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Popmusik

Die Band schrumpft zum Orchester

Heute veröffentlichen die Bieler Pegasus ihr Album «Unplugged». Die akustische Hit-Sammlung dient nicht zuletzt der Selbstvergewisserung als Band.

Pegasus posieren als Quartett, doch das täuscht – «Unplugged» ist üppig instrumentiert.  zvg
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Tobias Graden

Ein Unplugged-Album mit den besten Liedern der Bandgeschichte? So etwas macht eine Band dann, wenn sie keine neue Ideen mehr hat. Noah Veraguth, Sänger und Songschreiber von Pegasus, widerspricht vehement: «Nein, wir haben sehr viele Ideen! Doch wir sind immer instinktiv mit den Richtungen umgegangen, die wir einschlagen wollten.» Und dieser Instinkt sagte dem Quartett zuletzt:Wir sind eine Band, wir treffen uns in einem Bandraum und machen zusammen Musik. Das ist unser Markenzeichen.

Die Band ist wieder komplett
Klingt banal, ist es aber nicht, und es hat auch seine Geschichte. Da ist zum Einen die persönliche: Für dieses Album ist Gitarrist Simon Spahr in die Band zurückgekehrt. 2016 hatte er diese nach 15 Jahren verlassen – ein drastischer Schritt, über den sich Spahr und die Band öffentlich nie detailliert geäussert haben. Zwar stiess der Gitarrist wieder zur Band, als das Unplugged-Projekt bereits aufgegleist war, doch war allen Beteiligten klar: Ein Rückblick auf das bisherige Lebenswerk wäre ohne Spahr nicht denkbar gewesen. «Wir haben das Projekt wie ein altes Ehepaar besprochen», sagt Veraguth, «wir haben lange geredet, abgewägt und sind zum Schluss gekommen: Die Band ist dann komplett, wenn er dabei ist. Er ist Teil unserer kollektiven Psyche.» Dessen haben sich die Beteiligten denn auch bewusst gegenseitig versichert: «Wir haben einander gesagt, dass es schön ist, zusammen zu sein.»

Grösser gings nicht mehr
Und da ist zum Andern die künstlerische Seite. Alleine zwischen März und September letzten Jahren wuchs die Zahl der Songs auf Spotify um 10 Millionen, eine unfassbare Menge. Pegasus wolle sich von diesem grossen Pool abheben. «Heute kann jeder produzieren, es kommen die immer gleichen Programme zum Einsatz, vieles klingt ähnlich», konstatiert Veraguth und folgert: «Ein eigener Sound entsteht dann, wenn man als Band zusammen Musik macht.»
Hinzu kommt: Die Produktion bei Pegasus wurde zuletzt immer umfangreicher. Beim letzten Album «Beautiful Life» waren 70 Personen involviert. Veraguth: «Grösser geht es nicht mehr. Wir wollten wieder dorthin gegehen, wo wir herkommen.» Pegasus wollten wieder schrumpfen, zur Band im Übungsraum, in dem vier Jungs zusammen Musik machen.

Songs für das Stadion
Man sollte sich nun allerdings «Unplugged» nicht als ein Album mit minimalistischer Lagerfeuer-Singer/Songwritermusik vorstellen. Diese Songs sind für die grosse Bühne gemacht – im November hätte die Premiere im Hallenstadion gefeiert werden sollen, inszeniert nicht zuletzt auch als emotionale Rückkehr des Kulturlebens nach der Coronalethargie. Nun ist der Termin an selber Stelle für den Mai vorgesehen, 15 Musikerinnen und Musiker werden das Programm spielen. Das ergibt nicht den Bombast, den Pegasus 2013 mit Orchester und Chor im KKL darboten, die Besetzung ist aber alleweil wuchtig genug, damit Pegasus’ Popsongs auch in akustischer Variation als solche funktionieren.
Dieses Bestreben ist der Musik bisweilen auch in Albumform deutlich anzuhören. Aufbau und Dynamik der Lieder wurden grossteils nicht angetastet, offensichtlich sollen sie die gleiche Stimmung transportieren wie ihre elektronisch verstärkten Originale. «Technology» bleibt der treibende Uptempo-Song, «I Take It All» zelebriert die melancholisch-grosse Geste, und droht es mal wirklich intim zu werden wie in der überaus schönen Ballade «Lay Low», sorgen Streicher und genügend Hall im Gesang alsbald für genügend emotionale Distanz.

Mit Meistern ihres Fachs
Pegasus haben für Arrangements und Produktion mit Lillo Scrimali und Philip Niessen gearbeitet, Meister ihres Fachs, mit einem Leistungsausweis von zahlreichen MTV-Unplugged-Sessions und der musikalischen Direktion der Band der Fantastischen Vier. Sie überlassen also nichts dem Zufall, haben aber auch hübsche Einfälle und sorgen für Vielfalt: In «Last Night On Earth» perlt ein Banjo im richtigen Moment und eine ornamentale Violine sorgt für melodiöse Melancholie; in «Rise Up» ist es das Perkussionsarsenal von Rhani Krija (er hat auch schon mit Sting gespielt) samt Marimbas, das für afrikanisches Flair sorgt.
Insgesamt könnte das auch Filmmusik sein, so gekonnt und effektvoll sind jeweils die Akzente gesetzt. Und so kommt es, dass in diesem üppigen Garten die stillste Blume am schönsten blüht. Die neue Single «Better Man» ist in der Albumversion ganz schlicht gehalten: Es gibt Gesang und zwei, drei Gitarren – und für den Hörer die Erkenntnis, dass sie das mit den Songs halt nach wie vor gut können, diese vier Jungs im Bandraum.
Info: Pegasus:«Unplugged» (Phonag).

Stichwörter: Pegasus, Pop, Unplugged, Musik

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