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Waffen

Bieler rüsten auf

Immer mehr Private in Biel und in anderen Gemeinden der Region legen sich eine Waffe zu, um sich in den eigenen vier Wänden zu schützen. Dabei bedeutet jede weitere Schusswaffe in einem Haushalt eine erhöhte Gefahr.

archiv BT
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Deborah Balmer


Offiziell ist das Sicherheitsgefühl der Bielerinnen und Bieler in den letzten fünf Jahren gestiegen. Das zeigen Umfrageergebnisse, die Anfang März auch im BT veröffentlicht wurden. Und doch scheinen sich nicht wenige Bieler mit einem Gewehr oder einer Pistole schützen zu wollen. Das lässt sich daraus schliessen, dass die Anträge für Waffenerwerbsscheine letztes Jahr im Vergleich zu 2014 um über 20 Prozent gestiegen sind. «Wir gehen davon aus, dass sich viele vermehrt für den Schutz in den eigenen vier Wänden bewaffnen», sagt André Glauser. Er ist der Leiter der Abteilung öffentliche Sicherheit bei der Stadt Biel und sagt, dass das grundsätzlich eine negative Entwicklung sei, die sich da abzeichnet. Denn: «Jede zusätzliche Waffe bedeutet auch ein erhöhtes Risiko.»


Die Zahlen sprechen für sich: Während 2014 bei der Stadt Biel 94 Gesuche für einen Waffenerwerbsschein eingingen, waren es letztes Jahr 115. Im laufenden Jahr beantragten bereits 60 Bieler einen Waffenerwerbsschein. Dieser ist nötig für den Kauf von bewilligungspflichtigen Waffen wie Pistolen, Revolvern, Repetiergewehren und halbautomatischen Gewehren. Am Ende entscheidet zwar die Kantonspolizei Bern darüber, ob ein Antrag gutgeheissen wird oder nicht. Jeder einzelne Antrag geht aber zuerst einmal bei den Gemeinden ein, die den Leumund des Antragstellers beurteilen müssen. So stellt auch eine Gemeinde fest, wenn die Gesuche für Waffenerwerbsscheine massiv steigen, wie das in Biel der Fall ist.


Keine Gemeinde-Statistik
Keine Chance auf einen Waffenerwerbsschein hat jemand, der über einen Eintrag im Strafregister verfügt, bei dem es um Gewaltanwendung ging. Die Kantonspolizei hat letztes Jahr kantonsweit etwa sechs Prozent aller Anträge «infolge gesetzlicher Hinderungsgründe» abgelehnt. Hinzu kommen abgelehnte Anträge wegen fehlender Dokumente. Wie viele Anträge die Kapo in der Stadt Biel ablehnte, weiss Glauser nicht, da die Polizei weder bezüglich der bewilligten noch abgelehnten Gesuche eine Rückmeldung erteilt.


Das heisst aber auch: Wie viele private Schusswaffen in Stadtbieler Haushalten existieren, weiss keiner ganz genau. Nicht einmal die Polizei führt eine separate Statistik zu den ausgestellten Waffenerwerbsscheinen pro Gemeinde. Eine Schätzung wagt Glauser nicht. Er geht aber davon aus, dass zudem eine grosse Zahl Waffen illegal erworben werden.


Eine präzise Erklärung für das Aufrüsten ist schwierig zu finden. Aber für den Sicherheitsdelegierten Glauser ist klar: «Die wenigsten Bielerinnnen und Bieler brauchen eine Waffe für den Sport oder für ihren Beruf, weil sie etwa in der Sicherheitsbranche arbeiten.» Er sagt: «Die Tatsache, dass jemand eine Waffe daheim hat, wird stets einen Grund haben.»


Mehr Waffen in Aarberg
Offenbar hat auch in anderen Seeländer Gemeinden das Gefühl der Angst zugenommen. In Aarberg etwa sind im Jahr 2014 in der Gemeindeverwaltung 13 Anträge für Waffenerwerbsscheine eingegangen, letztes Jahr waren es 16. Alleine im laufenden Jahr waren es bereits 17 Anträge. «Die Gesuche haben in den letzten Jahren zugenommen», sagt die stellvertretende Aarberger Gemeindeschreiberin Céline Wälchli. Das Durchschnittsalter der Antragssteller liege bei 41 Jahren. Weshalb werden mehr Waffen gekauft? «Es geht vielen darum, die Sicherheit zu erhöhen», sagt Wächli. Doch das sei trügerisch:«Waffen lösen keine Probleme, sondern schaffen nur neue.»


Auch in Pieterlen werden mehr und mehr Waffen gekauft. Pro Jahr gehen etwa 30 Gesuche für Waffenerwerbsscheine ein. «Die Gesuche haben tendenziell zugenommen», sagt Gemeindeschreiber David Löffel. Doch die Zunahme lässt sich laut Löffel nicht mit einem steigenden Unsicherheitsgefühl begründen: Die Pieterler Antragssteller sagen stets, dass sie eine Waffe für Sport-, Jagd- oder Sammlerzwecke benötigen.


Auch in der Gemeinde Ins gibt es mehr Gesuche. Während im Jahr 2012 14 Gesuche eingingen, waren es letztes Jahr 21 Gesuche und im laufenden Jahr bereits 23. Doch auch hier wiegelt der stellvertretende Gemeindeschreiber Marc Löffel ab: «Zahlen sind immer mit Vorsicht zu geniessen», sagt er. Auf einem Antragsformular können drei Waffen aufgeführt werden. «Viele Gesuchsteller führen vorsorglich drei Waffen auf, erwerben jedoch später nur eine», sagt Löffel. Ein grosser Teil der Gesuche sei in Ins von Waffensammlern eingegeben worden. Trotzdem schliesst auch er «Sicherheitsbedenken» als möglichen Grund für Waffenkäufe nicht aus.


In Erlach heisst es, die Gesuche hätten in den letzten Jahren ganz leicht zugenommen. Laut Claudia Kunz sind es Personen, die zwischen 21 und 45 Jahre alt sind, die ein Gesuch stellen. Eine Waffe brauchen sie laut Kunz für Sport- und Jagdzwecke.
In Lyss waren es letztes Jahr 55 Anträge, im Jahr 2014 31, noch ein Jahr zuvor waren es 35 Anträge. Im laufenden Jahr sind in Lyss bisher 41 Gesuche eingegangen. Keine grossen Veränderungen hat man in Rapperswil festgestellt. Gesuchsteller seien zumeist Männer, die aus dem aktiven Militärdienst entlassen werden und ihre Ordonnanzwaffe behalten möchten.


Mehr Gesuche im Kanton
Biel und andere Seeländer Gemeinden sind keine Ausnahme. Denn kantonsweit fühlen sich die mehr und mehr Leute unsicher – und erwerben ein Gewehr oder eine Pistole. Im Jahr 2009 hat die Kantonspolizei kantonsweit 1616 Waffenerwerbscheine ausgestellt.  
Im Jahr 2012 waren es 3210 Gesuche, 2014 stieg ihre Zahl auf 3540 ausgestellte Waffenerwerbsscheine. Letztes Jahr ist es im Kanton Bern zu insgesamt 505 Widerhandlungen gegen das Waffengesetz gekommen. Vor sieben Jahren waren es 348 Widerhandlungen.

 

 

 

Infobox: Das Waffengesetz
Mit einem Waffenerwerbsschein können bis zu drei Waffen gekauft werden.
Wer eine Waffe ohne Waffenerwerbsschein kauft, verstösst gegen das Waffengesetz. Auch, wer in der Öffentlichkeit ohne Tragschein eine Waffe bei sich hat. Die Strafen bewegen zwischen Bussen und Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren.
Der National- und Ständerat hat letztes Jahr eine Registrierungspflicht für Waffen abgelehnt, die vor 2008 erworben wurden. Wie viele private Waffen genau existieren, weiss daher niemand. bal

Kommentare

Georges

Ich sehe, der National Rifle Association of America (NRA) Virus ist von den USA über den Atlantik zu uns gekommen. Der ganz normale Wahnsinn. Und da hilft kein Antibrum...


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