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Transportbranche

«Es gibt immer einen, der günstiger fährt»

Der Fall von ausgedehntem Dieselschmuggel wirft ein Schlaglicht auf die Bedingungen, die im Fuhrhaltergewerbe herrschen. Sie sind in der Tat nicht einfach – doch die Nachfrage nimmt künftig eher zu.

Stückguttransport am Gotthard: Mit osteuropäischen Anbietern können Schweizer Firmen preislich kaum mehr mithalten.  copyright: keystone
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Tobias Graden

Der Anwalt versuchte gar nicht erst, das Verhalten seines Mandanten abzustreiten. Dieser, der Seeländer Transportunternehmer Beat Münger, hatte in grösserem Ausmass Diesel über die Grenze geschmuggelt (vgl. BT vom Samstag). 275'000 Liter waren es insgesamt, die er nicht ordnungsgemäss verzollte. Dadurch entgingen dem Staat Steuereinnahmen in der Höhe von einer Viertelmillion Franken. Sein Mandant habe damit Kosten sparen wollen, sagt Anwalt Eberhard, zumal der Margendruck in der Branche nach dem Frankenschock im Januar 2015 noch einmal grösser geworden sei.

In der Tat lässt sich beim Dieseltanken in Deutschland Geld sparen, auch heute noch. Der TCS weist in seinem jüngsten Ländervergleich für Deutschland einen Dieselpreis von umgerechnet 1.19 Franken aus, für die Schweiz von 1.47 Franken.

Der Ärger ist gross

Doch in der Branche ist das Gebaren der B. Münger internationale Transporte AG denkbar schlecht angekommen. Der Fuhrhalter und SVP-Nationalrat Ueli Giezendanner hielt im TV-Beitrag von Tele M1 nicht nur dezidiert fest, dass die Firma nicht dem Nutzfahrzeugverband Astag angehöre, sondern forderte, dass ihr kurzerhand die Konzession entzogen werden sollte. «99,9 Prozent» der Transportunternehmer seien seriös, doch solche «schwarze Schafe» stellten die ganze Branche in ein schlechtes Licht.

Wer sich in der Transportbranche umhört, stellt rasch fest: Die Verärgerung über die B. Münger AGsehr gross. Und: Aus Sorge um den Imageverlust wollen viele Branchenteilnehmer auf keinen Fall im Zusammenhang mit dem Dieselschmuggel genannt werden;das gilt selbst für grosse, international aufgestellte Unternehmen, die eine eigene Kommunikationsabteilung unterhalten. Was aber auch stimmt:Für kleinere, unabhängige Transportunternehmen, die mit Standort Schweiz internationale Fahrten anbieten, ist der Markt in den letzten Jahren zunehmend schwierig geworden.

«Der Kostendruck ist tatsächlich massiv», bestätigt ein Branchenkenner. Für europaweite Transporte kämen reine Schweizer Unternehmen kaum mehr in Frage, «denn mit der Konkurrenz aus Osteuropa kann man preislich einfach nicht mehr mithalten». Doch auch schon im Vergleich mit Firmen im angrenzenden Ausland seien die Kosten-Unterschiede (etwa was Löhne oder staatliche Abgaben betrifft) erheblich. Der «Frankenschock» im Januar 2015 vergrösserte dann nicht nur diese Differenz, sondern er traf die Branche auch indirekt: Die Exportindustrie gab weniger Transporte in Auftrag.

Druck zur Konzentration

Für die Branche folgt aus dem Kosten- und Margendruck der Konzentrationsdruck. Ein weiterer Branckenkenner drückt es so aus:«Die Grossen werden grösser, die Kleinen werden geschluckt.» Beim Verband Astag sind denn auch in den letzten Jahren die Mitgliederzahlen gesunken – nicht wegen Austritten, sondern wegen Übernahmen oder Zusammenschlüssen. Diese Tendenz ist keineswegs neu, wie ein Beispiel aus dem Seeland zeigt: Die Ernst Marti AG spannte für ihre Logistik-Aktivitäten schon anfangs 2001 mit dem ungleich grösseren Partner Planzer zusammen und begründete dies einerseits mit dem anstehenden Kostenschub durch die Einführung der LSVA, anderseits mit den verbesserten Bedingungen, unter denen ein Unternehmen mit (damals) 27 Standorten arbeiten könne.

«Ein grösserer Fuhrpark, mehr Plattformen, mehr Flexibilität – die grossen Unternehmen können einfach bessere Angebote unterbreiten als jemand, der von einem Standort aus die ganze Schweiz abdecken muss», sagt denn auch ein Branchenkenner. Wer dann noch Standorte im EU-Raum unterhält, kann auch beim Betanken ein konsequentes Kostenmanagement betreiben, kann er doch ganz legal die Fahrzeuge in EU-Raum betanken.

Der Verkehr wächst

Die erwähnten Entwicklungen sollten aber nicht als Indiz für einen schrumpfenden Markt missdeutet werden. Im Gegenteil:Es wird immer mehr immer weiter auf der Strasse transportiert. «Mehr Güterverkehr denn je», betitelte das Bundesamt für Statistik seine Medienmitteilung zu den Daten von 2014 (neuere Zahlen sind noch nicht verfügbar). Von 1980 bis 2014 sind die Transportleistungen laut BFS um 94 Prozent angewachsen, wobei der Anteil der Schiene von 53 auf 38 Prozent gesunken ist. Auch von 2013 auf 2014 nahm die Transportleistung auf der Strasse um 1,7 Prozent zu, von 17,2 auf 17,5 Milliarden Tonnenkilometer.

Auch wenn es 2015 wegen des Frankenschocks womöglich eine zwischenzeitliche Delle gegeben hat – eine Trendumkehr ist nicht absehbar. Das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) rechnet in seinem Referenzszenario im Bericht «Verkehrsperspektiven 2040» damit, dass die Leistung der der transportierten Tonnen von 2010 bis 2040 um 37 Prozent steigt. 61 Prozent aller Tonnenkilometer werden gemäss diesem Szenario 2040 auf der Strasse erbracht.

Das heisst:Der Markt ist zwar gesättigt und hart umkämpft, doch das Gewerbe hat Zukunft. «Aus der Unternehmenskonzentration lässt sich nicht ableiten, dass es der ganzen Branche schlecht geht. Sondern es findet eine Professionalisierung statt», sagt ein Branchenkenner. Dass es auch andere Mittel gebe als Dieselschmuggel, um die Kosten zu senken, hätten die letzten Jahre gezeigt, in denen sich das Transportgewerbe mit mehr Effizienz, besserer Tourenplanung und perfektionierten Abläufen habe halten können;es sei nur zu wenig Entlassungen und auch nicht zu breiten Lohnsenkungen gekommen.

«Die Qualität muss stimmen»

Ein Mittel, mit den Herausforderungen umzugehen, kann die Diversifikation sein. Die Schlunegger-Kocher Transporte AG in Büren zum Beispiel setzt nur zu einem geringen Teil auf Stückguttransporte. «Dort ist der Preisdruck enorm, es gibt immer einen, der günstiger fährt», sagt Simon Schlunegger, Sohn des jetzigen CEOs und künftiger Geschäftsführer. Hingegen bietet die Firma diverse Transportdienstleistungen an, und sie hat mit Muldendientransporten und vor allem Entsorgungsangeboten ein breites und zum Teil konjunkturunabhängiges Portfolio aufgebaut. Schlunegger betont denn auch:«Ein Kunde bezahlt nicht nur den Transport allein. Von der Telefonabnahme bis zur Lieferung muss die Qualität der Dienstleistung stimmen, und dafür lassen sich auch faire Preise erzielen.» Dagegen lehne er auch mal einen allzu schlecht bezahlten Auftrag ab, sagt Schlunegger: «Wer die Preise drückt, schadet der ganzen Branche.»

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