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Biel

Das Urteil wurde wegen Verzögerung milder

Der heute 28-Jährige, der sich wegen 13 Straftatbeständen vor Gericht verantworten musste, wurde gestern zu zwei Jahren bedingter Haft verurteilt. Das ist ein mildes Urteil für die zahlreichen Straftaten. Das Gericht knüpft es jedoch an Bedingungen.

Die Haftstrafe wurde um acht Monate reduziert, da das Beschleunigungsgebot verletzt worden ist. Bild: Matthias Käser/A

Hannah Frei

Zwei Jahre Haft, bedingt: Das ist das Urteil des Regionalgerichts Berner Jura-Seeland für den 28-jährigen Bieler. Die Liste seiner Straftaten ist lang: qualifizierter Raub, Diebstahl, Raufhandel, qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, Drohung und Gewalt gegen Polizisten – um nur einige zu nennen. Begangen hat er diese zwischen 2014 und 2020. Die meisten davon hat er gestanden. Beim Strafmass fielen der Raub und das Drogendelikt am schwersten ins Gewicht: 20 Monate gab es alleine für den versuchten Raubüberfall, den er gemeinsam mit einem Bekannten im Oktober 2014 im ehemaligen Laden Bonadei an der Dufourstrasse in Biel begangen hat. Bewaffnet mit einem Teleskopschlagstock, sein Kompagnon mit einer echten Pistole, und mit Sturmmaske über dem Kopf bedrohten sie die beiden Angestellten und forderten Geld. Als sie dieses nicht erhielten, schlug der Verurteilte mit seinem Schlagstock auf die Beine der beiden. Geflohen sind sie aber ohne Beute, nachdem die Verkäuferin in der Bäckerei vis-à-vis den Überfall bemerkte und die Polizei rief. Für den Drogenhandel gab es acht Monate Haft – wie beim Raub noch ohne Abzüge. Fünf Kilogramm Marihuana soll er bei einem Dealer gekauft und diese in kleinen Portionen auf der Gasse vertickt haben.

Die zwei Jahre Haft knüpft das Gericht jedoch an Bedingungen: Laut Gerichtspräsidentin Elisabeth Ochsner gilt eine Probezeit von drei Jahren, der Mann muss sich bei der Berner Gesundheit einer Alkoholsucht-Therapie unterziehen und er erhält eine Bewährungshelferin. Dies, weil der 28-Jährige bei zahlreichen seiner Straftaten stark betrunken war, wie sowohl die involvierten Polizisten als auch Promille-Tests bestätigen. Einen ersten Entzug hat er nach den Taten bereits gemacht. Das stimmte das Gericht positiv, was die Zukunft des Mannes anbelangt. Nach der Urteilsverkündung mahnt Ochsner jedoch: «Ich sage Ihnen: Das ist für Sie kein Wunschkonzert.»

 

Täter soll unterstützt werden

Für das Gericht sei aber klar, dass der Verurteilte aufgrund seiner Alkoholsucht weiterhin unterstützt werden müsse und dass er noch nicht über den Berg sei. «Das Alkoholproblem ist mit diesem Entzug nicht vorbei», sagte Ochnser.

Dies scheint auch dem Verurteilten bewusst zu sein. In seiner Aussage vor Gericht am Montag sagte er, er sei ein Alkoholiker und wisse nun, dass er daran arbeiten müsse. Bei der Frage, weshalb er all diese Taten begangen habe, diente ihm der Alkohol stets als Grundlage. An vieles könne er sich nicht mehr erinnern. Besonders in den Fällen, bei denen er Polizistinnen und Polizisten beschimpft, sich körperlich gewehrt und mit den Füssen gegen sie getreten hat. Bei einer Alkoholmessung nach einer solchen Tat im Jahr 2016 wurden laut Ochsner 2,24 Promille gemessen.

Bei den schwersten Taten, dem Raub und dem Drogenhandel, gibt es jedoch keine Beweise dafür, dass er ebenfalls betrunken gewesen sein soll, wie auch Staatsanwalt Peter Schmid in seinem Plädoyer am Montag anmerkte. Trotzdem entschied sich das Gericht für eine Strafminderung von acht Monaten aufgrund der verminderten Schuldfähigkeit wegen Alkoholkonsums.

Zudem wurde die Strafe um weitere acht Monate reduziert, da das Beschleunigungsgebot bei diesem Verfahren verletzt worden sei, von der ersten Kenntnis der Vorwürfe bis zum Prozess also deutlich zu viel Zeit verstrichen ist. Dies kann unter anderem dann geschehen, wenn es bei den involvierten Parteien zu «unnötigen Verzögerungen» kommt. Welcher Art diejenigen im Falle des 28-Jährigen gewesen sind, lässt Gerichtspräsidentin Ochsner offen. Beim Strafmass war für das Gericht klar, dass eine Geldstrafe wenig zielführend sein wird – der Mann lebt zurzeit von der Sozialhilfe, arbeitet 60 Prozent im Rahmen eines Integrationsprogramms und hat eine Tochter. Er sei also ohnehin nicht in der Lage, eine Geldstrafe zu bezahlen.

 

Von 20 auf 5 Kilogramm Gras

Grosse Auswirkung auf das Strafmass hatte auch die Beurteilung des Drogendelikts: Verurteilt wurde der Mann nun lediglich wegen des qualifizierten Handels mit fünf Kilogramm Marihuana, statt in der Anklageschrift erwähnten 20 Kilogramm. Ochsner begründete dies damit, dass die Mengenangabe 20 Kilogramm von der Polizei auf wackeligen Beinen stehe. «Wir wissen nicht genau, wie die Polizei darauf kommt», sagte Ochsner. Die fünf Kilogramm hingegen entsprechen laut ihr der Aussage des Verurteilten und stimmen mit den Berechnungen überein. Weder das erwirtschaftete Geld noch die Drogen selbst wurden in diesen Mengen gefunden. Doch auch der Handel mit den fünf Kilogramm gilt im Falle des Bielers als qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Während die Verteidigung am Montag eine bedingte Haftstrafe von 15 Monaten forderte, sprach sich Staatsanwalt Peter Schmid in seinem Plädoyer für dreieinhalb Jahre Haft aus, diese wären unbedingt. Nach der Urteilsverkündung gestern sagte Schmid, die Staatsanwaltschaft werde das Urteil sorgfältig prüfen und entscheiden, ob sie Berufung anmelden wird oder nicht.

Stichwörter: Gericht, Drogen, Raub

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