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Eishockey

«Dieser Wahlkampf ist ein Zirkus»

Der US-Amerikaner Mike Lundin verfolgt die Präsidentenwahl aus der Schweiz. Der Verteidiger des EHC Biel sagt, warum er seine Stimme Hillary Clinton gibt. Zudem erklärt er seinen Wandel zum Veganer.

Mike Lundin setzt zum Schuss an. Die Scheibe landete in der Meisterschaft aber bisher erst einmal im Netz. copyright: patrick weyeneth/bieler tagblatt

von Moritz Bill

Spitzensportler haben den Ruf, politisch uninteressiert zu sein. Wohl auch weil es die meisten prinzipiell unterlassen, sich in der Öffentlichkeit politisch zu äussern. Mike Lundin, US-Amerikaner und seit dieser Saison Verteidiger des EHCBiel, bildet eine Ausnahme. Der 32-Jährige spricht in etwa mit derselben Wortgewandtheit über den Wahlkampf in seinem Heimatland, wie wenn er ein Eishockeyspiel analysieren würde.
Das kommt nicht von ungefähr. Lundin sagt, dass er grundsätzlich eine politisch interessierte Person sei. «Als Familienvater ist das meine Pflicht. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Kinder später in einem Land leben, das unseren Vorstellungen entspricht», sagt der Vater von drei Töchtern und einem Sohn im Alter zwischen null und sechs Jahren.
Selbstverständlich haben er und seine Ehefrau Shelly ihre Stimme via Postweg eingereicht. Lundin macht keinen Hehl daraus, dass er Hillary Clinton gewählt hat. «Sie vertritt eindeutig mehr meine Ansichten und Interessen, insbesondere in Sachen Bildungs- und Umweltpolitik.» Warum es der politisch unerfahrene Populist Donald Trump bis zum Kandidaten der Republikaner geschafft hat, kann sich Lundin nicht erklären. «Dieser Wahlkampf ist ein Zirkus und wirft ein schlechtes Licht auf unser Land.» Die Schlammschlacht um Clintons E-Mail-Affäre auf der einen Seite, und all die Trump-Skandale auf der anderen Seite, bezeichnet Lundin als «hässlich, so sollte Politik nicht funktionieren. Ich hoffe, dass sich dieser Stil in Zukunft nicht mehr in diesem Ausmass wiederholt.»
Vorerst blickt der im Bundesstaat Minnesota aufgewachsene Lundin gespannt auf den heutigen Wahltag. Er rechnet mit einem Sieg Clintons, sagt aber auch:«Man weiss nie. Ich hoffe sehr, dass viele Leute auch wirklich wählen gehen. Die Einstellung, dass Hillary Clinton sowieso gewinnt, wäre gefährlich. Ich will mir gar nicht vorstellen, wohin der Weg der USAführen würde, falls Trump das Rennen machen sollte.»  

Auch in der Garderobe ein Thema
Dass eine nicht zu unterschätzende Menge an Bürgern eine Weder-Noch-Haltung vertritt – Trump und Clinton sind wahrscheinlich die unbeliebtesten Kandidaten aller Zeiten –, führt Lundin teilweise auf den parteiinternen Wahlkampf zurück. «Es gab auf beiden Seiten keinen Kandidaten, mit dem sich eine klare Mehrheit identifizieren konnte», sagt Lundin, und weist als Beispiel auf den Demokraten Bernie Sanders hin, der vor allem bei jungen Leuten populär war. Für die (für amerikanische Verhältnisse) revolutionären Ideen des Sozialisten sei das Land aber noch nicht bereit gewesen.
Auch in der Garderobe des EHC Biel war die Präsidentschaftswahl ein Thema. Am meisten unterhielt sich Lundin selbstverständlich mit Landsmann Robbie Earl, den das BT gestern nicht erreichen konnte. Aber auch einige Schweizer Spieler beteiligten sich an der Diskussion. «Ich war allgemein schon ein wenig überrascht, welch grosses Interesse die Wahl in der Schweiz auslöst. Andererseits habe ich den Eindruck, dass viele Leute gut gebildet sind und sich informieren. Die Wahl des US-Präsidenten hat einen starken Einfluss auf das Weltgeschehen.»

Von Astana nach Biel
Dieses verfolgte Lundin während den vergangenen drei Jahren hauptsächlich aus Astana. Der frühere NHL-Spieler stand drei Saisons beim KHL-Team der kasachischen Hauptstadt unter Vertrag. Darauf angesprochen sagt Lundin, dass dem Land und der Liga ein Ruf vorauseile, der in vielerlei Hinsicht nicht mit der Wahrheit übereinstimme. «Klar, anfangs mussten wir uns an die teils unhöfliche Gangart gewöhnen. Das darf man aber nicht persönlich nehmen. Viel mehr zu schaffen machten uns die kalten Temperaturen», sagt Lundin und lacht. Auch die wilden Storys über kaum verkehrstüchtige Flugzeuge und Lohnzahlungen in bar kann er nicht bestätigen. «In Biel gefällt es uns schon besser. Aber Astana war auch ziemlich gut. Wir lebten in einem Quartier mit vielen englischsprachigen Leuten, mein Sohn ging in eine gute internationale Schule. Zudem waren im Team sechs weitere nordamerikanische Spieler.»
In Biel ist Lundin seit Marc-Antoine Pouliots Ankunft von vier weiteren ausländischen Spielern umgeben – von einem zu viel, als dass alle gleichzeitig spielberechtigt wären. «Das löst natürlich zusätzlichen Druck aus. Aber ich denke, wir können damit umgehen, weil wir diesen Konkurrenzkampf in unseren Karrieren schon erlebt haben», sagt Lundin, der weiss, dass seine Statistiken (1 Tor, 3 Assists, -5) nicht für ihn sprechen: «Auf dem Papier sieht das offensichtlich nicht gut aus. Ich hoffe, dass ich offensiv mehr beisteuern kann.»

Vom Bauchweh zum Veganismus
Vor rund fünf Jahren waren es nicht fehlende Skorerpunkte, sondern Bauchschmerzen, die Lundin zu schaffen machten. Er begann fortan, bei der Ernährung auf Milchprodukte zu verzichten. Heute ernährt sich seine ganze Familie vegan. «Das Weglassen der Milchprodukte brachte das Ganze ins Rollen. Ich habe mich dann immer mehr in das Thema eingelesen, und wir haben uns schliesslich zur veganen Ernährung entschieden.» Den für Spitzensportler nötigen hohen Bedarf an eiweissreichen Lebensmitteln gleicht der 187 cm grosse und 83 kg schwere Lundin mit Protein-Shakes aus. Bei Auswärtsspielen mischt er das vom Staff bereitgestellte Essen falls nötig mit eigenen Zutaten. «Das ist kein Problem», sagt Lundin, der nach Andreas Hänni erst der zweite vegane EHC-Biel-Spieler ist. Mike Lundin unterscheidet sich also nicht nur seiner politischen Offenheit wegen von vielen anderen Profisportlern.

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Ryan Lasch ist ein Trump-Anhänger, wählt aber nicht
Ryan Lasch, seit dieser Saison Stürmer beim SC Bern, ist ein bekennender Trump-Anhänger – jedenfalls lässt sein Twitter-Profil diesen Schluss zu. Gegenüber der «Berner Zeitung» wollte sich der Kalifornier aber nicht politisch äussern. «Es ist eine schwierige Situation. Wenn du aus Amerika kommst und in einem anderen Land lebst, verstehen dich manchmal nicht alle, dann ist es besser, einfach den Mund zu halten», erklärte er seine Zurückhaltung. Auf Laschs Stimme kann Trump aber nicht zählen. Der strenggläubige Lasch versäumte den für Ausland-Amerikaner geltenden früheren Stichtag zur brieflichen Stimmabgabe. bil

Kommentare

peschenelly

Muss Sportsmen Recht geben. Wollen abwarten was morgen herausschaut. Hoffentlich findet KS eine gute Strategie gegen das System von HE. Hopp Biel


Sportsmen

Also der Mike Lundin ist ein solider Verteidiger. Vielleicht sollte Ihm Trainer mehr Eiszeit geben. Ich habe gesehen, dass er in Astana fast 30 Min pro Spiel auf dem Eis war. Vielleicht sollte Coach Schläpfer mal sein Spielsystem und Taktik den Spielern anpassen, anstatt irgend eine untaugliche Vision zu verfolgen,,


Gulliver

Plötzlich sind mir Spieler des SCB sympathischer als Spieler vom EHC. Lundin sollte besser den Mund halten und besser spielen.


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