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Filmkritik

"King Richard": Wenn ein Plan funktioniert

Richard Williams hat aus seinen Kindern Tennis-Weltstars gemacht. Die Geschichte um Venus und Serena Williams ist ein Märchen, birgt aber auch eine Gefahr.

Ohne Kompromisse an die Weltspitze:Richard Williams (Will Smith) mit seinen beiden Töchtern.
von Roger Duft
 
Eltern, die in ihren Sprösslingen den nächsten Cristiano Ronaldo, Beat Feuz, oder, um zum Thema zu kommen, die nächste Martina Hingis sehen, gibt es zuhauf. Und einige Mütter oder Väter lassen denn auch keine Gelegenheit aus, ihre Kinder mit Trainings, Turnieren und unerbittlichem Antrieb zum Erfolg zu bringen; man könnte in vielen Fällen auch sagen: zu prügeln. Unschöne Beispiele von elterlichem Übereifer in der Hoffnung, dass aus ihrem Kind ein Champion wird, findet man in jeder Sportart, und bei Leibe nicht nur da.
 
Auch Richard Williams (grossartig: Will Smith) hatte Anfang der 90er-Jahre einen klaren Plan: Angesichts des grossen Tennis-Talents seiner beiden Töchter Venus und Serena setzt er alles dran, seinen und den Traum der Mädchen wahr werden zu lassen: Venus, da die ältere, sollte als erste afroamerikanische Tennisspielerin an der Weltspitze stehen, bevor Serena ihr dorthin folgen wird. Alles, was es dazu braucht, sind Wille, Ausdauer, Kraft – und Bescheidenheit. Ein Fakt, den er Venus und Serena einmal anhand des Disney-Klassikers «Cinderella» eintrichtert.
 
Dafür ist Richard natürlich nur das Beste gerade gut genug. Er überzeugt den renommierten Tennis-Coach Paul Cohen (Tony Goldwyn), die Schwestern zu trainieren. Als Cohen nur Venus gratis trainieren will, muss Serena zurückbleiben. Also filmt Richard kurzum die Trainings und Mutter Oracene (stark: Aunjanue Ellis) übernimmt die Rolle des Coaches für das jüngere Tennis-Talent. Die Szene ist bezeichnend für Richards unerbittliches Streben, aus seinen Töchtern Tennis-Stars zu machen. Nichts und niemand kann ihn aufhalten, nicht die Sponsoren, Coaches, und schon gar nicht die Nein-Sager, die Richard oft vorwerfen, die Sache völlig falsch anzugehen. Und auch Oracene kämpft oft vergebens für etwas mehr Kindheit für die zwei angehenden Spitzen-Athletinnen. Als Richard entscheidet, dass Venus drei Jahre lang keine Turniere spielen soll, weil sie noch nicht bereit sei, droht sein Plan mehr als einmal schiefzugehen. Immer mehr Leute glauben, dass Richard seinen Kindern vor allem im Weg steht.
 
Es ist nun wirklich nicht zu viel verraten zu sagen, dass der Plan am Ende hervorragend funktionierte. Aus Venus und Serena wurden zwei der grössten, vielleicht sogar die grössten Tennisspielerinnen, die die Welt bislang gesehen hat. 
 
Der Filmtitel «King Richard» ist dabei stets Programm. Richard führt seine Familie wie ein Herrscher, den nichts, aber auch gar nichts von seinem Vorhaben abbringen kann – ein Fakt, der momentan auch die Weltpolitik sehr tragisch beeinflusst. Die differenzierte Darstellung seines Protagonisten ist eine der vielen Qualitäten des Werks.
 
Aber – und hier kommt die hervorragende Darstellerleistung von Will Smith zum Tragen – bei Richard Williams wird trotz der vielen Momente, in denen man sich über den Übereifer, die ständige Kontrollsucht und die Unerbittlichkeit den Mädchen gegenüber aufregt, klar, dass er sie auch über alles liebt. Und die Schwestern, dies wird ebenso klar, sind durch und durch hinter dem Plan ihres Vaters gestanden und haben selber genauso sehr an sich und ihren Weg geglaubt.
 
Die Frage ist trotzdem mehr als nur erlaubt, wie sehr Richard seinen Plan für Venus und Serena, und wie stark auch für sich selber, durchgezogen hat. Er, der von der Gesellschaft oft belächelt oder sogar attackiert wurde. Und dass er auch rassenpolitische Gründe hatte, aus seinen Mädchen weltberühmte Tennisstars zu machen, wird im kurzweilig und temporeich erzählten Film von Reinaldo Marcus Green zwar angeschnitten, aber nicht besonders ins Zentrum gerückt. 
 
All diese Facetten werden in «King Richard» geschickt zu einer höchst unterhaltsamen, ästhetischen Biografie über eine Familie verwoben, die den Widrigkeiten stets getrotzt hat und durch dick und dünn zusammengehalten hat. Mit den Jung-Talenten Saniyya Syndey («Fences», «Hidden Figures») als Venus Williams und Demi Singleton in der Rolle von Serena hat Regisseur Green zudem zwei starke Asse im Ärmel. Die 15- und 14-jährigen Schauspielerinnen überzeugen auf der ganzen Linie, insbesondere mit ihrem Tennisspiel, welches den Stil der Williams-Schwestern erstaunlich gut kopiert.
 
Trotz seiner Qualität ist es aber auch ein Film, der die Gefahr birgt, andere Eltern in ihrem Bestreben zu überzeugen, ihre (nicht selten irrgläubigen) Pläne für die Kinder ebenso konsequent durchziehen zu wollen. Geht dies schief, wird einem jungen Menschen zumindest ein Teil, wenn nicht sogar die gesamte Kindheit geraubt. Und statt der nächsten Venus oder Serena hat man dann die nächste Lindsay Lohan.
 
Info: In den Kinos Lido 1 und Bluecinema, Biel. 
 
Die Bewertungen der BT-Filmkritikerinnen und BT-Filmkritiker:
Roger Duft **** (von 5 Sternen)
Dominic Schmid **** (von 5 Sternen)
Stefan Rohrbach *** (von 5 Sternen)
Mario Schnell *** (von 5 Sternen)
 

Stichwörter: Filmkritik

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