Sie sind hier

Abo

Biel

Wenn ein Feuer die Existenz zerstört

Den vom Hochhausbrand in Brügg betroffenen Menschen haben Gemeinde und Hausverwaltung rasch geholfen. Eine Familie aus Biel, die bei einem Feuer alles verloren hat, sucht derweil seit Ende Februar nach einer neuen Wohnung.

  • 1/13 Bilder: Arthur Sieber
  • 2/13
  • 3/13
  • 4/13
  • 5/13
  • 6/13
  • 7/13
  • 8/13
  • 9/13
  • 10/13
  • 11/13
  • 12/13
  • 13/13
zurück

von Carmen Stalder


Mitte Mai hat in Brügg frühmorgens ein Hochhaus gebrannt. 84 Menschen mussten in Sicherheit gebracht werden, 49 Bewohner wurden mit Verdacht auf Rauchgasvergiftung mit der Ambulanz ins Spital gebracht (das BT berichtete). Mittlerweile konnten alle Bewohner wieder in ihre Wohnungen zurückkehren, sagt Nina Calderari von der Hausverwaltung.

Fast 90 Prozent der Wohnungen seien noch am selben Tag, nach einem Kontrollgang durch die Feuerwehr und einer Reinigung, wieder bezugsbereit gewesen. Die restlichen Wohnungen waren stärker vom Russ verschmutzt und mussten ausführlicher gereinigt werden. Nach der Evakuierung wurden die Bewohner in der Mehrzweckhalle einquartiert. Dort sei man mit den Menschen zusammengesessen und habe sie über das weitere Vorgehen informiert, so Calderari.

Die wenigen Bewohner, die nicht direkt in ihre Wohnungen zurückkehren konnten, seien alle bei Verwandten untergekommen. Andernfalls hätten sich sowohl die Verwaltung als auch die Gemeinde um die «Obdachlosen» gekümmert: «Solange die Situation unklar war, haben wir geschaut, welche Leerwohnungen wir zur Verfügung stellen könnten», sagt Calderari. Später hat die Verwaltung mit jedem Mieter die Wohnung aufgesucht und besprochen, wie es weitergeht. Gerhard Weyermann, Gemeindepolizei-Beauftragter in Brügg, war selbst vor Ort und vom Verhalten der Verwaltung beeindruckt: «Eine solche Unterstützung habe ich in meiner langen Laufbahn nie erlebt.» Auch die Gemeinde hat sich zu diesem Zeitpunkt nach freien Wohnungen umgesehen.

Wie sich dann herausgestellt hat, war alles weniger schlimm als befürchtet. Die Wohnungen sind mittlerweile alle geputzt, derzeit wird noch das russgeschwärzte Treppenhaus neu gestrichen. «Wir hatten Glück im Unglück», so die Verwalterin.


Wohnung völlig ausgebrannt

Weniger glimpflich ausgegangen ist ein Hausbrand in Biel. Am 26. Februar begann die Fritteuse der Familie Hiltbrand zu brennen. Schnell entwickelte sich ein Feuer, das die ganze Wohnung zerstörte. Die Flammen verschlangen Möbel, Kleider und Geschirr, sie brachten den Computer zum Schmelzen und das Glas zum Bersten. Am Schluss blieb nichts übrig. «Ich konnte nur ein paar Papiere retten», sagt der 59-jährige Peter Hiltbrand. Kommt hinzu: Das Mobiliar der Familie war zum Zeitpunkt des Brandes nicht versichert (siehe Zweittext).

Im Gegensatz zu den Brüggern sucht die vierköpfige Familie mit den beiden 10- und 16-jährigen Söhnen bis heute eine dauerhafte Bleibe. Die Wohnung in der Nähe des Bieler Bahnhofs ist völlig ausgebrannt, Verwandte in der Region hat der ursprünglich aus dem Oberland stammende Hiltbrand nicht. Und weil die Jungs hier zur Schule gehen, kommt ein Wegzug nicht infrage.

Die Nacht nach dem Brand verbrachte die Familie im Passantenheim der Heilsarmee, danach kam sie in einem Studio in Brügg unter. Auf der Suche nach Hilfe wurde die finanziell nicht gut gestellte Familie bei verschiedenen Institutionen vorstellig – und überall abgewiesen. Um etwa eine Notwohnung in der Stadt Biel beziehen zu können, müsste der Sozialdienst eine Kostengutsprache erteilen – da die Familie jedoch keine Sozialhilfe bezieht, ist dies nicht möglich. «Man muss zu einem Sozialfall werden, damit einem geholfen wird», sagt Pascal Lerch, Fachstellenleiter bei der Sozialberatungsstelle der reformierten Kirche Biel. Die Beratungsstelle hat sich schliesslich der Familie angenommen und unterstützt sie bis heute.


Nur Absagen erhalten

«In einem solchen Fall muss man reagieren, egal wie», sagt Lerch. Über Tourismus Biel Seeland konnte er für die Familie kurzfristig eine Ferienwohnung organisieren, in der sie bis heute wohnt. Lerch sitzt seit dem ersten Kontakt wöchentlich mit der Familie zusammen, er organisierte Sachspenden, startete ein Crowdfunding auf der Plattform «I Care For You» und half bei der Wohnungssuche. Diese verlief bisher erfolglos. Die Familie hat einige Zahlungsrückstände am Hals und deswegen nur Absagen erhalten. Für die Übernahme einer Solidarhaftung habe sich bisher niemand gefunden.

Langsam wird das Wohnungsproblem jedoch dringend: Ab Mittwoch ist die Ferienwohnung durch Gäste besetzt – die Hiltbrands müssen raus. Für den Familienvater an und für sich nicht schlimm: «Die Zweizimmerwohnung ist viel zu eng für uns.» Doch noch ist kein Ersatz in Sicht. «Eine Wohnung zu finden hat für die Familie jetzt höchste Priorität», sagt Lerch.

Da stellt sich die Frage, ob es denn nicht an der Gemeinde – in diesem Fall an Biel – läge, der Familie eine Unterkunft zu besorgen. André Glauser, Leiter der Abteilung Öffentliche Sicherheit, beschreibt, wie die Stadt in einem solchen Fall vorgeht.

Werden Bieler durch einen Brand vorübergehend obdachlos, nimmt die Stadt Kontakt mit ihnen auf. «In der Regel können sich die betroffenen Personen selber helfen und kommen bei Verwandten oder Bekannten unter», sagt Glauser. Andernfalls werde eine Unterkunft gesucht: Das kann ein Hotelzimmer oder ein Passantenheim sein. Zudem könnne man bis zu drei Familien in einer ehemaligen Militärunterkunft in der Stadt unterbringen. «Dort können die betroffenen Personen wohnen, bis für sie in Zusammenarbeit mit der Hausverwaltung und eventuell anderen Stellen eine dauerhafte Lösung gefunden werden kann.»


Keine weitergehende Hilfe

Gemäss Glauser ist der Fall der Familie Hiltbrand genau nach diesen vorgegebenen Prozessen abgelaufen. «In Zusammenarbeit mit diversen Stellen konnte eine Lösung für eine vorübergehende Unterbringung der Familie für die Tage nach dem Brand gefunden werden.»

Die längerfristige Lösungsfindung für die Unterbringung von brandbetroffenen Personen laufe nicht mehr über die Sicherheitsorgane der Stadt. Wer weitergehende Hilfe benötige, könne sich an den Sozialdienst oder andere kompetente Institutionen wenden. Daraus lässt sich folgern: Mit dem Engagement der kirchlichen Beratungsstelle sah die Stadt ihre Arbeit als getan an. Ein Vorgehen, das Pascal Lerch wiederum als sehr unbefriedigend empfindet. «Niemand fühlt sich für die Familie zuständig. Vor lauter Reglementen verliert man das pragmatische Handeln aus den Augen.»

Wie es mit der Familie weitergeht, bleibt über drei Monate nach dem Brand unklar. «Mein grösster Wunsch ist, dass in unserer Familie wieder der normale Alltag einkehrt», sagt Peter Hiltbrand. Man könnte meinen, dass das nicht so schwer sein sollte.

* * * * *

Hier gehts zum Crowdfunding für die Familie Hiltbrand:

https://www.icareforyou.ch/icfy/src/#!/projectdetail/4593/hilf-einer-bieler-familie-nach-wohnungsbrand

* * * * *

Hausratversicherung ist nicht obligatorisch

Werden bei einem Wohnungsbrand die Möbel zerstört, kommt die Hausratversicherung für den entstandenen Schaden auf. Eine Hausratversicherung gehört zur Grundausstattung bei den Versicherungen, ist in der Schweiz jedoch nicht obligatorisch. Durch eine Hausratversicherung sind Schäden an beweglichen Gegenständen versichert: Dazu gehören neben Möbeln auch Elektronikgeräte wie der Fernseher, Kleider oder Lebensmittel. Neben Schäden durch Feuer sind auch solche durch Wasser, Einbruchdiebstahl und Vandalismus abgedeckt.

Anders sieht es aus bei der Gebäudeversicherung: Diese ist in den meisten Kantonen obligatorisch und Sache der Hauseigentümer. Diese Versicherung kommt bei Schäden an Gebäuden und Gebäudebestandteilen zum Zug – etwa durch Feuer oder Wasser. Zu den gedeckten Schäden gehören auch fixe Einrichtungen wie Garagen, Einbauschränke, Fensterläden, Öfen, Kochherde oder Bäder.

Stichwörter: Brand, Feuer, Hochhausbrand

Nachrichten zu Biel »