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Seeland

«Aus der Leitung gefallen»

Das Funktionieren der Regio-Feuerwehr Aarberg ist nicht lückenlos gewährleistet. Der Kommandant lebt und arbeitet in Radelfingen, wo sein Handy-Empfang so schlecht ist, dass ihn ein Alarm oft nicht erreicht.

Der interimistische Feuerwehrkommandant Adrian Bucher versucht in Radelfingen, auf seinem Handy eine Verbindung herzustellen. Bild: Tanja Lander

Peter Staub

Viele Detliger haben im Verlauf des letzten Jahres festgestellt, dass ihre Swisscom-Verbindungen auf die Mobiltelefone «markant schlechter geworden» sind. So steht es im aktuellen «Radelfinger», dem Mitteilungsblatt der Gemeinde. Die Meldung hat einen brisanten Hintergrund. Denn nicht nur Einwohner und Angestellte der Gemeinde sind betroffen. Weil die Handyverbindungen oft zusammenbrechen, ist sogar das reibungslose Funktionieren der Regio-Feuerwehr Aarberg in Frage gestellt (siehe auch Zweittext).


Unterlassene Hilfeleistung?
Adrian Bucher ist seit Mitte Januar interimistischer Kommandant der Regio-Feuerwehr Aarberg. Mit seiner Ernennung sollte die Führung der Feuerwehr sichergestellt werden, nachdem kurz vor Weihnachten der bisherige Kommandant und sein Stellvertreter demissioniert hatten. «Sollte» ist bewusst gewählt. Denn Bucher hat ein Problem, das es bei einem Feuerwehrkommandanten nicht geben dürfte: Er ist oft nicht erreichbar, weil sein Mobiltelefon keinen Empfang hat.
«Für einen Feuerwehr-Offizier ist das eine sehr schwierige Situation», sagt Bucher. Er müsse stets erreichbar sein, sonst könne man ihn sogar wegen unterlassener Hilfeleistung belangen. Dennoch sei es ihm schon mehrmals passiert, dass er bei einem Einsatz nicht erreichbar war oder dass während des Gesprächs plötzlich die Verbindung abbrach. Als Alternative hat er einen Pager, aber damit ist nur eine Einweg-Kommunikation möglich.
Dass seine Handyverbindung mitten im Gespräch abbricht, passiert dem Landwirt und EDV-Dienstleister aber nicht vorwiegend dann, wenn er auf dem Feld arbeitet: «Am schlechtesten ist die Verbindung im Innern des Wohnhauses», sagt Bucher. Das ist bemerkenswert. Denn das Fernmeldegesetz soll die Versorgung mit Fernmeldediensten in allen Landesteilen gewährleisten. Allerdings gelte das nicht für das Handynetz, schränkt Swisscom-Sprecher Christian Neuhaus ein (siehe Infobox).
Er sei nicht etwa der einzige Feuerwehrmann der Regio-Feuerwehr, der dieses Problem habe, sagt Bucher. Beim letzten Alarm sei der diensthabende Pikett-Offizier in Bargen gewesen. «Während wir über den Vorfall informiert wurden, fiel er plötzlich aus der Leitung.» Die schlechte Abdeckung sei nicht in erster Linie ein technisches Problem, mutmasst Bucher. Denn früher sei die Verbindung besser gewesen. Er vermutet als Ursache, dass die Swisscom die Kapazitäten der Antennen anders eingesetzt habe. Er habe die Swisscom über das Problem informiert, aber dort interessiere das offenbar niemanden. Man habe ihm Ende Jahr zwar versprochen, das Problem als erste Priorität einzustufen, passiert sei seither aber nichts.


Keine entsprechenden Messungen
Wie der Gemeindeverwalter von Radelfingen, Martin Riesen, erklärt, ist vom schlechten Empfang auch das Radelfinger Gemeindehaus in Detligen betroffen. Mal habe er Empfang und dann wieder nicht. In der Region der Unteren Schmitte gebe es zum Teil gar keinen Empfang mehr. Riesen nimmt an, dass das damit zu tun habe, wie viele Leute in der Region gerade ihr Mobiltelefon benützten.
Diese Ursache ist auch für die Swisscom denkbar, wie Mediensprecher Neuhaus erklärt. Die Swisscom könne zwar nicht nachvollziehen, dass der Empfang in Radelfingen schlechter geworden sei, da es keine entsprechenden Messungen gebe. Aber die Verdoppelung des Datenflusses in der mobilen Kommunikation im letzten Jahr könnte nach Meinung von Neuhaus durchaus für die Probleme in Radelfingen verantwortlich sein.


Signal kommt aus Kallnach
Zurzeit wird die Natel-Antenne «Jucher» erneuert. Davon soll ab April das Gebiet von Detligen und Ostermanigen profitieren. Aber für den Empfang im Gebietsteil Radelfingen werde das aus geografischen Gründen praktisch keine Auswirkungen haben, sagt Riesen. Dass sich der Empfang auf dem Gebiet der Patchwork-Gemeinde Radelfingen verschlechtert hat, führt Riesen auf die rege Bautätigkeit im benachbarten Kallnach zurück, von wo aus das Swisscomsignal im Gebiet Detligen empfangen wird.
Er verdächtigt die Swisscom, dass sie ihre Antennen vermehrt in Richtung Kallnach ausgerichtet habe, um die dortigen Zuzüger zu bedienen. Die Swisscom widerspreche dieser Interpretation zwar, aber es sei ein Fakt, dass die Abdeckung im Gebiet Detligen, Landerswil, Matzwil und Ostermanigen bis Mitte letzten Jahres besser gewesen sei.
Swisscom-Sprecher Neuhaus sagt dazu, dass er nichts davon gehört habe, dass die Antennen anders ausgerichtet worden seien, dass aber mehr Einwohner halt auch bedeute, dass das Netz stärker genutzt werde.
Während die «normalen» Einwohner der Gemeinde auf einen anderen Mobilfunk-Anbieter ausweichen können, sind die Behördenmitglieder, die Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung und die Feuerwehrleute an die Swisscom gebunden. Denn Radelfingen ging mit der Swisscom einen Verbund ein, damit alle diese Personen untereinander gratis telefonieren können.
Gemäss Riesen steht Radelfingen mit der Swisscom im Kontakt. Der ehemalige Staatsbetrieb habe versprochen, das Problem zu lösen. Nach der Sanierung der Antenne «Jucher» mache sie Messungen und wolle mit der Behörde Kontakt aufnehmen. Neuhaus sagt, dass die Swisscom im Januar mit einer Delegation des Radelfinger Gemeinderates gesprochen habe und man an einer Lösung arbeite.


Vertrag steht zur Diskussion
«Wir stehen Gewehr bei Fuss», sagt Riesen. Falls es keine befriedigende Lösung gebe, werde die Gemeinde den Vertrag mit der Swisscom allenfalls kündigen. Dann könne jeder Handybenutzer den Anbieter wählen, der ihm die beste Abdeckung biete.
Ob das Problem mit einer neuen Antenne gelöst werden könnte, sei fraglich, sagt Riesen. Gegen neue Antennen gebe es oft Opposition respektive Einsprachen. Zudem würde eine neue Antenne in Detligen den Empfang in der Dorfschaft Radelfingen auch nicht verbessern.   

 

In Aarberg oder Seedorf gibt es keine Probleme
Die elf Gemeinden Aarberg, Bargen, Bühl, Epsach, Hermrigen, Jens, Kappelen, Merzligen, Radelfingen, Seedorf und Walperswil haben vor gut einem Jahr ihre Feuerwehraufgaben an die Regio-Feuerwehr Aarberg delegiert. Diese ist gemäss ihrer Website «die grösste Feuerwehr im Kanton Bern». Das Einsatzgebiet erstreckt sich über eine Fläche von gut 86 Quadratkilometern mit rund 14'000 Einwohnern. Die Regio-Feuerwehr hat 270 aktive Feuerwehrleute.
Wie sieht der Handyempfang in den Nachbargemeinden von Radelfingen aus, die ebenfalls in der Regio-Feuerwehr organisiert sind? In Aarberg, der grössten Gemeinde des Verbundes, ist die Handy-Abdeckung erwartungsgemäss kein Thema. Die stellvertretende Gemeindeschreiberin Céline Weibel führt auch das Verbandssekretariat der Regio-Feuerwehr. «Ich habe noch nie gehört, dass es in Aarberg diesbezüglich ein Problem gibt», sagt sie.
Obwohl es sicher auch in Seedorf Orte gebe, wo man mit der Swisscom nicht mobil telefonieren könne, ist das für den Seedorfer Gemeindepräsidenten Hanspeter Heimberg kein Problem. Er findet es nicht tragisch, «dass man nicht überall Empfang hat». Da er selbst mit einem anderen Anbieter telefoniert, ist er von allfälligen Löchern in der Swisscom-Abdeckung persönlich nicht betroffen. Er hat aber auch keine Kenntnis von Reklamationen aus der Bevölkerung.
Auch in Bargen hat Gemeindepräsidentin Pascale Möri keine Reklamationen aus der Bevölkerung erhalten. «Wir fühlen uns von der Swisscom eigentlich perfekt bedient», sagt sie. Probleme gebe es eher mit einem anderen Anbieter.  

 


Fernmeldegesetz der Schweiz
• Das eidgenössische Fernmeldegesetz bezweckt, dass der Bevölkerung preiswerte und hochstehende Fernmeldedienste angeboten werden.
• Zudem soll es eine zuverlässige und erschwingliche Grundversorgung mit Fernmeldediensten für alle Bevölkerungskreise in allen Landesteilen gewährleisten.
• Gegenüber dem BT präzisierte Christian Neuhaus, Mediensprecher der Swisscom, dass es im Bereich der mobilen Telefonie keine Versorgungspflicht gebe.

 

 

 

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