-Jährige. Keine Rennserie könne über derart viele Automobil-Hersteller verfügen und zudem würden sich immer mehr Sponsoren für die Formel-E-Meisterschaft interessieren.


Für Jani stellt sich die Frage nicht, ob sich die vollelektronische Rennserie von der Bedeutung her einmal auf Augenhöhe mit der Formel 1 befinden werde. «Man kann keinen Vergleich ziehen, da es sich um zwei komplett verschiedene Rennserien handelt», sagt der Jenser. Zudem sei auch das Publikum nicht vergleichbar. «Formel-E-Rennen sehen sich auch Zuschauerinnen und Zuschauer an, die nicht zu den klassischen Motorsportfans gehören.» Natürlich gebe es auch viele Fans, die beide Serien verfolgten, sagt er. «Automobilsportfans wollen in erster Linie spannende Rennen und Zweikämpfe sehen, in denen nicht viel vorhersehbar ist. Dabei spielt es eine untergeordnete Rolle, mit welchem Antrieb die Autos unterwegs sind», sagt Jani.


Für den Seeländer, der seit 2013 Porsche-Werksfahrer ist und bis Ende der letzten Saison für den deutschen Automobil-Hersteller in der Langstrecken-WM im Einsatz gestanden ist, wird das Rennen von morgen auch ein Comeback in der Formel E sein. Vor zwei Jahren fuhr er ein Rennwochenende mit zwei Einsätzen bei Dragon Racing. Die Zusammenarbeit  wurde wegen unterschiedlichen Auffassungen über die Entwicklungsausrichtung allerdings wieder beendet. Einen Nutzen könne er aus diesen zwei Rennen keinen ziehen.


«Mentale Kapazitäten steigern»
Erfahrungen hat er hingegen bei zahlreichen Testfahrten dieses Jahr mit dem Porsche 99X sammeln können. «In den elektronisch betriebenen Autos hört man den Funkverkehr mit der Box besser», sagt Jani. Und dies sei ein wesentlicher Vorteil gegenüber anderen Serien. Die Formel-E-Meisterschaft sei insbesondere im mentalen Bereich eine grosse Herausforderung. Man müsse sehr strategisch denken, was den Energieverbrauch betreffe. «Ich muss versuchen, schnell zu fahren, aber immer auch effizient», so Jani. Und er müsse in diesem Zusammenhang viel mit der Box kommunizieren. Das Motto des Seeländers für die neue Saison heisst denn auch «mentale Kapazitäten steigern». «Ich muss versuchen, sehr viele Aufgaben auf einmal zu verarbeiten und zu lösen. Dies wird im Rennen ein entscheidender Faktor zum Erfolg sein», ist er überzeugt.


In seiner ersten Saison mit Porsche in der Formel E will Jani zuerst mal in der Serie ankommen und konkurrenzfähig sein. Aber der Anspruch sei schon da, dass man mit der Zeit auch ums Podium und um Siege fahre. Die besondere Herausforderung liege darin, dass es in der Regel ein Eintages-Event sei und man auf der Strecke nicht tagelang trainieren könne. «Das erste Mal fahre ich eine Rennserie, in der ich keine einzige Strecke kenne», sagt der Seeländer. Es fühle sich so an, wie zu Beginn seiner Karriere im Motorsport, als er die Strecken noch nicht kannte. Dennoch weiss er bei einigen Stadtkursen, was ihn wohl erwarten wird. «In Diriyah geht es bergauf- und bergab und die Strecke wird schnell sein. In Rom hingegen wird die Strecke sehr verwinkelt und eng sein.» Vieles sei in der Formel-E-Meisterschaft unberechenbar, und dies könne die Serie auch in dieser Saison spannend machen.


Jani, Müller, Buemi und Mortara
24 Fahrer in 12 zwölf Teams werden morgen an den Start gehen. In der letzten Saison gewann Jean-Eric Vergne die Gesamtwertung. Der Franzose, der fürs Team DS Techeetah unterwegs ist, hatte schon die Meisterschaft davor gewonnen und strebt nun den Hattrick an. Neel Jani ist nicht der einzige Schweizer in der vollelektronischen Rennserie. Nico Müller fährt bei Geox Dragon, Sébastien Buemi, der die Formel-E-Serie 2016 gewann, sitzt in einem der zwei Rennwagen von Nissan E.Dams. Und bei Venturi Racing steht der italienisch-schweizerische Doppelbürger Edoardo Mortara unter Vertrag. Für Schweizer und insbesondere Seeländer Autorennsportfans lohnt es sich also mehr denn je, die neue Formel-E-Saison zu verfolgen.


Info: Mehr über Neel Jani erfahren Sie auf www.neel-jani.com

Der Rennkalender
Morgen und am Samstag:Diriyah (Saudi-Arabien)
18. Januar:Santiago (Chile)
15. Februar:Mexiko City (Mexiko)
29. Februar: Marrakesh (Marokko)
21. März: Sanya (China)
4. April:Rom (Italien)
18. April:Paris (Frankreich)
3. Mai:Seoul (Südkorea)
6. Juni: Jakarta (Indonesien)
21. Juni:Berlin (Deutschland)
11. Juli:New York (USA)
25. und 26. Juli: London (England)

Die Qualifikationen und Rennen des Diriyah-E-Prix werden live auf «Eurosport» übertragen (Angaben in Schweizer Zeit). Morgen:Qualifikation 1: «Eurosport 1», 8.55 – 10.10 Uhr. Rennen 1: «Eurosport 1», 13.00 – 14.00 Uhr.
Samstag: Qualifikation 2: «Eurosport 1», 8.55 – 10.05 Uhr. Rennen 2: «Eurosport 1», 13.00 – 14.00 Uhr. pss
 

Stichwörter: Neel Jani