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Filmkritik

"In The Heights": Grosse Träume im Quartier

Das erfolgreiche Broadway-Musical über die Zukunftsträume junger Latinos in New York kommt auf die grosse Leinwand. Die starke filmische Umsetzung strotzt vor Energie und Lebensfreude.

Sie tanzen durchs Leben und für ihre Träume: Usnavi (Anthony Ramos) und Vanessa (Melissa Barrera).

von Roger Duft

Lin-Manuel Miranda gilt spätestens seit dem gigantischen Erfolg seines Musicals «Hamilton» – über den amerikanischen Gründervater Alexander Hamilton – als der Musical-Gott in Amerika schlechthin. Elf Tony Awards gab es für das Werk, das zwischen 2016 und 2020 am Broadway jeweils über ein Jahr im Voraus ausverkauft war. Klar, dass da nun auch andere Werke des 41-Jährigen wieder ins Rampenlicht rücken.

Mit «In The Heights», das 2008  am Broadway uraufgeführt wurde, kommt nun die filmische Adaption von Mirandas Erstlingswerks in die Kinos, in dem der Komponist aufgrund seiner Herkunft – er wurde als Sohn puertoricanischer Eltern in New York geboren – besonders viele autobiografische Aspekte verarbeitet hat.

Usnavi (Anthony Ramos) lebt in Washington Heights, einem Stadtviertel im Norden Manhattans. Er führt dort mit Unterstützung seines Cousins Sonny (Gregory Diaz IV) eine kleine Bodega, träumt aber vom grossen Aufbruch in die Dominikanische Republik.

Nina (Leslie Grace) hat den Weg «raus» dank eines Studiums an der renommierten Stanford University bereits geschafft. Ihr grosser Traum ist allerdings geplatzt: Nina weiss nicht, wie sie ihren stolzen Eltern beichten soll, dass sie ihr Stipendium verloren hat.

Auch Vanessa (Melissa Barrera) träumt von einer rosigeren Zukunft. Mit der Arbeit im Kosmetiksalon ihrer Freundinnen Daniela (Daphne Rubin-Vega) und Carla (Stephanie Beatriz) möchte sie sich den Umzug in eine Wohnung im West Village finanzieren.

Sie alle sind Träumerinnen und Träumer mit lateinamerikanischen Wurzeln in dieser grossen Stadt, getrieben von Wünschen und Sehnsüchten. Und während die Geschichte langsam auf einen stadtweiten Stromausfall hinsteuert, wird klar, dass mit dem Verschwinden des Lichts in Washington Heights nicht nur Träume erlöschen. Auch sonst wird nach dem Blackout für die Protagonisten vieles anders sein.

«In The Heights» musste sich zu Beginn einer Kontroverse stellen: Kaum war der Film angelaufen, wurde der Vorwurf laut, dass dunkelhäutige Latinos in dem Film nur kleine Rollen spielen und die Hauptrollen vorwiegend mit hellhäutigen Darstellerinnen undDarstellern der Latinx-Gemeinde besetzt waren. Miranda akzeptierte diese Kritik und gelobte in den Sozialen Medien für zukünftige Filmprojekte Besserung.

Doch den Erfolg konnte dies nicht schmälern. Regisseur Jon M. Chu («Step Up 3D», «Crazy Rich Asians») hat aus dem Broadway-Hit ein wahres Feuerwerk aus hervorragend choreografiertem Tanz, fetzigen Rhythmen und ganz viel Lebensfreude gezaubert. Die Zuschauerinnen und Zuschauer werden von Beginn weg gepackt und und mitten ins Leben dieser Latino-Community, die es in New Yorks Washington Heights tatsächlich gibt, gezogen. Dialoge sind eher selten, meistens wird gesungen und getanzt. Die Musical-Szenen sorgen für wuchtige, bildgewaltige Momente mit oft sehr vielen Beteiligten, die lange nachhallen und ihr emotionales Ziel nie verfehlen. Dies ist vordergründig Miranda zuzuschreiben, dem das Schreiben von griffigen Melodien und Texten mit viel Herz tief im Blut liegt.

Die Geschichte um diese «Dreamers», so simpel sie am Ende ist, serviert dabei nicht etwa völlig hanebüchene Luftschlösser, denen die Jugendlichen ziellos nacheifern, sondern bleibt nahe an der Realität und erfrischend unpolitisch. Die vorhandenen Rassenprobleme schimmern zwar durch, beherrschen aber die Handlung nicht.

Dies, und die starken Leistungen des in vielen Fällen jungen Ensembles sorgen dafür, dass «In The Heights» mitten ins Herz trifft. Man fiebert, leidet und freut sich mit den Protagonisten, wenn sie das Leben herausfordert, quält oder am Ende doch noch belohnt.

Lin-Manuel Miranda, der in den ersten Aufführungen von «In The Heights» noch die Hauptrolle spielte, ist in der Filmversion in einer kleinen Nebenrolle zu sehen. Und wer bis ganz zum Ende des Films sitzen bleibt, erlebt noch eine kleine zusätzliche Szene mit dem neuen Musical-Gott schlechthin.

«In The Heights» ist der perfekte Feel-Good-Film für den bisher durchzogenen Sommer. Hier gibt es Sonne pur – für das Auge und für das Herz.

Info: In den Kinos Lido 2 und Bluecinema, Biel.

Die Bewertungen der BT-Filmkritikerinnen und BT-Filmkritiker:
Roger Duft **** (von 5 Sternen)


 

Stichwörter: Filmkritik

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