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Legislaturbilanz

Die machtbewusste Lobbyistin

Zwölf Jahre sind nicht genug. Barbara Egger (SP) kandidiert für eine vierte Amtszeit in der Berner Kantonsregierung. Von Amtsmüdigkeit keine Spur: Egger kämpft immer noch mit Kopf und Herz, hart und stur für ihre Geschäfte. Ihre Gegner beissen sich an ihr die Zähne aus.

Zu Tisch mit dem Bären: SP-Regierungsrätin Barbara Egger posiert nicht zum ersten Mal im Fotostudio dieser Zeitung, immerhin kandidiert sie bereits für die vierte Legislatur. Bild: Andreas Blatter

Fabian Schäfer

Barbara Egger ist die Doyenne der Berner Regierung. Seit 2002 ist sie im Amt, so lange wie sonst niemand im Siebnerteam. Doch von Altersmilde ist nichts zu spüren. Das würde nicht zu ihr passen. Barbara Egger hat sich rasch als eine der bestimmenden Figuren der Regierung etabliert und ist es seither geblieben. Mit der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion hat sie eine der grossen Direktionen unter sich und leitet diese mit sicherer – manche sagen: eiserner – Hand. Sie hat ihren zahlreichen Gegnern auch in den letzten vier Jahren nicht den Gefallen gemacht, einen Bauskandal zu fabrizieren, der diesen Namen verdient. Die Skandale, die noch nachwirken – von Frauenklinik bis Mitholztunnel –, wurden vor 2002 angerichtet. So stürzen sich ihre Kritiker zur Rechten fast schon verzweifelt auf jede Pseudopanne im Hause Egger, kürzlich etwa im Fall des Frauengefängnisses Hindelbank, als die Regierung die Pläne für einen Neubau in Witzwil nach Monaten begraben musste.

Mit Parteikollege Perrenoud versteht sie sich nicht gut

Doch auch ihre schärfsten Kritiker geben hinter vorgehaltener Hand zu, dass sie Barbara Egger nicht wirklich gefährden können. Sie ist zu gut. Sie macht viel zu wenige Fehler, obwohl sie eine der drei «schwierigen» Direktionen führt (neben Erziehung sowie Gesundheit und Fürsorge). Kein Vergleich mit den diversen Pannen, die ihrem Parteikollegen Philippe Perrenoud in der Gesundheits- und Fürsorgedirektion unterlaufen. Über seine Fehler hat sich Egger dem Vernehmen nach erheblich aufgeregt. Man hört, sie mache Perrenoud, mit dem sie sich ohnehin nicht gut versteht, zuweilen das Leben ganz schön schwer und flicke ihm am Zeug rum.

Im Vergleich zum Bau lief es Egger mit dem Energiedossier in den letzten vier Jahren weniger gut. Zwar verfügt der Kanton über eine Energiestrategie nach ihrem Gusto, doch sobald es konkret wurde, bockte das Stimmvolk. 2011 sagte die Mehrheit – inzwischen unvorstellbar – zuerst Ja zu einem neuen AKW in Mühleberg und versenkte danach auch den Gebäudeenergieausweis und den Stromrappen. 2013 war «Bern erneuerbar» ebenso chancenlos wie der Gegenvorschlag. Dreimal liess das Volk Egger im Regen stehen. Doch davon spricht schon fast niemand mehr, seit die BKW entschieden hat, das AKW Mühleberg 2019 abzuschalten. Damit steht Egger, BKW-Verwaltungsrätin und Atomgegnerin der ersten Stunde, auch im Energiebereich als Siegerin da.

Ihre Paradedisziplin ist der Verkehr. Naturgemäss schlägt Eggers Herz vor allem für den öffentlichen Verkehr, der unter ihrer Führung tüchtig ausgebaut wurde, in den letzten acht Jahren um über 15 Prozent. Doch auch der Strassenbau kommt beileibe nicht zu kurz, das bestätigen sogar bürgerliche Autofreunde.

PR-Spezialisten lassen sich von Egger weiterbilden

Im Verkehrsbereich bringt Egger ihre vermutlich grösste Stärke voll zur Geltung. Sie ist eine begnadete Lobbyistin. Auf Bundes- ebene holt sie für den Kanton Bern immer wieder viel heraus: zahllose Millionen vor allem für Bahn- und Strassenprojekte, aber auch für den Hochwasserschutz.

Die meisten Politiker würden sich wehren, als Lobbyisten bezeichnet zu werden. Nicht so Barbara Egger. Sinnigerweise wurde sie letztes Jahr von der Schweizerischen Gesellschaft Public Affairs, dem Verband der Lobbyisten, als Referentin für eine Weiterbildung engagiert. Egger begrüsste die PR-Profis mit «Liebe Mit-Lobbyisten». Während andere vornehm die Nase rümpfen, steht sie dazu, dass Politik oft ein harter Verteilkampf ist – und dass sie gerne für Bern kämpft. Man kann in der Theorie gescheit über die Nachteile des eidgenössischen Schachers räsonieren und die Hände in Unschuld waschen; in der Praxis wird profan in Millionen und Infrastrukturen abgerechnet. Und da heisst die Siegerin oft: Barbara Egger.

Sie betreibt dafür einigen Aufwand, unterhält ein grosses und exklusives Netzwerk, das sie bei Bedarf gezielt aktiviert. Wenn sie Bundesparlamentariern zeigen will, warum es am Bielersee bei Ligerz einen Bahntunnel braucht, lädt sie sie vor Ort zum Essen ein, direkt an der lärmigen Bahnlinie.

Auch kantonsintern agiert sie wie eine Lobbyistin

Doch Barbara Egger agiert nicht nur auf Bundesebene wie eine Lobbyistin. Die Spardebatte letztes Jahr legte den Schluss nahe, dass sie im Innern ähnlich funktioniert. Für ihre Dossiers legte sie sich selbst dann noch ins Zeug, als der Zug schon abgefahren war. Sie kämpfte bis zuletzt gegen die Kürzung des Investitionsbudgets. Sie ist so. Auch wenn es aussichtslos ist, kann sie es nicht lassen, ihren Gegnern die Argumente, die sie für besser hält, unter die Nase zu reiben. genug kann sie dank ihrer rhetorischen Kraft und ihrer Dossiersicherheit auch Siege verbuchen, sogar im bürgerlich dominierten Grossen Rat.

Solange Egger lobbyiert, kann sie charmant sein. Wenn das nicht mehr weiterhilft, kann sie aber auch anders. Egger geht keinem Konflikt aus dem Weg, provoziert die Bürgerlichen (Atompolitik) ebenso heftig und selbstbewusst, wie sie sich mit den Umweltverbänden (Grimselprojekte) anlegt. Auch die hartnäckigen Kritiker des geplanten Ausbaus des Bahnhofs Bern – des Milliardenprojekts, das Egger dereinst ihren Nachfolgern hinterlassen wird – bekamen den Zorn der Magistra- tin zu spüren. Wer ihren Ärger einmal auf sich gezogen hat, wird ihn noch lange fühlen. Ihr Vertrauen verliert man nur einmal. So läuft Barbara Egger Gefahr, um sich herum keine kritischen Geister zu dulden. Vielleicht erklärt das auch, warum sie in den letzten Wochen nicht gleich spürte, dass ihre Nebeneinkünfte als BKW- und BLS-Verwaltungsrätin politisch nicht mehr opportun sind.

Ideal: Egger könnte Perrenoud beerben

Das alles zeigt dreierlei. Erstens: Egger kämpft primär für ihre Geschäfte. Das Gesamtinteresse – das Abwägen zwischen verschiedenen Anliegen, die nicht die ihren sind – ist weniger ihr Ding. Zweitens: Sie gehört nicht zu den abgeklärten Magistraten, die nur antreten, wenn ein Sieg winkt. Egger ist eine Überzeugungstäterin, jeder weiss auf den Millimeter genau, wo sie steht und wohin sie will. Wenn sie sich über ein AKW-Urteil des Bundesgerichts aufregt, dann sagt sie das halt frank und frei, während sich die allermeisten Politiker ängstlich wegducken würden, um nicht wegen Verletzung der heiligen Gewaltentrennung angeprangert zu werden. Insofern ist Egger erfrischend mutig und kantig, wobei der Grat zur Sturheit natürlich schmal ist.

Drittens: Barbara Egger leitet ihre Direktion offenkundig souverän und erfolgreich, Widerständen stellt sie sich hartnäckig entgegen. Das wären ideale Voraussetzungen dafür, nach der Wiederwahl die Gesundheits- und Fürsorgedirektion zu übernehmen und dort den glücklosen Kollegen Perrenoud abzulösen. Natürlich wäre das ein Affront, der ihr aber zuzutrauen wäre. Ihren Kollegen wohl weniger.

 

Barbara Egger

• Regierungsrätin seit 2002 • Leiterin der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion (BVE)

• Die BVE umfasst 820 Vollzeitstellen und weist jährliche Ausgaben von 1,1 Milliarden Franken aus (ohne Investitionen). Die grössten Ämter sind das Tiefbauamt mit über 500 Angestellten sowie das Amt für Wasser und Abfall.

• Gewichtige Projekte der nächsten Jahre: Neubau des Fachhochschulcampus in Biel sowie der Hochwasserschutz an der Aare von Thun bis Bern und in der Stadt Bern.

 

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