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Nidau

Bei ihnen ist Politik Familiensache

Auf den Nidauer Wahllisten finden sich Geschwister, Ehepaare und Familien. Bei Blöschs kandidieren Vater, Mutter und Tochter für die EVP. Stampflis dagegen stellen sich für zwei verschiedene Parteien zur Wahl.

  • 1/2 Politisieren für die EVP: Marlene Oehme mit ihren Eltern Silvia und Paul Blösch. Matthias Käser
  • 2/2 Christian und Monika Stampfli kandidieren für unterschiedliche Parteien: Er für die FDP, sie für die GLP. Tanja Lander
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  • Dossier
von Carmen Stalder
 
Beim Durchblättern der Flyer und Broschüren mit den Kandidierenden für die Nidauer Wahlen fällt auf, dass auffallend viele Nachnamen doppelt aufgeführt sind. Tatsächlich stellen sich im Stedtli viele Geschwister, Ehepaare und Familien zur Wahl. Darunter etwa Stadtpräsidentin Sandra Hess und ihre Tochter Amélie: Beide finden sich auf den Listen der FDP, Erstere auf derjenigen fürs Präsidium, die junge BWL-Studentin auf der Liste fürs Parlament.
 
Bei der SP stehen etwa die Geschwister Nils und Noemi Kallen zur Wahl, oder auch die Eheleute Damian und Valérie Kessi. Mehrere Paare finden sich auch bei der SVP, darunter Ursula und Bruno Wingeyer oder Markus und Sandra Baumann. Bei den Grünen gibt es mit Bernd Fritz Gutermuth und Lea Gutermuth eine Vater-Tochter-Kombination. Die meisten Familienkonstellationen weist aber die EVP auf: Auf Anfrage kann Parteipräsident Philippe Messerli ganze zwölf Personen nennen, die miteinander verwandt oder verheiratet sind und sich in knapp zwei Wochen zur Wahl stellen. Unter ihnen ist die Familie Blösch.
 
Modernes Familienmodell
 
Was die Politik angeht, ist der 66-jährige Paul Blösch ein alter Hase: 1985 konnte er in Biel für die EVP in den Stadtrat nachrücken. Zwar legte er zeitweise eine Pause von der aktiven Lokalpolitik ein. Trotzdem verfügt der Nachlassregler mittlerweile über mehr als ein Vierteljahrhundert Erfahrung, davon sieben Jahre als Nidauer Parlamentarier. Wenig überraschend findet sich sein Gesicht auf der Titelseite der EVP-Wahlbroschüre. Den ersten Platz auf der Stadtratsliste nimmt jedoch seine Tochter Marlene Oehme ein. Vor einem Jahr konnte die 35-Jährige für Parteikollege Joel Hauser ins Parlament nachrücken – und engagiert sich seither für die Lokalpolitik. «Mit meiner Stimme kann ich im Stadtrat tatsächlich etwas bewirken», sagt sie.
 
Die dritte im Bunde, Ehefrau und Mutter Silvia Blösch, sagt offen, dass sie kein politischer Mensch sei. Aufstellen lassen habe sie sich vielmehr, um die Partei zu unterstützen. Sie selbst engagiert sich im Quartierleist und ist unter anderem für die Organisation der Adventsfenster zuständig. «Im Stadtrat könnte ich nicht so gut argumentieren wie die beiden», sagt die 65-Jährige. Wobei Paul Blösch betont, dass ihm vor allem die Kommissionsarbeit gut gefalle. Er sei nicht der Typ, der viele Vorstösse verfasse.
 
Obwohl Paul und Silvia Blösch sowie ihre Tochter derselben Partei angehören, teilen sie nicht bei allen Themen die gleiche Meinung. «Im Stadtrat stimmen wir manchmal unterschiedlich ab, was durchaus zu hitzigen Diskussionen führen kann», sagt Oehme. Als Beispiel nennt ihr Vater die Kita-Initiative für ein familienfreundliches Nidau: Die Volksinitiative der SP sei ihm damals zu weit gegangen, er habe sie abgelehnt. Tochter Marlene Oehme dagegen begrüsste die Idee eines verbesserten Angebots an familienergänzender Betreuung. «Da bin ich weniger konservativ als mein Vater», sagt sie. Das beweist auch ihr eigenes Familienmodell: Während sie in einem 80-Prozent-Pensum als Pflegefachfrau arbeitet, kümmert sich hauptsächlich ihr Mann um das eineinhalbjährige Kind.
 
Geht es um die Ehe für alle, die am Nidauer Wahlsonntag auf nationaler Ebene zur Abstimmung steht, gehen die Meinungen von Vater und Tochter ebenfalls auseinander. Für sie stelle das Anliegen kein Problem dar. Einzig die Samenspende, die künftig auch verheirateten Frauenpaaren erlaubt sein soll, findet sie grundsätzlich «schwierig». Paul Blösch dagegen steht der Ehe für alle eher ambivalent gegenüber. Sie seien alle überzeugte Christen, sagt Silvia Blösch, und würden die christlichen Werte gerne in die Gesellschaft einbringen. «Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob das die Gesellschaft überhaupt will?», so die Organistin und Seelsorgerin.
 
Einander überzeugen
 
Während Blöschs zwar manchmal unterschiedliche Meinungen haben, aber trotzdem derselben Partei angehören, sieht das bei Stampflis noch einmal anders aus: Monika Stampfli kandidiert auf den Listen der neugegründeten Nidauer GLP für Gemeinde- und Stadtrat. Derweil lässt sich ihr Mann Christian Stampfli für die FDP als Stadtratskandidat aufstellen. «Die FDP ist mir zu konservativ», sagt Monika Stampfli. Ihr Mann räumt ein, dass er sich mittlerweile auch eher bei den Grünliberalen sehen würde – da er jedoch seit den 90ern Mitglied der Freisinnigen sei, halte er auch aus Loyalität zu seiner angestammten Partei. «Es ist schade, dass sie es verpasst hat, sich der Umweltthematik anzunehmen», sagt er.
 
Der 55-jährige Umweltingenieur hat auf kantonaler und nationaler Ebene viel politische Erfahrung gesammelt, etwa als Kommissionsmitglied oder als Leiter der Grossratswahlen. Er ordnet sich dem linksgrünen Flügel der FDP zu und sieht sich als progressiv. Seine gleichaltrige Frau ist Geschäftsführerin der Winterhilfe Schweiz, verfügt noch kaum über politische Erfahrung – und bezeichnet sich als weniger konservativ als ihr Mann. Dass sie nicht immer derselben Meinung seien, mache die gemeinsamen Diskussionen aber umso spannender, sind sie sich einig.
 
Als Beispiel nennen sie die Cannabis-Legalisierung: Er könne diesem Vorhaben nichts abgewinnen, weil eine Legalisierung ein falsches Zeichen an die Jugend sei. Sie dagegen spricht sich dafür aus, weil dadurch die Stigmatisierung und das Dealen auf dem Schwarzmarkt wegfallen würden. Solche unterschiedlichen Ansichten würden bei ihnen teils zu einem Perspektivenwechsel führen, sagt sie. Manchmal lasse man sich auch voneinander überzeugen, ergänzt er.
 
Stampflis sind beide motiviert, sich in der Nidauer Lokalpolitik einzubringen. Die gebürtige Zürcherin möchte sich sozialen Themen widmen und kann als Betriebsökonomin auch mit Zahlen jonglieren. Er sieht sich eher in den Bereichen Verkehr und Bauen. Christian Stampfli rechnet damit, dass die GLP der FDP einige Stimmen kosten könnte. Also bekomme er quasi Konkurrenz von der eigenen Frau. Doch die beiden nehmen es sportlich: Auch wenn nur einer von ihnen ins Parlament gewählt würde, führe dies sicher nicht zu einer Ehekrise, sagen sie lachend.

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