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«Etwas hat gefehlt»

Für die Rückrunde hat der FC Grenchen aufgerüstet. Unter anderem holte der Klub die Bieler Zwillinge Waylon und Jeffrey Grosjean, die dem Fussball bereits den Rücken gekehrt hatten.

Jeffrey und Waylon Grosjean. Bild: Peter Samuel Jaggi/Bieler Tagblatt

Michael Lehmann

Bitterer hätte es kaum enden können: Im vergangenen Frühsommer bestreiten Jeffrey und Waylon Grosjean mit dem FC Solothurn die Aufstiegsspiele. Gegner ist Etoile Carouge und das Hinspiel ist 0:1 verloren gegangen. Doch bevor Waylon Grosjean seinen Teil zur angestrebten Aufholjagd beitragen kann, muss er abwinken. Er zieht sich beim Aufwärmen eine Zerrung zu und sieht danach von aussen, wie seine Mannschaft praktisch chancenlos ist. In der 64. Minute muss sich auch sein Zwillingsbruder Jeffrey verletzt auswechseln lassen. Solothurn verliert letztlich klar mit 0:5. Zu diesem Zeitpunkt wissen die Bieler noch nicht, dass sie das Solothurn-Dress zum letzten Mal angezogen haben. 

Fünf Jahre lang gehörten Jeffrey und Waylon Grosjean zum festen Bestandteil des Erstligisten. Der Torhüter und der Innenverteidiger, die im September 28 Jahre alt wurden, hatten massgeblich Anteil daran, dass Solothurn zuletzt dreimal in Folge die Aufstiegsspiele erreichte. Nach dem wiederholtem Scheitern entschieden sich die Klubverantwortlichen für den grossen Team-Umbruch. «Wir haben immer gesagt, wenn wir nicht aufsteigen, müssen wir sparen», sagte damals Sportchef Hans «Bidu» Zaugg. Es wurde eine Verjüngung angestrebt. Wer blieb, der bekam einen Vertrag mit reduzierten Entschädigungen vorgesetzt.

Die Verhandlungen mit den Grosjeans zogen sich hin. Als das Team im Juli das Training wieder aufnahm, war immer noch nicht klar, ob die Bieler bleiben würden. Dass es letztlich kein Übereinkommen gab, lag auch daran, dass Zaugg mitteilte, auf der Torhüterposition fortan auf den jungen Colin Bähler setzen zu wollen.

Zuerst ein Korb für Recchiuti

Als dies bekannt wurde, witterte Mirko Recchiuti seine Chance. Da er vor seine Wechsel zum FC Grenchen Trainer der Solothurner A-Junioren war, kannte Recchiuti die Zwillinge bestens. Er fragte, ob sie Lust hätten, sein soeben in die 2. Liga interregional aufgestiegenes Team zu ergänzen. Der Coach rechnete sich Chancen aus, schliesslich hatten beide schon für den Verein gespielt: Waylon eine Saison, Jeffrey gar drei. Doch die Brüder gaben ihm einen Korb und beschlossen stattdessen, eine Pause vom Fussball einzulegen.

Dies hatte zwei Gründe. «Einerseits fühlte ich mich mental und physisch etwas ausgelaugt», sagt Jeffrey Grosjean. Zudem kamen berufliche Herausforderungen auf die beiden Brüder zu. Das familiäre Spenglerei/Sanitär-Geschäft in Orvin brauchte Nachfolger, die Zwillinge übernahmen es und gründeten die «Grosjean Frères» GmbH. Auf die Frage, ob zu diesem Zeitpunkt das Ende der fussballerischen Karriere im Raum stand, antwortet Jeffrey Grosjean, es sei «à voir» gewesen. «Für uns hatte Priorität, uns mit den neuen beruflichen Aufgaben vertraut zu machen. Wir wussten ja nicht, wie es ist, ein Geschäft zu führen.»

Als sich die neuen Aufgaben eingependelt hatten, hätten sich Jeffrey und Waylon Grosjean ganz auf ihre beruflichen Karrieren fokussieren können. Doch Jeffrey merkte: «Etwas hat gefehlt.» Er vermisste den Geruch in der Garderobe, das Gefühl der steigenden Anspannung vor einem Match, den Moment, wenn die beiden Teams das Spielfeld betreten.

FC Biel keine Option

Weil Waylon ähnlich fühlte, sahen sich die Brüder im Frühwinter wieder nach Klubs um. Für sie war klar: Es sollte einer aus der Region sein. Auf lange Hin- und Rückfahrten hatten sie keine Lust; zudem konnten sie sich den Zeitverlust aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit nicht mehr leisten. Mit dem FC Biel hätten sie sich ausgetauscht, allerdings habe der Klub nicht mehr das gleiche Interesse gezeigt wie zwei Jahre zuvor. Anders der FC Grenchen. Recchiuti bemühte sich nochmals intensiv um die beiden Spieler und erzählte von den hohen Ambitionen des Vereins. «Ich war beeindruckt, wie professionell der FC Grenchen aufgestellt ist», sagt Jeffrey Grosjean. Der Klub habe alles, um auch in der 1. Liga bestehen zu können.

Die Realität sieht derzeit allerdings anders aus: Nach nur drei Siegen in der Hinrunde kämpft der Aufsteiger um den Verbleib in der 2. Liga interregional. Die Ausgangslage hat sich nach dem Rückzug des FC Eagles Aarau zwar gebessert, die Abstiegsränge sind aber immer noch nur drei Punkte entfernt. «Das Ziel ist, dass wir uns so schnell wie möglich von den unteren Rängen entfernen», sagt Jeffrey Grosjean. Bereits in der kommenden Saison soll ein Platz in den Top-Fünf angestrebt werden.

Trainer Mirko Recchiuti bestätigt die Zielsetzung im Grundsatz. Zu weit nach vorne will er noch nicht blicken. «Das wäre angesichts unserer Lage nicht angebracht.» Die morgen beginnende Rückrunde – sollte sie denn tatsächlich gestartet werden (siehe Infobox) – geht aber auch Recchiuti mit einem guten Gefühl an. «Vor zwei Jahren hätte man sich nicht vorstellen können, Spieler vom Kaliber der Grosjean-Brüder zu uns holen zu können. Dass sie bei uns unterschrieben haben, zeigt, dass der Verein wieder an Ansehen gewonnen hat.»

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Ohne Zuschauer – wenn überhaupt

Neben den Grosjean-Brüdern har der FC Grenchen drei weitere Winter-Zuzüge verzeichnet: Visar Aliu und Leo Schrittwieser kamen vom FC Solothurn, Stéphane Essomba stiess vom FC Bassecourt zu den Grenchnern. Zum morgigen Rückrundenauftakt würde das Team den SC Zofingen empfangen. Im Zuge der aktuellen Entwicklungen um das Coronavirus scheint die Austragung jedoch zumindest fraglich. Vereinspräsident Giovanni Eterno sagt, dass dem FC Grenchen wie auch allen anderen Klubs nichts anderes übrig bleibe, als die Mitteilungen des Verbandes abzuwarten. Bereits entschieden hat der Verein, dass die morgige Partie aufgrund der kantonalen Auflagen ohne Publikum im Brühl-Stadion stattfinden würde. Für die folgenden Spiele werde die Lage jeweils neu beurteilt.
 

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