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Karate

«Die Freude am Sport bleibt, aber es fehlt halt doch so einiges»

Drei Bieler Karate-Kämpferinnen trainieren gemeinsam auf die nächsten Ziele hin. Der Trainer gibt digitale Anweisungen, die Eltern des Trios schauen genau hin. Es sind eben besondere Zeiten.

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Beat Moning

Für Sportler und gerade solchen mit hohen Zielen sind es keine einfachen Zeiten. Das gemeinsame Training fällt aus, der so geliebte Wettkampf ebenso. Die Anweisungen der Coaches kommen per Whatsapp und Videobotschaft. Den Eltern fällt neben den Erledigungen mit der Schule auch die Aufgabe zu, das Training der ehrgeizigen Mädchen und Jungen zu kontrollieren. Das tun derzeit Simon und Manon Boutracit, die Eltern der drei Töchter Marwa (7), Ayah (10) und Aicha (14). Die beiden älteren Schwestern können sich schon Schweizer Meisterinnen in der Kategorie Kata nennen. Aicha wurde zudem im letzten November in Aarberg SM-Dritte im Kumite. Das verpflichtet, denn im November stehen erneut in Aarberg die nächsten Meisterschaften an. Derzeit das grosse Ziel. Denn international, und hier hätte die dem Sport-Kultur-Studium der Stadt Biel angehörende Aicha Boutracit nach den ersten Erfahrungen im Vorjahr erneut antreten können, werden in den nächsten Monaten keine Turniere stattfinden. «Ob es später nach Kroatien oder Venedig geht, weiss heute niemand», sagt sie.

Kindergarten-Lehrerin sei dank

Die momentane Situation setzt ihr ohne Zweifel zu. Sie sieht aber auch Gutes, «denn ich bin nicht ganz allein und habe meine Schwestern um mich. Die Wettkämpfe fehlen mir, auch das Training im Dojo mit den Kolleginnen. Die Freude am Sportan sich bleibt, aber es fehlt halt so einiges», sagt Aicha Boutracit, die die japanischen Weltklasseathleten Rika Usami und Moto Kazumasa als Vorbilder hat. Kopfnicken bei den Schwestern. Und die Eltern ergänzen: «Wir sind froh, dass alle die gleiche Sportart ausüben. Das erleichtert in der Organisation einiges.»

Aicha Boutracit begann im Kindergartenalter mit Karate. Die damalige Lehrerin führte sie nach einer Aufführung zu dieser Sportart. Kein Wunder: Es handelte sich um die Ehefrau des Klubbesitzers Boris Leskarovski vom Kashivakan Karateclub Biel. Bis vor einem Jahr gehörte sie diesem Klub an, als Nationalkader-Mitglied wechselte sie zum Karate Do Zen Shin in Biel und zu Nationaltrainer Dominique Sigillo. Die jüngeren Schwestern Ayah und Marwa folgten Aicha. Mit einem kleinen Unterschied: Während die Zehn- und 14-Jährige eher auf Kata ausgerichtet sind, ist die Siebenjährige mehr die Kämpferin und somit dem Kumite hingezogen. Sie habe sich halt schon früh gegen die Älteren wehren müssen.

Alles vor der Haustüre

Nun also ist seit Mitte März der Vater auf dem Trainingsplatz hinter dem Wohnblock und die Mutter begleitet die ältere Tochter mit dem Fahrrad, wenn diese morgens um 7 Uhr vor der Schule direkt am See vor dem Haus joggen geht. Dazu kommen die Fitnessübungen mit dem eigenen Körpergewicht, mit dem Theraband oder Bällen. Alle sprechen von idealen Verhältnissen in der Nähe der eigenen vier Wände. «Der Vater schaut bei den Übungen genau hin. Aber er ist nicht so streng», sagt die Tochter lächelnd. Simon Boutracit sieht sich in der Tat nicht als Trainer. «Die Feedbacks müssen von den Coaches kommen. Dazu schicken wir Videos ein. Wir schauen einfach, dass das Programm der Leiter durchgeführt wird. Aber ich bin sehr stolz auf die Mädels. Sie legen in dieser für sie schwierigen Zeit viel Diszplin und Enthusiasmus an den Tag.»

Spass muss zuoberst stehen

Dominique Sigillo schaut seinen Schützlingen mit dem Handy sozusagen über die Schultern, schickt ihnen Trainingspläne und führte kürzlich ein Live-Video-Training ein, dem bis zu 100 Personen beiwohnen können. «So macht es mehr Spass und ich habe die Möglichkeit, korrigierend einzugreifen.» Bei aller wenn auch beschränkter Kontrolle appelliert Sigillo an die Eigenverantwortung. «Ich weiss, es ist für alle eine völlig neue Herausforderung. Aber der Spass sollte weiterhin zuoberst stehen. Um aber nicht in entscheidenden Rückstand zu geraten, gilt es gewisse Trainingssachen umzusetzen.» Das sei möglich, ob man dies nun in der Halle tut, oder eben draussen oder in der eigenen Wohnung. Wer sich an die Trainingsvorgaben hält, dem fällt dann der Einstieg ins normale Training leichter. Auswirkungen werden später, an den Turnieren, zu Tage treten.

Weniger ausgebrannt

Sigillo sieht in der Zwangspause aber auch Vorteile. «Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, wettkampfmässig mal herunterzufahren und ohne Stress und kurzfristigen Ziele zu trainieren.» Kurzfristig bringe es nichts, etwas zu erzwingen, nur Medaillen holen zu wollen, um dann später ausgebrannt zu sein. Er sei sich sicher: «Bleiben wir bodenständig. Junge Leistungssportler holen eine Pause wie jetzt schnell wieder auf.» Da mache er sich zum Beispiel für Aicha Boutracit keine Sorgen. «Sie hat ein intaktes Umfeld und an Voraussetzungen und Potenzial alles, um es weit nach vorne zu bringen.» Dazu gehöre auch, Krisen wie jetzt mental zu meistern und weiterhin mit Wille und Freude am Sport das Training zu absolvieren. Jenes, das eben jetzt gerade möglich ist.

Vater Simon Boutracit beobachtet seine drei Töchter im täglichen Training.

Stichwörter: Karate, Sport, Training