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Standpunkt

Biel ist 
das neue Bern

Der EHC Biel ist seit vielen Jahren unterwegs wie ein Supertanker. Nicht allzu schnell, aber immer stetig und immer vorwärts.

Symbolbild: Keystone

Sowohl bei stillem Wasser als auch wenn ein Sturm daher peitscht. Stabilität und Kontinuität sind wichtige Pfeiler einer Langfristigstrategie. In Biel hat man hierzu die wesentlichen Hausaufgaben gelöst. Seit 15 Jahren amtet Daniel Villard als Geschäftsführer. Ein stiller «Chrampfer», der im Hintergrund geschickt die Fäden zieht. Mit Martin Steinegger ist ein Urgestein und ehemaliger Spieler Sportchef. Bestens vernetzt weiss er genau, welche Spieler und Trainer zum Charakter der Mannschaft passen um dadurch die Leistung positiv zu entwickeln. Vor ein paar Jahren wurde Guido Pfosi als professioneller Nachwuchstrainer engagiert. Der ehemalige Banker hat seinen Beruf an den Nagel gehängt und sorgt seither dafür, dass hoffnungsvolle Junioren den Sprung in die erste Mannschaft schaffen können. Und zu guter Letzt passt zu diesem Kernteam Mathieu Tschantré, der seit zehn Jahren als Captain die Mannschaft zusammenhält. An Erfahrung mangelt es wahrlich nicht beim EHCB.

In früheren Jahren gab Biel öfters hoffnungsvolle Spieler an finanzstarke Klubs wie den SCB oder die ZSC Lions ab. Dort reiften sie dann meist zu Nationalspielern und Erfolgsgaranten. Ramon Untersander und Gaëtan Haas sind nur zwei Beispiele dafür. Biel war dadurch sowas wie ein Ausbildungsklub für die Grossen und Reichen. Seit den jüngsten Erfolgen – mehrmalige Playoff-Teilnahme, Halbfinale, «Fast-Qualifikation» für den Final – hat der lokale Hockeyklub an Attraktivität deutlich gewonnen. Heuer sind mit Damien Brunner und Damien Riat gleich zwei Nationalspieler nach Biel gezogen. Biel ist also zu einer ersten Adresse im Schweizer Eishockey geworden. Eismeister Zauggs überraschende Frage ist daher berechtigt («was wird aus dem SCB, wenn Biel doch eine grosse Mannschaft ist?»). Sorgen müssen wir uns über den «grossen» SCB bestimmt nicht. Eine kleine Baisse im September macht noch keine Saison-Krise aus. Nach dem von A bis Z überlegenen Sieg der Bieler im Kantonalderby vom letzten Samstag muss aber auch Klaus Zaugg neidlos anerkennen, dass Biel wahrlich zu einer grossen Mannschaft heranwächst. Die Saison ist zwar noch jung, aber der EHCB gibt sich bisher keine Blösse. Das Team hat das mit Abstand beste Torverhältnis, siegt Mal für Mal in überlegener und kluger Manier. Alles spricht dafür, dass dies nicht nur eine temporäre Glückssträhne ist. Da können wir uns also auf weitere Glanztaten und Hockeyfeste in der Tissot Arena freuen. Bleiben wir aber im Stil der Mannschaft besonnen und realistisch, denn im Sport kann der Wind rasch drehen. Die Qualifikation ist lang und allfällige Playoffs haben eigene Regeln. Und je höher der Aufstieg, desto tiefer ist bekanntlich der Fall. Sportliche Metaphern können gnadenlos sein.

Der süsse Erfolg birgt natürlich noch andere Gefahren. Am Derby in Bern waren zahlreiche Scouts und Journalisten aus der NHL zugegen. Die fantastische Tissot Arena haben sie sich ebenso angeschaut. Ihr positives Urteil zum Schweizer Hockey ist vielleicht ein erster Hinweis darauf, dass in Zukunft ganz andere Klubs unsere lokalen Spieler abwerben könnten. Seien wir in dem Fall echt stolz, wenn einmal ein Schweizer Superstar den Stanley Cup erstmals in Biel vorführen könnte…

Noch vor wenigen Jahren hatte ein SRF-Reporter schalkhaft erwähnt, dass EHCB-Fans einen Screen-Shot nehmen sollen, da das Bieler Team Anfang Saison an der Spitze der NLA auftauchte. Auf einen solchen Spruch kann man beim SRF verzichten. Dass Biel dort oben stehen kann, ist längst keine Überraschung mehr. Schwelgen wir also ein bisschen in Nostalgie und sehnen uns dafür, dass die glorreichen 80er-Jahre mit dem letzten Meistertitel bald ihre Fortsetzung finden. Ici c’est Bienne. Eismeister Zaugg würde sich bestimmt mit uns freuen!

Info: Daniel Müller, Curling-Olympiasieger 1998 in Nagano, passionierter Curler, Segler Snowboarder, Koch und Weinfreak, als Projektleiter und Berater für verschiedenste Kunden in Informatik, Logistik und Industrie tätig.

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