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A5-Westast

Angriffslust weicht Vorsicht

Eine Konsultativabstimmung sollte Klarheit bringen im Streit um den A5-Westast. Nun wurde die Forderung vorerst zurückgezogen, um den Dialogprozess nicht zu gefährden.

Der Bieler Stadtrat vertagt einen Entscheid über eine konsultative Abstimmung. copyright:bielertagblatt/nicokobel
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Lino Schaeren

Seit Jahren hadern die Kritiker des A5-Westasts von Biel, dass sich die Bevölkerung nie an der Urne zum Nationalstrassenprojekt habe äussern können. Die amtierende Bieler Stadtratspräsidentin Ruth Tennenbaum (Passerelle) wollte das ändern. Sie hat im letzten November eine dringliche Motion eingereicht mit der Forderung nach einer möglichst raschen konsultativen Abstimmung. Eine solche wäre zwar für die Behörden nicht verbindlich, würde aber eine klare Richtung vorgeben. Und die Westast-kritische Tennenbaum, die als Ratsvorsitzende in den Ausstand treten musste, hätte gestern Abend im Stadtrat für ihr Anliegen wohl tatsächlich eine Mehrheit gefunden. Es wurde aber nicht abgestimmt – Tennenbaum hat ihre Motion im letzten Moment wieder zurückgezogen. Dies, nachdem Stadtpräsident Erich Fehr (SP) ihr vorgeworfen hatte, formaljuristisch unkorrekt vorzugehen.

Die Bevölkerung wird sich also vorerst weiterhin nicht zum A5-Westast äussern können. Grund dafür ist in erster Linie der Dialogprozess, der im Februar mit einem Runden Tisch angestossen wurde, und an dem sich Gegner und Befürworter des offiziellen Westumfahrungsprojekts ebenso beteiligen wie die von der Umfahrung am meisten betroffenen Gemeinden Biel und Nidau. Auch hat das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) inzwischen das Ausführungsprojekt bis zum Ende dieses Dialogs sistiert, um einer allfälligen Kompromisslösung eine  Chance zu geben. Der Vorstoss von Tennenbaum aus dem letzten November war deshalb überholt. «Das Ganze kommt zu einem unglücklichen Zeitpunkt», sagte etwa auch Salome Strobel für die SP, man müsse der Dialogphase Zeit geben und nicht mit der Ansetzung einer Abstimmung Druck aufsetzen. Auch äusserte Strobel Kritik am Alleingang der derzeit höchsten Bielerin: Es sei schade, dass diese ihren Vorstoss vor der Einreichung nicht überparteilich diskutiert habe.

Juristisch nicht korrekt?
Die Motion hätte die grösste Partei im Bieler Parlament aber trotz des Tadels unterstützt – weil die Urheberin diese mit einer nachträglichen Umdeutung mehrheitsfähig machen wollte. Tennenbaum sagte gestern zuhanden des Protokolls, dass sie ihre Forderung nach einer raschmöglichsten Abstimmung so verstanden haben will, dass der Gemeinderat ihren Vorstoss in der normalen Frist von zwei Jahren umsetzen müsse – und natürlich erst nach Abschluss des Dialogprozesses. Auch die Fragen, die sie formuliert hatte, seien nicht in Stein gemeisselt und müssten wohl umgeschrieben werden. Das ging Stadtpräsident Fehr deutlich zu weit. Er hielt fest, dass der Vorstoss aufgrund der Neuinterpretation nicht mehr motionsfähig sei und hielt den Stadtrat an, sich an seine eigenen Spielregeln zu halten und die Motion in ein Postulat umzuwandeln.

Tennenbaum anerkannte nach einem kurzen Sitzungsunterbruch, dass es wenig Sinn mache, etwas durchzustieren, das letztlich nur zu Konflikten führe. Sie zog ihr Anliegen mit der Ankündigung zurück, einen neuen, breit abgestützten Vorstoss zum Thema Konsultativabstimmung einzureichen – und kam damit auch auf die leise Kritik der SP zurück.

Denn die neuerliche Forderung nach einer Bevölkerungsbefragung will Tennenbaum in Bezug auf den Zeitpunkt und die Fragestellung offener formulieren und vor allem andere Fraktionen mit an Bord holen. Das kam im Rat gestern gut an. Mit Peter Bohnenblust (FDP) hat auch ein Verfechter des offiziellen Westast-Projekts durchblicken lassen, je nach Formulierung einen solchen Vorstoss mittragen zu können. Martin Scherrer deutete für die SVP an, dass man sich nicht grundsätzlich gegen eine Konsultativabstimmung stellen würde, allerdings nur, wenn jetzt nicht im Dialog bereits politisch Druck aufgesetzt werde.

«Das ist der richtige Weg»
Ganz grundsätzlich entstand gestern im Bieler Stadtrat der Eindruck, dass die bislang vorherrschende Angriffslust beim Thema A5-Westast mit dem gestarteten Dialogprozess der Vorsicht gewichen ist. Keine Seite will den Austausch gefährden; Stadtpräsident Fehr stellte denn auch «mit Genugtuung» fest, dass sich niemand im Stadtrat auch nur mit einem Wort gegen den Dialogprozess geäussert habe. «Das ist erfreulich und der richtige Weg.»

Hat der Dialog Erfolg, ist zudem unklar, ob es überhaupt je zu einer Volksbefragung in Sachen Westast kommen wird. Die linke Hälfte des Stadtrats will diese Entscheidung aber in eigenen Händen behalten. Auch deshalb wurde eine neue Motion angekündigt, anstatt die bestehende in ein Postulat umzuwandeln. «Ob es zu einer Konsultativabstimmung kommen soll, muss in der Kompetenz des Stadtrats bleiben und das erreichen wir nur mit einer Motion», sagte Tennenbaum, ehe sie wieder die Sitzungsleitung übernahm.

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