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«Erinnere mich vor allem an den Jubel»

Heute vor 20 Jahren feierte der FC Biel einen grossen Erfolg: Die U18-Mannschaft von Kurt Baumann und Raphaël Nuzzolo wird Schweizer Meister. Ein Blick zurück auf ein besonderes Schützenfest in Baden.

Das U18-Meisterteam des FC Biel 1999/2000. Bild: zvg

Beat Moning

Es war ein schöner, sonniger und auch heisser Samstagnachmittag. An diesem 3. Juni 2000 hatte der FC Biel in Baden die einmalige Gelegenheit, sich den Schweizer-Meister-Titel bei den U18 zu sichern. Die Ausgangslage war ebenso sonnenklar: Ein Sieg musste her, ansonsten hätte der FC Freiburg U18 die Seeländer am Sonntag im Heimspiel gegen Etoile Carouge noch überholen können. Der Aufmarsch war entsprechend. Nicht nur aus dem Seeland. Auch aus Freiburg. Seltenheit: Wann unterstützt ein Romand-Team schon einen Deutschweizer-Klub?

«Es sah lange Zeit nicht gut für uns aus», erinnert sich Trainer Kurt Baumann, der Monate später die erste Mannschaft des FCB übernehmen konnte. In der Tat: «Der Druck lastete auf uns, lähmte uns lange Zeit.» Es galt, nach einer 1:0- (34. Marc Maurer per Kopf) und 2:1-Führung (Molango) einen 2:3-Rückstand nach einer Stunde aufzuholen. «Es war eine Achterbahnfahrt der Gefühle», umschreibt es der Dreifach-Torschütze Marc Maurer. Erst 15 Minuten vor Ende, als die Bieler – endlich – auch kämpferisch alles in die Waagschale geworfen hatten – glich Marc Maurer zum 3:3 aus. Mit dem Ball am Fuss löste er sich erfolgreich von seinem Gegenspieler und schob kaltblütig ein. Es brauchte mehr und die 4:3-Führung durch Stürmer De Feo fiel nur eine Minute später. Erst in der 90. Minute verwandelte Marc Maurer, nachdem er selbst gefoult worden war, einen Penalty zum siegbringenden 5:3. Sein erster Hattrick überhaupt für den Saison-Rekordschützen mit 18 Toren. «Das Tor vor der Nachspielzeit war nicht nur für mich eine grosse Erlösung.»

Marc Maurer, der Held? Er selber sieht es nicht so. «Irgendwie wurden von mir Tore erwartet. Aber ich spürte schon eine grosse Dankbarkeit der Mitspieler, dass ich ausgerechnet in diesem Spiel drei Treffer erzielte. Ich war sonst auch eher der Vorbereiter», so der heutige Unternehmer. Er setzte nach zwei Jahren in der 1. Liga auf das Studium, wechselte zu Bümpliz («wo ich nur drei- statt fünfmal trainieren musste») und dann in die Staaten zum Collegefussball. Ein Schleudertrauma setzte ihn mit 26 Jahren ausser Gefecht. In jungen Jahren schlug er ein Angebot eines NLA-Klubs aus.

Nuzzolos Start in eine Ära

Nach dem Schlusspfiff auf dem Badener Sportplatz Eps brachen alle Dämme. Sogar der Champagner floss. «Ich kann mich nur noch an den kollektiven Jubel nach der Partie erinnern», erzählt der heutige Xamax-Akteur Raphaël Nuzzolo, seines Zeichens der jüngste Bieler im U18-Team. Im Mittelfeld Richtung Sturm zog er die Fäden. Auf ihm lastete viel. «Ich wechselte hin und her, da ich noch in der 1. Liga eingesetzt worden bin», so Nuzzolo. Von den damals eingesetzten Akteuren ist er der einzige Spieler, der es bis zum Spitzenspieler geschafft hat. «Vielleicht gab es talentiertere Spieler im Team, aber Raphaël hatte den Mut und den nötigen Durchhaltewillen, diesen Durchbruch zum Profi zu schaffen, während andere auf den Beruf oder das Studium setzten», erinnert sich Patrick von Felten, der heute bei einer Versicherung arbeitet, zurück. Der Aussenverteidiger spricht von einem «coolen Team». Das Erfolgsrezept war, dass wir uns alle ergänzten. Die Mischung stimmte.» Von Felten selber musste am Morgen noch arbeiten und fuhr an diesem Sonntag mit dem Privatwagen hinterher. Er wurde für Leuenberger in der zweiten Halbzeit eingesetzt. «Wir waren alle topmotiviert, dieses Ding noch zu drehen.» Es waren denkwürdige zweite 45 Minuten.

Marc Maurer, dessen jüngerer Bruder Michel im Mittelfeld agierte und der die ersten Fussballschuhe beim FC Täuffelen schnürte, sah das Erfolgsrezept auch in der Taktik. «Zu dieser Zeit spielten nicht viele Teams auf Pressing. Mit dieser Taktik haben wir die Saison erfolgreich zu Ende gebracht. Mit einem Coach, der den Zusammenhalt förderte und für uns alle ein grosser Motivator war.»

Auch Raphaël Nuzzolo sowie Patrick von Felten loben noch heute den damaligen Trainer Kurt Baumann. Von Felten: «Er war einfach sich selber, authentisch. Und er hat auf die Jungen gesetzt, gab ihnen das Vertrauen. Das haben wir ihm zurückgegeben.» Nuzzolo: «Er war oft hart mit mir, hatte sozusagen eine andere Kultur als wir Welschen. Aber er war ehrlich, ein Tier, hat uns und mich gepusht. Ich darf sagen, dass ich ihm viel zu verdanken habe. Ja, vielleicht hätte ich es ohne ihn gar nicht geschafft. Kurt hat mich von der U15 bis in die 1. Liga begleitet. Das war eine wichtige Phase in meinem Fussballerleben.» Nuzzolo ging dann einen noch unbequemeren Weg. Er verliess Biel und schloss sich der zweiten Equipe von Xamax in der 2. Liga an. So war er nahe des Fanionteams, wo die ersten Einsätze nicht lange auf sich warten liessen. Seine Erinnerung an ihn selbst: «Ich war Stürmer, klein, hatte wenig Kraft. Aber ich trainierte und spielte immer mit älteren Kollegen. So musste ich mich aufdrängen und durchsetzen. Das hat mir geholfen.»

Für Kurt Baumann war es ein wichtiger Titel. Zu Nuzzolo sagt er: «Ein Unberechenbarer. Aus dem Nichts machte er Fantastisches, aus einfachen Bällen wollte er etwas Schwieriges probieren. Er musste oft untendurch, aber er war hartnäckig, ist drangeblieben und hat dem Profifussball alles untergeordnet. Er wusste einfach, was er wollte. Für sein Talent musste er aber hart arbeiten. Das hat er bei aller Verspieltheit getan. Er liebte halt einfach den Fussball über alles.»

Auf dem Rückweg wurde nur gesungen. Auf der Gurzelen weitergefeiert. Ein Spieler erinnerte sich an eine Wette und so mussten zahlreiche Spieler Haare lassen. In Solothurn liess man den Tag ausklingen. Mit Trainer Kurt Baumann, der sich allerdings vor der Tompteuse davonschleichen konnte.

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Illustre und regionale Truppe

Der Mix aus Romands und Deutschschweizern habe es ausgemacht. Das sagen alle, die damals in der Saison 1999/2000 das Dress der U18-Equipe des FC Biel getragen hatten und diesen Erfolg feiern konnten. «Kam dazu, dass es nicht nur Spieler des FC Biel waren. Einige Akteure kamen aus umliegenden Vereinen und sorgten so dafür, dass wir eine Seeland-Auswahl hatten», zeigte sich Kurt Baumann schon damals erfreut über die Zusammensetzung.

Zahlreiche Spieler kamen nach dieser Saison, Raphaël Nuzzolo schon zuvor, über eine kürzere oder längere Zeit beim Fanionteam in der 1. Liga zum Einsatz. Dazu gehörten Torhüter Jarno Beyeler, Patrick von Felten, Yves Padrutt, Michael Vanrell, Marc Maurer, Sandro Wyssbrod (nicht zu verwechseln mit dem ehemaligen EHC-Biel-VR), Roberto De Feo und Mehmet Yaslak. Einige Namen sind noch heute geläufig: Etwa Roberto De Feo, der zuletzt Azzurri-Coach war und nun Teamchef beim FC Biel. Michael Vanrell, der Sohn des in der Region bekannten Pierre-André Vanrell, der in Freiburg Teams coachte oder Patrick von Felten, der als Assistent beim FC Büren fungiert.

Etwa die Hälfte der Equipe spielt heute noch Seniorenfussball. Gar ins internationale Geschäft schaffte es Maheta Molango. Der Kongolese aus St. Imier spielte nach seiner Biel-Zeit in verschiedenen Ligen und Ländern, ohne den Durchbruch zu schaffen. Er machte sich aber auch einen Namen abseits des Terrains und war zuletzt Manager beim spanischen Profiklub RCD Mallorca. Kurz vor der Coronakrise im Februar und vor dem Trainingslager des FC Biel in Palma wurde er dort entlassen. bmb

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Heute Bejune ab U16

Die Strukturen im Schweizer Fussball haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Es hat eine eigentliche Zentralisierung in den Regionen stattgefunden. Aktuell führt die FC Biel Academy Equipen der Junioren E, der U12, U13, U14 und U15. Schon da mit Spielern aus umliegenden Vereinen. Wer im Spitzenfussball bleiben will, muss oder kann den nächsten Schritt in der eigenen Struktur mit den Jurassiern und Neuenburgern machen, dem sogenannten Bejune-Team. Xamax-Bejune heissen die Mannschaften in der U16, U18 und U21. Aktuell sind sechs Junioren bei den U16, drei Spieler in der U18 und mit Maël Zaugg und Endrit Morina zwei Akteure in der U21. Von dieser Organisation schafften es zwei Bieler, Basil Sinzig (Neuenburg Xamax) und Liridon Mulaj (via Winterthur zu Xamax) in die Super League. bmb

Stichwörter: FC Biel, U18, Meisterschaft

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