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Oranges Haus

Den BT-Lesern ist es in Biel noch lang nicht zu bunt

Dass der Kanton die orange Farbe des Hauses an der Mettstrasse 108 wie die Stadt nicht dulden will, hat ein grosses Leserecho ausgelöst. Der Tenor ist Unverständnis und Unmut. Derweil sieht sich die Bieler Stadtplanung durch den Beschwerdeentscheid des Kantons bestätigt.

  • 1/16 Grünes Haus am Grünweg. © Peter Samuel Jaggi / Bieler Tagblatt
  • 2/16 Das umstrittene Haus an der Mettstrasse. © Peter Samuel Jaggi / Bieler Tagblatt
  • 3/16 Das umstrittene Haus an der Mettstrasse. © Peter Samuel Jaggi / Bieler Tagblatt
  • 4/16 Blaue Häuser an der Südstrasse. © Peter Samuel Jaggi / Bieler Tagblatt
  • 5/16 Blaue Häuser an der Südstrasse. © Peter Samuel Jaggi / Bieler Tagblatt
  • 6/16 Sandfarbenes Haus an der Mettstrasse. © Peter Samuel Jaggi / Bieler Tagblatt
  • 7/16 Rote Wohnhäuser an der Eisfeldstrasse. © Peter Samuel Jaggi / Bieler Tagblatt
  • 8/16 Rotes Haus am Sägefeldweg. © Peter Samuel Jaggi / Bieler Tagblatt
  • 9/16 Rotes Haus am Sägefeldweg. © Peter Samuel Jaggi / Bieler Tagblatt
  • 10/16 Blauer Block auf grüner Wiese an der Eisfeldstrasse. © Peter Samuel Jaggi / Bieler Tagblatt
  • 11/16 Bunte Häuser an der Henri-Dunant-Strasse. © Peter Samuel Jaggi / Bieler Tagblatt
  • 12/16 Haus am Louis-Breguet-Weg. © Peter Samuel Jaggi / Bieler Tagblatt
  • 13/16 Haus am Louis-Breguet-Weg. © Peter Samuel Jaggi / Bieler Tagblatt
  • 14/16 Haus am Louis-Breguet-Weg. © Peter Samuel Jaggi / Bieler Tagblatt
  • 15/16 Rotes Haus am Kloosweg. © Peter Samuel Jaggi / Bieler Tagblatt
  • 16/16 Grünes Haus an der Grünstrasse. © Peter Samuel Jaggi / Bieler Tagblatt
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Beat Kuhn

Für fast 30 000 Franken haben Marie und Willy Zysset ihr Haus an der Mettstrasse 108 in Biel vor zwei Jahren neu streichen lassen, da die Fassade verwittert war. Anstelle des vormaligen Beige-Braun wählten sie ein helles Orange. Das hätten sie sich buchstäblich sparen können: Der Kanton hat ihre Beschwerde gegen eine Verfügung der Stadt Biel abgewiesen, wonach die gewählte Farbintensität zu gross sei und nicht ins Quartier passe (das BT berichtete).

«Den Amtsschimmel orange färben»

Dieser Entscheid gibt zu reden. Auch viele Leser haben sich zu Wort gemeldet. Auf BT-Online schlagen sie sich durchs Band auf die Seite der Zyssets. «Der Amtsschimmel wiehert wieder, vielleicht sollte man ihn orange färben», spottet jemand in einer Sprache, die dem Haus an Farbigkeit in Nichts nachsteht. Und er setzt hinzu: «Verlotterte Häuser gibt es in Biel hingegen zuhauf, da passiert rein gar nichts.»

In dieselbe Kerbe schlägt ein anderer: «Wer die Schrottfassaden in der Banlieue von Madretsch sieht, kann diese Staatswillkür nicht verstehen.» Und ein Dritter findet: «Eigentlich hätten die Zyssets einen Preis für die Verschönerung des Quartiers verdient.» Biel habe es einmal mehr verpasst, sich neu zu positionieren, meint einer und ätzt: «Die Stadt vergibt keine Möglichkeit, negative Schlagzeilen zu liefern.» Und einer stellt Ipsach als leuchtendes Vorbild hin: Dort habe es vor Jahren ein ganzes Quartier in einem gelben Farbton gegeben, «dass man im Vorbeigehen die Sonnenbrille aufsetzen musste – und keinen hats gestört.»

«Biel ist doch eine farbige Stadt»

Auch auf der Facebook-Seite des BT sind etwelche Kommentare gepostet worden. Sie sind etwas weniger grell formuliert als jene auf BT-Online. «Dieser Entscheid ist ein bisschen bünzlig und unterstreicht das Image der Schweizer, sich möglichst anzupassen», schreibt etwa eine Frau. «Schade, denn Biel ist doch eine farbige Stadt und soll das auch zeigen.» Ein anderer findet die Farbe zwar «auch zu extrem», aber «allemal besser als ein Grossteil der Umgebung». Hier finden sich sogar Stimmen, die die Zyssets kritisieren. So findet eine Frau, das besagte Orange sein «ein absoluter Graus».

Die Hausbesitzer sind überwältigt

Diese Welle der Solidarität freut die Hausbesitzer. Willy Zysset hätte nie und nimmer mit so einem grossen Echo gerechnet. «Ich bin auch überrascht, dass so viele auf unserer Seite stehen.» Sie hätten viele Briefe bekommen, sogar aus anderen Kantonen, und in allen werde über die Baubehörden hergezogen, die den Neuanstrich angeordnet hätten. «Viele Wörter, die da verwendet werden, möchte ich lieber nicht in den Mund nehmen.»

Auch darüber, dass die SVP Biel und die Junge SVP Biel-Seeland eine Petition lanciert haben, welche die Rücknahme der Anordnung verlangt, hat Zysset Freude. Und zwar trotz dem Wahlkampf ungetrübt. Gelassen meint er: «Wenn die SVP auch etwas davon hat, stört mich das nicht.» Die Partei will ihm zufolge auch die Chancen eines Weiterzugs an das kantonale Verwaltungsgericht prüfen.

SVP: weit über 600 Unterschriften

Nach Auskunft von Sandra Schneider, Präsidentin der Jungen SVP Biel-Seeland und Stadträtin, sind «bereits weit über 600 Unterschriften» zusammengekommen. Auf die Frage, ob die Partei die Petition auch lanciert hätte, wenn nicht Wahlkampf wäre in Biel, erwidert sie: «Ganz klar Ja!»

Die gegen 30 000 Franken für den angeordneten Neuanstrich mit einer weniger auffälligen Farbe könnte Zysset derzeit gar nicht aufbringen, wie er sagt. «Ich müsste mir eine Arbeit suchen.» Der frühere Maschineningenieur ist 68 Jahre alt und Rentner.

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Rot sehen die Behörden auch andernorts bei zu viel Farbe

Wegen zu viel Farbe greift Vater Staat hierzulande immer wieder mal durch:

  • In Twann-Tüscherz sollten 2014 sieben Einfamilienhäuser einen gelben Anstrich erhalten. Doch während der Streicharbeiten verfügte die Gemeinde einen Baustopp, und der Kanton legte sein Veto ein. Die Häuser sind nun grau-braun.
  • In Bremgarten BE musste ein Reihenhaus auf Geheiss der Behörden neu gestrichen werden, nachdem diese moniert hatten, das gewählte Blau passe nicht ins Bild.
  • In Horgen ZH wurde ein rotes Haus 2011 als zu auffällig taxiert und bekam zwangsweise ein weisses Kleid. bk

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«Ein obkektiv begründeter Entscheid»

 

Florence Schmoll, Abteilungsleiterin Stadtplanung Biel

Florence Schmoll, warum akzeptieren Stadt und Kanton den orangen Farbtupfer nicht, den die Zyssets setzen wollten. Ist das nicht Willkür?

Florence Schmoll: Nein, wir sind gezwungen, zu handeln. Laut Baugesetz des Kantons dürfen Bauten, Anlagen, Reklamen, Anschriften und Bemalungen die Landschaften, Orts- und Strassenbilder nicht beeinträchtigen, insbesondere nicht durch eine störende Farb- oder Materialwahl. Eine Beeinträchtigung liegt nach Praxis und Rechtssprechung dann vor, wenn ein Bauvorhaben einen Gegensatz zur bestehenden Überbauung schafft, der erheblich stört.

Die Stadt Biel soll noch zusätzliche, strengere Bestimmungen haben...

Die Gemeinden dürfen eigene Ästhetikvorschriften erlassen, die über die kantonalen Vorschriften hinausgehen. Die entsprechenden Bestimmungen Biels bedeuten aber nicht eine Verschärfung, sondern bringen mehr Klarheit hinsichtlich der relevanten Aspekte. Von Bedeutung für den konkreten Fall ist folgender Punkt im Baureglement der Stadt: «Bauten und Anlagen sind so zu gestalten, dass sie unter Einhaltung der Vorgaben des Bauzonenplanes zusammen mit ihrer Umgebung eine gute Gesamtwirkung ergeben.» Für diese Wirkung sind insbesondere die Gebäudestellung und die Orientierung der Fassaden, die Gebäudeformen und ihre Gliederung, die Materialwahl und ihre Farbgebung sowie die Gestaltung der Aussenräume zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund ist die Baubehörde verpflichtet, die Gesamtwirkung der Vorhaben zu prüfen, in diesem Fall unter anderem die Farbgebung. Sie wird von der internen Fachgruppe für Baufragen (IFG) unterstützt.

Welches sind denn die Kriterien bei einer solchen Prüfung?

Die Farbgebung ist im Zusammenhang mit der Umgebung des Vorhabens und unter Berücksichtigung seiner Funktion zu prüfen. Darum müssen die Projekte von Fall zu Fall beurteilt werden. Eine schematische Beurteilung ist nicht möglich, da nicht nur das Baugesuchsobjekt selber zu betrachten ist, sondern auch die Umgebung, in der es steht. Die Entscheide werden fachlich von der IFG aufbereitet und durch den Rechtsdienst der Dienststelle für Bau- und Planungsrecht überprüft. So ist gewährleistet, dass die Bestimmungen durch eine «Fachbeurteilung im einzelnen Fall» umgesetzt werden.

Aber ist es nicht subjektiv, ob ein Farbton zu intensiv ist oder nicht? Denn das ist ja der Hauptstreitpunkt, nicht die gewählte Farbe an sich.

Nein, es liegt ein objektiv begründeter Entscheid vor. So hat die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons (BVE), welche Rekursinstanz war, den Entscheid der Stadt nicht nur bestätigt, sondern zusätzlich ein unabhängiges Fachgremium einbezogen, nämlich die Kommission zur Pflege der Orts- und Landschaftsbilder (OLK) – die übrigens nicht zur BVE gehört, sondern zur Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion (JGK). Und die ist zur gleichen Beurteilung gelangt. Zitat: «Aufgrund der gewählten Farbe und vor allem ihrer Intensität fällt das Gebäude in seiner Umgebung sehr stark auf. Diese Farbintensität verleiht dem Gebäude eine Präsenz und Wichtigkeit, die ihm aufgrund seiner Funktion innerhalb des Quartiers nicht zukommt.»

Gibt es noch andere Fälle in Biel, wo ein allzu auffälliger Farbton wieder entfernt werden musste oder muss?

Mir sind keine anderen Baupolizeifälle punkto Farbgebung bekannt. In der Regel werden solche Fragen im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens oder schon auf Stufe «Voranfrage» bereinigt. Bis zur rechtskräftigen Erledigung des aktuellen Falles werden auch keine so gelagerten Baupolizeiverfahren geführt.

Müssen die Zyssets ihr Haus eigentlich wieder Braun-Beige streichen wie zuvor, oder können sie auch eine andere dezente Farbe aussuchen?

Laut BVE-Entscheid sind beide Optionen möglich. Die Zyssets können die Fassade also auch in einer anderen Farbe als der ursprünglichen neu streichen. In diesem Fall müssen sie bei der Stadt aber eine Bemusterung einreichen, als Grundlage für den Entscheid, ob es dafür ein neues Baugesuch braucht. Interview: Beat Kuhn

Kommentare

ligerius47

Einmal mehr hat " Fassaden Erich " ohne gründliches Hinterfragen die Beschwerde an den Kanton unterschrieben. Mit dieser Hausfarbe wollte Fehr vor den Wahlen noch rechtzeitig ein Zeichen setzen, dass sein Zauderer Image etwas korrigieren könnte. Dummerweise hat er sich damit selbst gehörig in die Nesseln gesetzt.


1912

Kaum zu glauben was hier abläuft. Es wird Zeit,dass gewisse Leute und Vorschriften abgeschafft werden. Es braucht neue Zeitgeister die mit der Zeit mitgehen,altes muster endlich abschaffen. Wir leben in einer Zeit die Politiker und Kommisionen noch nicht begriffen haben. Diese Kleingeister sollten die Realität kennenlernen und abstruse Vorschriften abschaffen! Es ist wieder bünzlibürgerei was In Biel und Kantonal abläuft. Siehe Reithalle Bern,jeder darf die Gebäude beschmieren in den unmöglichsten Farben und arten,ein rechtschaffender Bürger darf dies nicht. Es ist eine diffamierung des Hausbesitzers und nicht duldbar. Diese Hausfarbe muss bleiben,denn es ist eine Farbe die frische,zukunft und Lebensfreude darstellt. Biel sollte umdenken, früher war es eine Zukunftstadt,heute eine Sozialleistungsstadt ohne Zukunft. traurig,aber war!


rowoltz55

Logischerweise müsste die Busse wahrscheinlich höher als der Neuanstrich sein! Ich glaube irgendwo konnte man das auch lesen?


Robert Kunz

Wenn man die Bilder anschaut und insbesondere das "Verbrechen" am Kloosweg, dann muss man wohl die Ursache des Behördenentscheides anderswo suchen: Ein gut bezahlter Verwaltungsbeamter hat einem Hausbesitzer aus irgend einem Grund eins ausgewischt. Ein Stadtpräsident ohne "Füdli" hat den Unsinn nicht rechtzeitig gebremst. Und nun bleibt nichts anderes übrig, als dass die Beamten sich untereinander Persilscheine ausstellen .... zu Lasten des Hausbesitzers. Ein Rat an den Hausbesitzer: nichts tun! In zwei, drei Jahren wird die Farbe automatisch blasser. Und wenn es eine Busse absetzen soll, dieselbe bezahlen: ist billiger als Neumalerei.


Biennensis

Der „Würfelkasten“ am Berg neben dem Chalet passt weder farblich noch architektonisch ins Bieler Amtsschimmel-Bild hinein. Auch ist dieser knallrote „Würfel“ („schönes Panoramabild“) schon von weitem her zu sehen. Auch die Überbauung im Madretsch-Ried ist ein Mix von „alles kann, nichts muss" - Blöcke, Hühnerkästen, Häuser auf Stelzen, Häuser im skandinavischen Stil, Häuser im mediterranen Stil, da passt eigentlich nichts zusammen, von einem einheitlichem Quartierbild ganz zu schweigen. Mein Fazit: Erstens wird die „Farb- und Architekturregel“ für ein einheitliches Quartierbild in Biel nicht überall gleich gehandhabt und zweitens kann man sich seine Probleme auch selbst kreieren.


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