Sie sind hier

Abo

Bieler Verkehrsbetriebe

Auftrieb für Verbot religiöser Werbung

Die Bieler Busse dürfen nicht für Reklame mit religiösem Inhalt herhalten: Das fordert Stadtrat Mohamed Hamdaoui. Parlament und Regierung waren sich gestern einig, ein entsprechendes Verbot zumindest vertieft zu prüfen.

Symbolbild: Peter Samuel Jaggi/a

Lino Schaeren

Als Mohamed Hamdaoui im letzten August bei der Tissot Arena einen Bus der Bieler Verkehrsbetriebe knipst, auf dem gross der Bibelspruch «Der Herr segne dich» prangt, weiss er noch nicht, welche Kontroverse er mit dem späteren Posten des Bilds auf Facebook auslösen wird. Hamdaoui, damals noch Mitglied des Parti Socialiste Romand, empört sich über die religiöse Werbung der christlichen Lysser Agentur C auf einem Fahrzeug der Bieler Verkehrsbetriebe (VB) – einem städtischen Unternehmen. Der dunkelhäutige Bieler Politiker, der sich seit Jahren für eine strikte Trennung von Kirche und Staat einsetzt, wird daraufhin in den Kommentarspalten kritisiert, in den sozialen Medien beleidigt und rassistisch beschimpft.

Hamdaoui liess sich dadurch aber nicht von seinem Weg abbringen, kämpfte weiter gegen die religiöse Werbung und brachte das Thema auch auf die Politbühne. Nachdem er sich mit den welschen Bieler Sozialdemokraten überwirft und zur Christlichdemokratischen Volkspartei wechselt, fordert er im Stadtrat mittels Vorstoss ein Verbot von religiöser Werbung an und in den Bieler Bussen – unabhängig vom Absender. Hamdaoui hat damit Erfolg: Eine breite Mehrheit im Parlament beauftragte gestern die Stadtregierung, ein solches Verbot zumindest eingehend zu prüfen.

Bereits als er im vergangenen Spätsommer öffentlich im Gegenwind stand, hat Hamdaoui für sein Engagement viel Zuspruch erhalten; und dies über die Parteigrenzen hinweg. Diese Unterstützung habe ihn «sehr berührt», sagte er deshalb gestern zum Auftakt der Ratsdebatte. In der Folge erhielt er erneut vor allem Zuspruch. So sagte Daniela de Maddalena (Grüne), dass Werbung bei religiösem Inhalt mit Mission gleichzusetzen sei. Denn: «Werbung und Mission haben einen gemeinsamen Nenner – beide versuchen, Menschen zu gewinnen, sie zu manipulieren.» Für sie sei eine solche Werbung, auch wenn der Bibelspruch auf den ersten Blick harmlos erscheine, übergriffig. De Maddalena forderte deshalb wie Hamdaoui, jegliche religiöse Werbung auf öffentlichen Verkehrsmitteln zu verbieten. Tue man dies nicht, müsse man konsequenterweise jede religiöse Werbung zulassen, also auch jene des Islamischen Zentralrats oder der Scientologen.

«Geht um Religionsfreiheit»
Entschieden gegen eine Prüfung des religiösen Werbeverbots ausgesprochen hat sich hingegen Thomas Brunner von der Evangelischen Volkspartei. «Wenn die Agentur C bei den VB Werbung kauft, ist das freie Marktwirtschaft und keine öffentliche Werbung», sagte er. Wenn jemand vom Kauf einer Werbefläche ausgeschlossen werde, sei das diskriminierend. «Es geht hier um nichts weniger als um die Meinungsäusserungs- und die Religionsfreiheit.» Mit Verweis auf einen Entscheid des Bundesgerichts, das 2012 die Verweigerung der SBB einer religiösen Werbung am Zürcher Hauptbahnhof als unzulässig taxierte, sagte Brunner gestern: «Der Gemeinderat stellt letztlich irgendwo Menschenrechte infrage.»

Das wiederum brachte Stadtpräsident Erich Fehr (SP) in Rage. Der Vorwurf sei deplatziert und mache ihn wütend, hielt er Brunner entgegen. Der Gemeinderat halte die Menschenrechte immer hoch. Fehr sagte, aller Fundamentalismus, alles Intolerante sei ein Problem und abzulehnen, gleichzeitig sei aber auch der Rechtsstaat zu respektieren. Fehr fand auch zur religiösen Werbung klare Worte: «Wir wünschen keinen Kampf der Religionen auf den Bussen. Es ist nicht Ziel, dass ein Bus jeder Religionsgruppe, auch der extremen, durch Biel fährt.»

Auch wenn er es nicht klar sagte, war den Äusserungen des Stadtpräsidenten klar zu entnehmen, dass der Gemeinderat ein Verbot religiöser Werbung auf und in den Bieler Bussen begrüssen würde. Er will aber rechtliche Abklärungen treffen, ob ein solches auch Bestand hätte, wenn es eingeklagt würde.

VB in Bedrängnis
Diese Abklärungen laufen allerdings bereits länger. Die VB hatten nach der hitzigen Debatte, welche die Kritik Hamdaouis im letzten Jahr losgetreten hatte, bereits ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Dies, nachdem das Verkehrsunternehmen in Bedrängnis geraten war, nachdem als Reaktion auf den Bibelspruch auch die Atheisten Werbung auf einem Bieler Bus kaufen wollten: «Da ist wahrscheinlich kein Gott, also sorg dich nicht, geniess das Leben», sollte da stehen. Doch die VB sagten nein und lancierten stattdessen die rechtlichen Abklärungen. Das Gutachten liegt laut Stadtpräsident Fehr, der auch Verwaltungsratspräsident der VB ist, inzwischen vor, ergebe aber (noch) kein abschliessendes Bild.

Der Prüfauftrag, den der Stadtrat gestern erteilte, ist also vor allem symbolischer Natur. Hätte das Parlament Hamdaouis Vorstoss abgelehnt, wären die Abklärungen zum Verbot trotzdem erfolgt. Bis ein Resultat vorliegt, dürfte es aber sowieso noch mehrere Monate dauern. Bis dahin kurvt der Bibelspruch-Bus weiterhin als einziges Fahrzeug der VB mit religiöser Werbung durch Biel. Die Agentur C hat die Werbung für zwei Jahre gebucht.

***************************************************************

Gemeinderat muss Schuldenabbau näher prüfen
Der Bieler Stadtrat hat gestern den Vorstoss von Thomas Brunner, der einen drastischen Schuldenabbau der Stadt Biel in den nächsten fünf Jahren fordert, knapp angenommen. Allerdings nicht als Motion, sondern als abgeschwächten Prüfungsauftrag. Vorausgegangen war eine emotionale Debatte um die Finanzpolitik der Stadt Biel. «Wie lange ignoriert der Gemeinderat noch die Tatsache, dass Biel ein Schuldenproblem hat?», fragte Brunner mit Blick auf die rund 800 Millionen Franken, mit denen die Stadt derzeit verschuldet ist. Ende 2019 dürften sich die Schulden auf etwa 860 Millionen belaufen.
Brunners Vorstoss sieht vor, dass die Stadt die Schulden innert fünf Jahren um 100 Millionen Franken abbauen muss. Das würde bedeuten, dass die Stadt im Vergleich zu heute jährlich einen zusätzlichen Liquidationsüberschuss von 55 Millionen Franken erreichen müsste. Brunner sagte gestern allerdings, dass er mit seinem Vorstoss noch nicht die sofortige Umsetzung drastischer Massnahmen fordere, aber eine ernsthafte Auseinandersetzung mit solchen. Trotzdem hielt ihm Miro Meyer (Juso) entgegen, dass dies «der unverantwortlichste Vorstoss» sei, den er je im Bieler Stadtrat gesehen habe.
Die jährliche Besserstellung, die Biel erzielen müsste, um die Forderungen zu erreichen, so Meyer, würde drei Vierteln des städtischen Personalaufwands entsprechen. «Seien Sie ehrlich und sagen Sie auch, wo dieses Geld eingespart werden soll», sagte der Juso-Stadtrat in Richtung Brunner. Und Finanzdirektorin Silvia Steidle (PRR) hielt fest: Der Vorstoss sei nicht umsetzbar, ohne dass die Attraktivität der Stadt erheblich tangiert werde.
Die GLP hingegen begrüsste den Vorstoss insofern, als dass er das wichtige Thema Verschuldung aufgreife und eine darüber Diskussion anstosse, wie Dennis Briechle sagte. Dies, obschon das formulierte Ziel zwar wünschenswert, aber nicht realistisch sei. «Wir müssen schon nur froh sein, wenn es uns gelingt, die Verschuldung stabil zu halten», so Briechle.
Trotzdem unterstützte die GLP den Vorstoss als Postulat – und sorgte damit als Zünglein an der Waage für eine knappe bürgerliche Mehrheit. Der Vorstoss verbleibt somit zumindest als Prüfungsauftrag auf der Traktandenliste der Bieler Politik. Über die Verschuldung wird aber in nächster Zeit ohnehin noch intensiv diskutiert: Mit der Totalrevision der Stadtordnung wird auch die Einführung einer städtischen Schuldenbremse thematisiert. lsg

Nachrichten zu Biel »