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Biel unter dem Regenbogen

Jetzt hat auch die Stadt Biel ihren Treff für Jugendliche aus dem LGBT*-Spektrum. Organisiert wird das monatliche Angebot von den Jugendlichen selbst.

«Es ist ein frischer Wind spürbar»: Gino Rösselet (links) und Lenny Fluri, Gründungsmitglieder der Bieler Jugendgruppe Crazy Hearts. Bild: Peter Samuel Jaggi
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Sarah Zurbuchen

Am Montag hat die Jugendgruppe Crazy Hearts zum ersten Mal anderssexuelle Junge ins Haus pour Bienne eingeladen. Die Premiere ist gelungen, 18 Jugendliche fanden den Weg in das Lokal. Gründungsmitglied Gino Rösselet: «Es war ein super Start und es herrschte eine tolle Stimmung.» Crazy Hearts funktioniert nach dem Prinzip «von und für Jugendliche». Alles, von der Website bis hin zu den monatlichen Treffs, wird von jungen Erwachsenen auf die Beine gestellt.

Keine queere Kultur in Biel
Doch warum braucht gerade Biel einen solchen Raum? Der 22-jährige Twanner: «Bisher existierte in Biel weder eine queere Gemeinschaft, noch eine queere Kultur.» Und weiter: «Wir möchten das ändern.» LGBT*-Jugendliche aus Biel und Umgebung mussten sich bis jetzt in anderen Städten Möglichkeiten suchen, um ihresgleichen zu treffen. So zum Beispiel in der Milchbar in Bern. Aber auch in Basel, Zürich, Chur und sogar Schwyz gibt es dementsprechende Angebote.

Vor ein paar Monaten haben sich nun auch in Biel ein paar anderssexuelle Leute zusammengetan. Sie hatten das Bedürfnis, auch in ihrer Heimatstadt einen sicheren Raum für junge LGBT*-Menschen anzubieten. Dass es gerade das farbige und multikulturelle Biel bis anhin nicht geschafft hat, für queere Menschen ein Angebot zu schaffen, ist für Rösselet erstaunlich.

Sich sichtbar gemacht
Auffällig ist, dass die LGBT*-Community in der Schweiz in den letzten Jahren an Einfluss gewonnen hat und sich mit bunten Regenbogenfahnen im öffentlichen Raum wieder sichtbar macht, etwa an der Pride, dem alljährlichen queeren Street-Festival. «In den 80er- und 90er-Jahren gab es hauptsächlich Schwulen- und Lesbenbewegungen, die dann im Lauf der Nullerjahre wieder abgeflacht sind», sagt Gino Rösselet. Viele seien abgewandert in andere Städte, wo die anderssexuelle Kultur präsenter gewesen sei. Ganz allgemein hat sich das Engagement für LGBT*-Menschen mit dem Erreichen der eingetragenen Partnerschaft etwas abgeflacht. Und mit dem Aufkommen der Sozialen Medien begannen die Menschen ausserdem, sich von realen auf digitale Treffpunkte zu verlagern.

«Doch seit einiger Zeit ist nun ein frischer Wind spürbar», beobachtet das Gründungsmitglied. Bemerkenswert dabei ist, dass der Trend weg von reinen Schwulen- oder Lesbentreffs hin zu gemeinsamen, eben queeren Treffs und Veranstaltungen geht. Er ist überzeugt, dass viel Energie in der Diversität und gleichzeitig im Kollektiven steckt. «Das gibt uns viel Kraft.»

Explizit für Junge
An wen richtet sich der Bieler Treff denn nun ganz konkret? Der Bieler Lenny Fluri, 20 und ebenfalls Gründungsmitglied sagt, Crazy Hearts wolle in erster Linie Jugendliche bis 26 ansprechen und zusammenbringen. Dass sie explizit junge Menschen ansprechen, hänge damit zusammen, dass gerade junge LGBT*-Menschen Vorbilder und Austausch mit Gleichgesinnten brauchen. «Es sind alle willkommen, deren sexuelle Ausrichtung oder Geschlechtsidentität von der heterosexuellen Norm abweicht.» Dazu gehören zum Beispiel homosexuelle, bisexuelle, transgender, asexuelle, non-binäre oder intersexuelle Menschen, aber auch solche, die sich vielleicht noch nicht sicher sind oder für deren Ausrichtung oder Identität es keinen Begriff gibt. Eben einfach queer.

Lenny Fluri weiter: «Anderssexuelle Menschen haben oft ähnliche Erfahrungen gemacht. Und Jugendliche durchleben viele Unsicherheiten, sei dies nun im Elternhaus, in der Schule oder beim Coming-Out.» Deshalb sei es wichtig, dass sie sich mit anderen austauschen können. «Hier dürfen sie sich selbst sein, ohne sich erklären oder rechtfertigen zu müssen.»

Alles andere werde sich entwickeln, sagt Rösselet. Denn im Jugendtreff dürfen sich die Leute selbst einbringen, Ideen formulieren und umsetzen, sich engagieren. Selbstwirksamkeit heisst das Zauberwort. So könne Selbstvertrauen bezüglich der eigenen Sexualität oder Geschlechtsidentität aufgebaut werden.

Gegen Machtstrukturen
Die beiden Organisatoren sprechen auch das Thema Diskriminierung von Anderssexuellen an. Sie sind sich bewusst: Es sei diesbezüglich schon viel passiert, und trotzdem gebe es noch viel zu tun. «Der LGBT*-Kampf ist auch ein feministischer Kampf», sagt Rösselet. «Wir wehren uns gegen dieselben Machtstrukturen, gegen Gewalt und andere Diskriminierungsformen.»

Ansonsten ist den Gründungsmitgliedern vor allem eines wichtig: die Freude und die Vielfalt. Rösselet: «Ihr dürft auch einfach kommen und geniessen.»

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Queer, cis, trans: Begriffserklärung
- LGBT*/LGBTQI*:
Lesbian, gay, bisexual, transgender/Lesbian, gay, bisexual, transgender, queer, intersexual. Der Stern bedeutet: und andere Formen.
- Queer, anderssexuell, falschsexuell: Menschen die von der heteronormativen Form abweichen, sei dies bezüglich sexueller Ausrichtung oder Geschlechtsidentität.
- cis: cis steht für cisgender (lateinisch cis- «diesseits» und englisch gender «Geschlecht»). cis bezeichnet Menschen, deren Geschlechtsidentität mit ihrem körperlichen Geschlecht übereinstimmt.
- trans: trans steht für transgender (lat. trans- «jenseitig», «darüber hinaus») und ist das Gegenteil von cisgender. Von trans spricht man, wenn die Geschlechtsidentität nicht mit dem genetischen Geschlecht übereinstimmt (älterer Begriff dafür: Transsexualität). sz

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Ein sicherer Ort für 
LGBT*-Jugendliche
«Crazy Hearts» ist ein Treff für lesbische, schwule, bi, trans- und asexuelle Jugendliche sowie «für alle dazwischen und ausserhalb». Der Treff findet einmal pro Monat statt und befindet sich im Haus pour Bienne an der Kontrollstrasse 22 in Biel. Das nächste Datum ist am 3. Juni um 19.30 Uhr. sz

Link: www.crazyhearts.org

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