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Filmkritik

"Riders of Justice": Alles Zufall? Oder doch Schicksal?

Mads Mikkelsen spielt in dieser mit schwarzem Humor gespickten und brillant inszenierten Rachegeschichte ganz gross auf.

Ihn zu bedrohen ist unklug: Markus (einmal mehr grandios: Mads Mikkelsen). 

von Beat Felber

Alles fängt mit einem Mädchen an, das sich in Estlands Hauptstadt Tallinn zu Weihnachten ein blaues Velo wünscht. Dieses wird wenig später in Kopenhagen geklaut, was dazu führt, dass die 16-jährige Mathilde (Andrea Heick), die Besitzerin des Velos, nicht zur Schule fahren kann. Als daraufhin auch noch das Auto ihrer Mutter streikt, nehmen die beiden die U-Bahn Richtung Stadtzentrum, um dort spontan einen schönen Tag zu verbringen.

Von da an löst im Minutentakt eine Katastrophe die andere ab. Nicht nur kommt dabei Mathildes Mutter um, sondern auch eine ganze Reihe anderer Menschen. All diejenigen nämlich, die Mathildes Vater Markus (Mads Mikkelsen) zusammen mit einer zufällig – oder ist es Schicksal? – zusammengewürfelten Männergruppe hinter einem terroristischen Anschlag auf eben diese U-Bahn vermutet.

Auch wenn die Geschichte und die Handlungsstränge scheinbar bunt zusammengewürfelt und bisweilen an den Haaren herbeigezogen scheinen, «Riders of Justice» packt von der ersten Minute an. Trotzdem eine Vorwarnung: Ohne unverkrampftem Zugang zu schwarzem Humor ist der Film kaum geniessbar. Der dänische Regisseur Anders Thomas Jensen hat eine eigenwillige Art, Filme zu drehen und Geschichten zu erzählen, das hat er bereits in «Adams Apple» oder «Men & Chicken» unter Beweis gestellt. Auch diesmal kann sich Jensen auf ein eingespieltes Team verlassen, arbeitet er doch mit einem festen Ensemble zusammen. Dazu gehören Mads Mikkelsen («Drunk»), aber auch Nicolas Bro, der diesmal einen Hacker namens Emmenthaler spielt sowie Nikolaj Lie Kaas, der den arbeitslosen Mathematiker Otto verkörpert. Hinzu kommt neu Lars Brygmann als übervorsichtiger Kurt.

Wie sich dieses Quartett zusammen mit der 22-jährigen Andrea Heick durch den Plot mit all seinen abstrusen und skurrilen Wendungen spielt, ist ganz grosses Kino. Vordergründig geht es mit zahlreichen Actionszenen um den Rachefeldzug gegen die Hintermänner des vermeintlichen Attentats.

Hintergründig jedoch geht es um die Verarbeitung von Verlust und darum, wie alle Beteiligten mit dem Alltag, ihren Problemen, ihren Macken und ihren Unzulänglichkeiten zu kämpfen haben. Etwas mehr als die anderen stehen dabei Markus und Otto im Fokus. Der Berufssoldat Markus, seelisch gezeichnet von seinem Afghanistan-Einsatz und gewohnt, Widerständen mit Gewalt zu begegnen, findet sich plötzlich mit einer pubertierenden und um die Mutter trauernden Tochter wieder. Otto hingegen versucht, den Herausforderungen des Lebens mittels mathematischer Wahrscheinlichkeiten zu begegnen. Beiden gelingt dies mehr schlecht als recht.

Doch ob all der tragischen bis komödiantischen Katastrophen entwickelt sich die Geschichte gekonnt zwischen den Genres Komödie, Drama, Action oder Thriller. Natürlich ist es, wenn schwarzer Humor im Spiel ist, eine Gratwanderung, auf der einem das Lachen bisweilen bitter im Hals stecken bleibt. Das mag den einen mehr und den anderen weniger gefallen. Unbestritten ist jedoch, wie überraschend, hinter- und tiefgründig sich die Geschichte vorantastet, wie sich die Persönlichkeiten entfalten und demaskieren und es – trotz allem – bis am Schluss keine Helden gibt.

Genauso wenig wie es keine Antwort auf die Frage gibt, wie Katastrophen am besten zu ertragen sind: Indem man an einen Gott glaubt, an den Zufall, an das Schicksal oder an eine mathematische Wahrscheinlichkeit.

Info: Im Kino Lido 2, Biel. Nur 20.15 Uhr.

Die Bewertungen der BT-Filmkritikerinnen und BT-Filmkritiker:
Beat Felber **** (von 5 Sternen)
Sonja Wenger **** (von 5 Sternen)
Roger Duft **** (von 5 Sternen)

Raphael Amstutz **** (von 5 Sternen)
Simon Dick *** (von 5 Sternen)
Stefan Rohrbach *** (von 5 Sternen)


 

Stichwörter: Filmkritik

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