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Biel

Die Stadt hat ihr Klimareglement

Der Bieler Stadtrat hat gestern mit grosser Mehrheit ein Klimaschutzreglement verabschiedet. Und darin noch einmal bekräftigt, dass er sich das Erreichen der Klimaneutralität vor 2050 wünscht.

copyright: tanjalander/bielertagblatt

Lino Schaeren

Das Klimareglement heisst jetzt Klimaschutzreglement. Das war die letzte kleine Randnotiz zum Ende der Klimadebatte, die der Bieler Stadtrat gestern Abend während anderthalb Stunden fortgeführt hat. Danach hat das Parlament das Papier mit sehr grosser Mehrheit verabschiedet. Biel nimmt damit in der Schweiz eine Pionierrolle ein: Zwar arbeiten auch andere Städte – etwa Bern, Zürich oder Lausanne – an entsprechenden Regelungen. Ein Klimaschutzreglement und eine umfassende Klimastrategie, auf der das Reglement basiert, existieren derzeit aber nur in Biel.

Das Klimareglement verpflichtet die Stadt hauptsächlich, das Pariser Klimaabkommen auf Stadtebene umzusetzen – also bis spätestens 2050 klimaneutral zu sein. Dass dies im Bieler Stadtrat eine deutliche Mehrheit finden würde, hat sich bereits vergangenen Monat abgezeichnet. Damals musste die intensive Debatte zu später Stunde jedoch unterbrochen werden. Die Juso hatte zuvor erfolglos versucht, das Reglement deutlich zu verschärfen und das Ziel Klimaneutralität bis 2030 festzuschreiben. Auch ein Kompromissvorschlag von SP/Juso und Grünen, wonach der Gemeinderat die Ziele regelmässig überprüfe und dabei Klimaneutralität bis 2030 anstrebe, scheiterte. Gestern schaffte es die Zahl 2030 doch noch ins Klimaschutzreglement.

Verursacher sollen zahlen

Die Fraktionen Grüne, GLP, SP/Juso, PSR und Einfach libres reichten quasi denselben Antrag ein wie die SP/Juso und Grünen vor einem Monat – mit dem Unterschied, dass der neue Absatz nicht unter der Zielsetzung, sondern unter dem Artikel Berichterstattung eingesetzt wurde. Dies führt zum erheblichen Unterschied, dass Klimaneutralität 2030 nicht als fixe Zielgrösse vorgegeben wird. Sondern dass der Gemeinderat die Ziele regelmässig unter Berücksichtigung von übergeordnetem Recht, wissenschaftlichen Erkenntnissen und technologischen Entwicklungen überprüfen muss – mit dem Ziel, wenn möglich die Ambitionen zu erhöhen. Mit diesem Antrag konnte sich auch der Gemeinderat anfreunden; gegen eine Zielsetzung 2030 hatte er sich im August noch vehement gewehrt.

Zu langen Diskussionen führte dann die Frage, wie die neue Spezialfinanzierung «Klimaschutz» geäufnet werden soll. Jährlich soll eine halbe Million Franken in die Kasse gespült werden. Mit dem Geld will die Stadt dann Klimaschutzmassnahmen finanzieren, die über die übergeordneten gesetzlichen Vorgaben hinausgehen. Der Gemeinderat schlug vor, das Verursacherprinzip anzuwenden. Die Idee: Über eine neue Abgabe auf Erdgas von 0,2 Rappen pro Kilowattstunde sollen die 500 000 Franken jährlich zusammenkommen. Der Gemeinderat rechnet damit, dass dies pro Wohnung Mehrkosten von zirka 25Franken bedeuten würde. «Damit erzielen wir auch eine lenkende Wirkung, zugegeben, eine nicht sehr grosse, aber immerhin», sagte Energiedirektorin Barbara Schwickert (Grüne).

Trifft es die Falschen?

Nicht einverstanden mit diesem Finanzierungsmodell zeigte sich die Fraktion SP/Juso. Sie bezeichnete die zusätzliche Abgabe auf Erdgas als unsozial, da sie ausgerechnet Personen treffen würde, die in Mietwohnungen leben und die vergleichsweise einen kleinen ökologischen Fussbadruck haben. Die SP schlug stattdessen eine Finanzierung über die Steuereinnahmen vor – und beantragte deshalb eine kleine Steuererhöhung. Dies, so die Argumentation, da dieses Modell sozialverträglich sei. Mit ihrer Forderung blieb die Fraktion indes praktisch alleine, auch der PSR und die Grünen konnten dem Antrag nicht folgen. Und auch der Gemeinderat blieb dabei: Wer mit dem fossilen Brennstoff heizt, soll zusätzlich zur Kasse gebeten werden. Schwickert verneinte zudem, dass der einfache Mieter im Wohnblock der neuen Abgabe hilflos ausgeliefert wäre. «Wer seine Heizung um ein Prozent zurückdreht, spart bereits sechs Prozent Energie», hielt sie fest. Die Finanzierung über die Gemeindesteuern wurde klar abgelehnt. Auch der Vorschlag der Passerelle, statt auf Gas auf Strom eine zusätzliche Abgabe zu erheben, war absolut chancenlos.

Das Klimaschutzreglement tritt am 1. Januar 2021 in Kraft. Danach wird es darum gehen, den formulierten Zielen mit der Umsetzung von Massnahmen näher zu kommen. «Das wird Geld kosten. Ich hoffe deshalb, dass wir bei den entsprechenden Kreditbeschlüssen auf dieselbe Unterstützung werden zählen können wie beim Reglement», sagte Schwickert.
 

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Nach dem Klimareglement hat der Bieler Stadtrat gestern auch einen Kredit genehmigt für die Sanierung der Liegenschaft des Museum Neuhaus. Dieses weisst Risse in der Fassade auf, die auf Schwankungen des Grundwasserspiegels zurückgeführt werden konnten. Die Sanierung von Fundament und Fassade kostet 1,7 Millionen Franken. 425 000 Franken trägt die Stiftung Charles Neuhaus selber. Der Kanton Bern steuert zudem gut 550 000 Franken bei - allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sich die Stadt Biel mit 647 000 Franken an der Sanierung beteiligt. Weshalb der Gemeinderat dem Stadtrat gestern Mittwoch ebendiesen Betrag beantragte. Der Rat stimmte dem Kredit nach zirka halbstündiger Diskussion zu. Den Grossteil der Debatte verpasst hat die gesamte SVP-Fraktion: Sie blieb der Wiederaufnahme des Ratsbetriebs nach der Pause fürs Abendessen vorerst fern. Dies, weil ihr Antrag zu Beginn der Sitzung, die Pause von einer halben Stunde auf eine Stunde zu verlängern, vom Rat abgelehnt wurde. Während das restliche Parlament also die Sitzung nach einer halben Stunde wieder aufnahm, machte die SVP aus Trotz alleine länger Pause - inklusive Gemeinderat Beat Feurer.

Apropos SVP: Der Stadtrat hat gestern zudem ein Postulat von Sandra Schneider mit grosser Mehrheit bachab geschickt. Schneider verlangte vom Gemeinderat, alle verkehrlich flankierenden Massnahmen (vfM) bis zur Eröffnung des A5-Westasts zurückzustellen und bereits umgesetzte Massnahmen rückgängig zu machen. Zu ihrem Vorstoss motiviert wurde die SVP-Fraktionschefin durch den Entscheid des Gemeinderats, den Bieler Bahnhofplatz für den Durchgangsverkehr zu sperren - was Schneider als ein Vorgreifen der Westast-vfM empfand. Im Parlament stand die SVP mit ihrer Forderung völlig alleine da. SP-Fraktionspräsident Alfred Steinmann etwa sagte, dass eine Aufhebung aller flankierenden Massnahmen - also auch jener zum A5-Ostast - nicht nur verherend wäre, sondern auch illegal: Die vfM zum Ostast sind in einem Richtplan behördenverbindlich festgeschrieben.

Baudirektorin Barbara Schwickert (Grüne) hielt zudem fest, dass die Motivation für den Vorstoss einem grossen Irrtum unterliege: Die Teilsperrung des Bahnhofplatzes sei keine verkehrlich flankierende Massnahme, sei in keinem Richtplan vorgesehen und werde auch nicht von Bund und Kanton mitfinanziert. Im Übrigen schloss sich Schwickert in ihrem Votum gestern den Äusserungen von Stadtpräsident Erich Fehr (SP) an, der bereits im August das Westast-Ausführungsprojekt quasi für politisch tot erklärte, indem er sagte, dass dieses so nie gebaut werde. Schwickert sagte im Stadtrat abschliessend süffisant: "Der Vorstoss verlangt, alle vfM zu stoppen, bis der Westast gebaut ist. Also auf immer."

Stichwörter: Biel, Stadtrat, Klima, Reglement, Neuhaus

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