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Biel

Als erstes Auto fuhr ein Buick mit acht Zylindern aus der Fabrik

Dass General Motors 1935 
in Biel eine Tochtergesellschaft gegründet hat und hier Autos produzierte, 
ist dem damaligen Stadtpräsidenten Guido Müller zu verdanken.

1935 gründete die General Motors Corporation aus Detroit in Biel die GM Suisse SA als Tochtergesellschaft. Bilder: memreg/Matthias Käser
  • Dossier

Früher war der Zusammenbau von Automobilen in Europa ein «guter Deal». Führte man nämlich Einzelteile von Übersee nach Europa ein, wurden diese weit tiefer mit Zollgebühren verzollt, als wenn ganze Wagen eingeführt wurden. In diesem Kontext ist auch der Automobil-Standort Biel-Bienne seit 1935 zu sehen. Am 2. Mai 1935 nämlich gründete die General Motors Corporation (Detroit) in Biel die GM Suisse SA als Tochtergesellschaft. Mit verantwortlich, dass Biel als Standort in die Ehre kam, war der damalige Stadtpräsident Guido Müller, der sich dafür stark einsetzte.

 

Schlüsselfertige Fabrik
Müller bot den Amerikanern Bauland in Bahnhofsnähe, eine schlüsselfertige Fabrik und Steuerbefreiung für fünf Jahre an und verhandelte persönlich mit den Verantwortlichen – dies auch lange, bevor seine restlichen Gemeinderatskollegen informiert waren. Der Einsatz beeindruckte offenbar die amerikanischen Unternehmer und die Verhandlungen zu der Filiale in Biel konnten im April 1935 erfolgreich abgeschlossen werden.

Die Bieler Stimmbürger waren zu der Zeit arg krisengebeutelt, denn die Uhrenindustrie steckte in einem Konjunkturtief. Entsprechend leicht fiel ihnen das Ja zu der Kreditvorlage zum Bau, die 300 Arbeitsplätze schuf. Die Montagehalle mit dem Bürogebäude wurde 1935 erbaut. Die beiden lang gezogenen, stützenfreien Hallen mithilfe einer Stahlkonstruktion unter Sheddächern verfügten über grosszügige, sehr schön rhythmisierte Glasfronten mit feinen Sprossen, die von der Strasse her Einblick in den Montageablauf gewährten. Der Bürotrakt mit elegantem Treppenturm und eigenwillig geformtem, auf Stützen schwebendem Sonnendach verfügt über eine grosse Eingangshalle und ein lichtdurchflutetes Treppenhaus. Der Industriebau ist Teil der gestalterisch vorbildlichen Anlagen der General Motors und eine Pionierleistung des modernen Fabrikbaus in der Schweiz.

 

Jährlich 2000 Autos
1935 lief die Produktion in Biel bereits an. Ein Buick mit acht Zylindern verliess am 5. Februar 1936 das GM Montagewerk. In den Jahren bis 1939 montierte «die GM» jährlich um die 2000 Autos der Marken Buick, Chevrolet, Oldsmobile, La Salle (Cadillac), Vauxhall und Opel. In den Kriegsjahren sattelte dann auch die GM auf Kriegswirtschaft um und produzierte Kriegsmaterial. Bis 1947 erhöhte die GM noch die Produktionskapazität auf jährlich 14 500 Autos.

Die Gatt-Verträge mit der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (heute EU), ein wirtschaftliches Assoziationsabkommen, führte zu einer Zollsenkung auf Importautos. Das bedeutete mit sofortiger Wirkung, dass die schweizerische Automontage nicht mehr rentierte. 1975 wurde das Werk geschlossen und von insgesamt 500 Arbeitsplätzen verloren 450 Arbeitnehmende ihre Stelle, davon 222 Bielerinnen und Bieler. In der Folge konnten einige Angestellte im Betrieb verbleiben. Die GM wirtschaftete weiterhin erfolgreich in Biel als Generalimporteur, verkaufte Ersatzteile und produzierte andernorts auch Kühlschränke. Das Auslieferungszentrum in Studen, das erst 1966 eröffnet worden war, blieb also bestehen. Noch heute besteht das Zentrum unter dem Namen Opel Schweiz AG, dem Unternehmen, in dem die GM 1994 einging. 2004 änderte dann die GM den Firmennamen wieder zu «GM» und wirkt seither unter dem Namen GM Schweiz AG mit Firmensitz in Glattbrugg.

 

Keine Industrie mehr
Die GM-Gebäude hinter dem Bahnhof in Biel beherbergen allerdings keine Industrie mehr. Der Grossverteiler Coop hat in den Hallen eine grosse Filiale eröffnet und im Verwaltungstrakt der GM residiert heute die Berufsfachschule für Gestaltung Biel (und Bern).

Die historische Luftaufnahme zeigt das Montagewerk der GM im Jahr 1938, mit dem damals noch brachliegenden «Glacière»-Gelände, das das Spielfeld des FC Biels war. Heute ist die GM auch dank dem Schutz, unter dem sie als Architektur-Ikone der Moderne steht, sozusagen unverändert.

Das nähere Umfeld der GM unterlag und unterliegt allerdings starken baulichen Umwälzungen: Das Coop-Center mit Parkhaus, seit der Expo.02 der Durchstich am Bahnhof und der Robert-Walser-Platz mit den Wirtschaftsgebäuden und in Zukunft der Campus in Biel. Sabine Kronenberg

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