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Filmkritik

"Lacci": Nicht loslassen können

Ein Mann betrügt seine Frau. Was dann folgt, zeigt die italienische Buchverfilmung «Lacci» durchaus stimmig. Leider erhalten die spannendsten Figuren kaum Platz.

Drei ist jemand zu viel: Szene aus «Lacci».

von Raphael Amstutz

«Ich habe mit einer anderen Frau geschlafen.» Dieser Satz ist einer der beliebtesten in Kinodrehbüchern. Weil er der Ausgangspunkt ist für zerschlagenes Geschirr und lautloses Weinen, grosses Geschrei und stilles Leiden; die ganze Palette menschlichen Seins.

Zerbricht eine Beziehung – und sind da noch Kinder – öffnen sich Abgründe und Eifersucht, Missgunst und Verzweiflung zeigen sich. Geschieden und getrennt wird im Kino meistens voller Emotionen (siehe unten). Selten ist es einvernehmlich, unaufgeregt und gesittet.

«Ich habe mit einer anderen Frau geschlafen», sagt Aldo (Luigi Lo Cascio) zu Vanda (Alba Rohrwacher) Anfang der 80er-Jahre in Neapel. Vor Kurzem haben sie geheiratet. Er arbeitet beim Radio, sie ist Lehrerin. Gemeinsam haben sie eine Tochter und einen Sohn. Vanda ist fassungslos und als sie spürt, dass es nicht um einen einmaligen Ausrutscher geht, sondern um eine neue Liebe, kann sie diesen Betrug nicht ertragen und wehrt sich – hochtourig, handgreiflich, juristisch. Aldo pendelt derweil zwischen alter Familie und neuer Frau in Rom, unfähig, eine Entscheidung zu treffen.

«Lacci», der auf dem gleichnamigen Erfolgsroman von Domenico Starnone beruht, erfindet den Scheidungsfilm nicht neu. Er arbeitet die Punkte ab, die in einem Lexikon zum Thema Trennung und was daraus werden kann, aufgeführt sind. Er tut dies absolut ordentlich und solide, er springt durch die Zeiten, lässt mutig vieles aus und findet stimmige Bilder, Rohrwacher und Lo Cascio spielen zudem überzeugend.

Geht es um Gefühle, Beziehungen, das grosse Ganze, will man als Publikum Stellung beziehen. Das fällt hier leider schwer. Vanda macht es dem Zuschauenden nicht leicht, Sympathien zu entwickeln. Zu versessen ist sie, zu selbstzerstörerisch. Besonders nervig ist aber, wie sehr Aldo offenbar unter Realitätsverzerrung leidet, sich als Opfer sieht und das genüsslich zelebriert. Ach, diese krude Selbstzufriedenheit, die Feigheit mit Rückzug maskiert.

Trennt euch doch einfach, möchte man den beiden mehr als einmal zurufen. Aber ja, sich gemeinsam im Elend zu suhlen kann und darf durchaus ein Lebenszweck sein. Das ganze Mitgefühl in «Lacci» gilt den beiden Kindern, die in all dem Drama irgendwie ihren Weg finden müssen – und leider im Film kaum Platz und Raum erhalten.

So schaut man dem Ringen, Taumeln und Hadern der beiden zu, hört Vandas Sticheleien und Aldos Beschwichtigungen und reibt sich die Augen, als die beiden auch nach drei Jahrzehnten nicht voneinander losgekommen sind. Als sie nach einer Reise auf eine verwüstete Wohnung treffen, darf das durchaus als Metapher gelesen werden. Man fragt sich, wer für diesen Einbruch verantwortlich ist und freut sich über die Auflösung.

Info: Im Kino Lido 1, Biel. Nur 17.45 Uhr.

Die Bewertungen der BT-Filmkritikerinnen und BT-Filmkritiker:
Raphael Amstutz *** (von 5 Sternen)

Trennungen im Kino
Egal welches Genre, welches Jahr, welches Land. Beziehungsenden und was dann geschieht, interessieren die Filmemacherinnen und Filmemacher. Die Auswahl an Werken ist beinahe uferlos. Hier einige Beispiele: «Szenen einer Ehe» und «Kramer vs. Kramer». Zwei der ganz grossen Klassiker. Gedreht in den 70er-Jahren, werden die beiden Dramen bis heute immer wieder zitiert. Woody Allen zeigte in «Husband And Wives» die Beziehungskrisen zweier Paare, die ihre Lebensentwürfe hinterfragen, als Komödie. Weitere sehenswerte Filme, die das Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten:«5x2», «The Squid And The Whale», «A Separation», «What Maisie Knew», «Carol», «Loveless» oder «Marriage Story».

 

Stichwörter: Filmkritik

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