Sie sind hier

Abo

Drogen

Cannabis-Studien droht das Aus

Der Bundesrat will Schweizer Städten mit einem Spezialgesetz die Abgabe von Cannabis ermöglichen. Doch nun regt sich im Parlament Widerstand.

Kiffen für die Wissenschaft? Ein Gesetz soll es möglich machen. Bild: Keystone

Luca De Carli

Würden Sie an einer Studie zu Ihrem Cannabis-Konsum teilnehmen, wenn darüber zwingend auch Ihr Arbeitgeber oder Ihre Schule informiert werden müsste? Wohl nicht. Trotzdem hat sich die Gesundheitskommission des Nationalrats an ihrer letzten Sitzung für eine solche Informationspflicht ausgesprochen.

Mehrere Schweizer Städte, darunter Biel, Bern, Basel und Zürich, planen seit längerem Versuche mit der Abgabe von Cannabis mit hohem THC-Gehalt. Dessen Konsum ist in der Schweiz verboten. Am weitesten fortgeschritten war das Projekt in Bern. Konkret hätten die volljährigen Teilnehmer Cannabis über Apotheken in der Stadt kaufen können. Das hätte unter anderem Erkenntnisse über das Konsumverhalten und den Gesundheitszustand der Käufer bringen sollen. Zugelassen worden wären nur Personen, die bereits vorher Cannabis konsumierten. Doch vor zwei Jahren verbot das Bundesamt für Gesundheit den Versuch – weil eine gesetzliche Grundlage fehlt.

Zu wenig Teilnehmer
Eine solche Grundlage will der Bundesrat nun mit einem auf zehn Jahre befristeten Spezialgesetz schaffen. Seit dem Frühjahr ist das Parlament am Zug. Das Gesetz ist umstritten. Die erstberatende Nationalratskommission ist nur mit einer knappen Mehrheit auf die Vorlage eingetreten. Nun hat sich dort eine ebenfalls knappe Mehrheit für die Informationspflicht ausgesprochen.

Setzt sie sich damit durch, dürfte dies das Aus für die Cannabis-Studien bedeuten. Regula Müller, Leiterin der Koordinationsstelle Sucht der Stadt Bern, sagt: «Es ist wichtig, dass die Versuche so realitätsnah wie möglich durchgeführt werden können. Das heisst, dass wir auf ein so grosses und breites Teilnehmerfeld angewiesen sind, dass eine Studie auch aussagekräftig ist. Ich sehe nicht, wie dies mit der Vorgabe der Nationalratskommission möglich ist. Wenn Arbeitgeber oder Schulen informiert werden müssen, werden sich zu wenig Teilnehmer für die Studie melden.»

Regula Müllers Einschätzung teilen die Verantwortlichen für die Cannabis-Studien in Basel und Zürich. «Es besteht das Risiko, dass wissenschaftliche Forschungsprojekte mit alternativen Regulierungsansätzen nicht mehr möglich sind», sagt etwa Simone Bunes, Oberärztin an den medizinisch-sozialen Ambulatorien der Stadt Zürich.

Das vom Bundesrat geplante ­Gesetz begrenzt die Teilnehmerzahl pro Studie auf 5000 Personen. Eine solche Stichprobengrösse erlaube es, auch umfangreichere Fragestellungen zu untersuchen, so der Bundesrat. In der Schweiz konsumieren geschätzt über 200000 Personen regelmässig Cannabis. Die Versuche müssen jedoch auch örtlich begrenzt sein. Das heisst, teilnehmen können nur Bewohner der jeweiligen Städte. Schon in der Vernehmlassung zum Gesetz hatte die Stadt Bern sich gegen weitere Einschränkungen ausgesprochen.

Die Informationspflicht habe das Ziel, die Cannabis-Versuche zu verhindern, sagt Nationalrätin Kathrin Bertschy (GLP). Sie ist eine der treibenden politischen Kräfte hinter dem Cannabis-Gesetz. Per Minderheitsantrag verlangt sie, dass die Informationspflicht wieder gestrichen wird.

Weiter erst nach den Wahlen
Kommissionskollegin Ruth Humbel (CVP) sieht das anders: Die Cannabis-Versuche seien ja nicht ein Genuss-Konsum-Programm für Gelegenheitskiffer. «Es ist ein Versuch von Cannabis-Abgabe an süchtige Erwachsene», sagt Humbel. «Wenn jemand süchtig ist – mit welchen Suchtmitteln auch immer –, dann ist die Umgebung, die Familie oder der Arbeitgeber immer auch mitbetroffen. Es geht nicht an, diese unter dem Vorwand des Datenschutzes auszuschliessen.» Humbel zweifelt grundsätzlich am Sinn dieser Versuche. Zum Cannabis-Konsum in der Schweiz sei bereits viel bekannt. Wichtiger wäre dagegen mehr Forschung zum medizinischen Einsatz von Cannabis, so Humbel. Aber das sei ja nicht das Ziel des Cannabis-Gesetzes.

Schnelle Entscheide zum Gesetz wird es nicht geben. Die Kommission hat bei der Bundesverwaltung noch einen Bericht zu Jugendschutz und Cannabis bestellt. Dieser soll bis im Oktober vorliegen. Danach will die Kommission das Gesetz fertig beraten – und damit wohl erst nach den Wahlen.

Nachrichten zu Biel »