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Filmkritik

"The Quest for Tonewood": Der Baum des Lebens

Gaspar Borchardt hat eine Mission. Der Geigenbauer ist auf der Suche nach diesem einen Stück Holz. Geschickt geschnitten, wird der Dokfilm zum Krimi.

Ist das der gesuchte Baum? Geigenbauer Gaspar Borchardt in einem Wald bei Sarajewo. 

von Raphael Amstutz

Es sei, als habe er Licht gesehen, sagt Gaspar Borchardt, als er sich mit sechs Jahren in den Klang von Violinen verliebt habe. Seit vielen Jahren führt der gebürtige Deutsche im italienischen Cremona mit seiner Frau ein Geigenbauatelier. Unzählige Violinen hat er hergestellt, die Faszination zu diesem Instrument ist ungebrochen. Borchard sieht das Holz, er hört es, er schmeckt es – Holz ist für ihn heilig, ein Lebewesen.

Borchardt fällt nicht weiter auf. Er baut Geigen, isst mit seiner Familie und geht mit dem Hund spazieren. Doch in ihm ist dieser eine grosse Wunsch:Er möchte für die weltberühmte niederländische Violinistin Janine Jansen ein Instrument bauen. Er sagt es so:«Natürlich wirkt das verrückt, aber ich möchte diese Erde nicht verlassen, ohne wenigstens versucht zu haben, ein Instrument zu bauen, das sich mit jenen von Stradivari messen kann.»

Und dafür sucht er das beste Stück Holz, das es auf dieser Welt für Violinen gibt; den sogenannten Flamm-Ahorn.

Klingt einfach. Ist es aber nicht. Erstens: Grossartiges Holz ist schwierig zu bekommen. Zweitens: Weil es rar ist, ist es teuer und viele Menschen sind daran interessiert, Gewinn zu machen. Doch das hindert den zurückhaltenden und in geschäftlich-finanziellen Dingen eher unbedarften Italiener nicht.

Und so macht er sich auf – und landet schliesslich in Bosnien.

Dort kommt die überraschende Wende und es ist Schluss. Der Blick auf die Uhr zeigt aber: Der Film dauert noch 20 Minuten. Also geht er weiter – und findet ein anderes Ende, das, jedenfalls was die Herkunft des Holzes angeht, gleich nochmals überrascht.

Im Vergleich zu «The Quest for Tonewood» ist ein durchschnittlicher «Tatort» ein laues Lüftchen. Mit treibender, an- und abschwellender Tonspur und enorm clever geschnitten, wird aus der Suche nach dem Baum ein Krimi. Es wird im Zwielicht getuschelt, es werden Telefonnummern ausgetauscht und durchtelefoniert – und immer wieder wird Borchardt gewarnt. Vor der Gier der Menschen, vor den Menschen überhaupt.

Der Film ist eine Dokumentation. Mit echten Menschen, ohne Schauspielerinnen und Schauspieler. Er bedient sich aber derMethoden und Techniken aus der Welt des fiktionalen Films. Der norwegische Regisseur Hans Lukas Hansen nannte als Parallele sogar «The Lord of The Rings» und sprach von Borchardt als unkonventionellem Helden, der vor eine unabdingliche und herausfordernde Aufgabe gestellt werde.

Das hat Schmiss und ist unterhaltsam – doch eigentlich hätte das «The Quest for Tonewood» gar nicht nötig gehabt.

Das Thema hätte den ständigen Zug am Spannungsbogen nicht bedurft. Zurückhaltender inszeniert, hätte die Dokumentation sogar an Dringlichkeit gewonnen. Gerne hätte man zum Beispiel Gaspar Borchardt länger und genauer zugeschaut beim Sägen, Schleifen und Polieren, hätte gerne mehr erfahren über den elitären Zirkel innerhalb der klassischen Musik.

Ganz nebenbei zeigt «The Quest for Tonewood» auch die Problematik und Widersprüchlichkeit unseres Daseins: Da ist einer, der höchste Bedenken hat, ob er einen 300-jährigen Baum fällen darf für den Bau von Geigen, der Sorge trägt zur Welt, einen tiefen Respekt hat vor der Natur – und der für seine Suche doch immer wieder zwischen Italien und Bosnien hin und her fliegt und dabei zünftig CO2 ausstösst.

Info: Im Kino Rex 2, Biel. Nur 17.30 Uhr
 
Die Bewertungen der BT-Filmkritikerinnen und BT-Filmkritiker:
Raphael Amstutz *** (von 5 Sternen)

Stichwörter: Filmkritik

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