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Biel

Die Mär von der höheren Nebelgrenze

Vielerorts scheint die Nebelgrenze zu stagnieren oder allenfalls ganz leicht zu sinken. In Biel sei indes das Gegenteil der Fall, heisst es oft. Doch der Eindruck täuscht – auch wenn der Wohnungsmarkt etwas anderes sagt.

Bild: Matthias Käser
  • Dossier

Sabine Kronenberg

Hochnebel, auch Stratus genannt, ist ein meteorologischer Begriff für Wolken, die sich hoch aufschichten und bis tief in die Ebene, oft bis zum Boden hinunterreichen. In Biel kennen alle die Herbststimmungen mit tiefhängendem Hochnebel, der die Sicht auf einen Umkreis von wenigen Metern beschränkt. Oft verschwindet, auch wenn nicht die Stadt, so zumindest schon die Juraanhöhe in der Wolkendecke. Typisch ist auch, dass aus einer Hochnebelschicht manchmal geringer Sprühregen oder Schneegriesel fällt. Im Winter kann andauernder Hochnebel bei Minusgraden in Bergwäldern für starken Raureifansatz an Bäumen und Sträuchern sorgen. Im Wald auf dem Krähenberg oder am Jurafuss Richtung Twann, sorgt das im Herbst und Winter regelmässig für wildromantische Märchenstimmungen.

 

Langjährige Studien fehlen

Hochnebel entsteht bei windarmen Hochdrucklagen, welche zu zwei Schichten in der Luft führen: Die feuchte, bodennahe Kaltluftschicht liegt unter der meist deutlich milderen und trockeneren Luftschicht darüber. Dort, wo die beiden Luftschichten aufeinandertreffen, bildet sich eine 
undurchdringliche Wolkendecke, welche in unserer Region bei 
andauerndem Hochdruckwetter tage- , ja wochenlang liegenbleiben kann. Die Schadstoffkonzentration in der Luft der Stadt nimmt dann rapide zu, da die Hochnebelschicht – nicht nur auf unser Gemüt – wie ein Deckel wirkt und die Luft sich kaum durchmischt. Über der Hochnebelgrenze herrscht dagegen mildes Wetter mit strahlendem Sonnenschein und sehr guter Fernsicht.

Nun hört man gelegentlich, der Nebel sei in den vergangenen Jahren in Biel angestiegen, also die Nebelgrenze habe sich in höhere Lagen verlagert. Beim Vergleich des subjektiven Eindrucks der gestiegenen Nebelgrenze mit Messdaten der Meteorologie, zeigt sich ein anderes Bild. Über das Verhalten der Hochnebelgrenze gibt es keine aktuellen und aussagekräftigen Studien. Beispielsweise gibt es keine langjährigen Untersuchungen und Datenreihen zur mittleren Lage der Hochnebelgrenze im Herbst. Es lässt sich nicht wissenschaftlich beurteilen, ob die Hochnebelgrenze heute höher oder tiefer liegt als «normal». Und in der Folge lässt sich nicht ableiten, ob sich die Lage der Grenze über die Jahre verändert hat.

 

Feuchtigkeit? Luftzirkulation?

Frühere Untersuchungen von Meteoschweiz in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeigen bereits, dass keine klare Tendenz einer Erhöhung oder eines Sinkens der Nebelgrenze zu erkennen ist. Vielmehr scheint das Nebelmeer zu stagnieren oder allenfalls sogar ganz leicht zu sinken. In Regionen, in denen sich wie in Biel jedoch der subjektive Eindruck hartnäckig hält, stellt man fest, dass die Ursachen manchmal mit örtlichen Veränderungen der Luftzirkulation und der Verteilung von Feuchtigkeit direkt an der Nebelgrenze zusammenhängen. Auch vermuten Meteorologen, dass gewisse Veränderungen mit erhöhter Luftverschmutzung zu tun haben.

 

Erfahrungswerte helfen

Wo keine Messdaten vorliegen, helfen in Biel Erfahrungswerte aus der Immobilienbranche. Noch bis in die 90er-Jahre waren die bevorzugten Wohnlagen für Wohlhabende – damals gehörten die Ärztinnen und Ärzte dazu – im Beaumontquartier. Die Bilder im historischen Vergleich zeigen es deutlich auf: Bereits 1917 waren die Häuser neben der Mittelstation Beaumont Bürgerhäuser, die grundsätzlich bevorzugt in privilegierte Wohngebiete gebaut wurden. Die Besiedlung ist zu dem Zeitpunkt noch nicht sehr dicht. Erst in der zweiten Hälfte des 
20. Jahrhunderts nimmt die Bebauung der Juraanhöhe Richtung Beaumont rapide zu. Die Wohnlage mit Sicht auf die Alpen wird zum «place to be». Heute ist das Beaumont-Quartier dicht besiedelt. Inzwischen sind aber nicht nur die Löhne der Belegsärztinnen und -ärzte durch internationale Konkurrenz und Überdenken des Gesundheitswesens erodiert. Auch das Beaumont ist erschwinglicher geworden; zwar ist das Quartier heute noch vornehmlich mit grossen Villen bebaut – allerdings sind viele davon inzwischen zu Mehrfamilienhäusern umgenutzt worden. Wer sich heute eine Villensituation mit Alpensicht leisten will, zieht in höhere Wohnlagen, um sicher zu sein, die Alpen auch tatsächlich zu sehen. Leubringen und Magglingen sind in den wochenlangen Hochnebeltagen der Bieler Winter sonnen- und sichtsicherer.

Stichwörter: Früher, Heute, Serie, Region, Biel

Kommentare

Biennensis

@dpabiel, da ich bin genau der gleichen Meinung. Noch in den 70er-Jahre war die Nebelgrenze meist unterhalb von Leubringen/Evilard anzutreffen. Ich bin der Ansicht, dass sich die Nebelgrenze bei anhaltender Schönwetterlage im Herbst (ohne Bise!) ca. 300 Meter nach oben verschoben hat. Heute steckt Leubringen/Evilard mitten im Nebel oder meist sogar darunter, was früher in einem so hohen Ausmass nie der Fall war.


dpabiel

es stimmt eben doch. Auch wenn es diesbezüglich keine Studien zu geben scheint, ältere Bieler wissen es, dass vor allem im Januar und Februar die dichte Hochnebelschicht manchmal über mehrere Wochen unterhalb des Beaumont und unterhalb des Hohfluh lag. Wenn es hiess "Magglingen hell" standen die Fahrgäste des Magglingenbähnli bis in die Seevorstadt Schlange und die Bahn fuhr ununterbrochen um alle sonnenhungrigen Bieler nach Magglingen zu bringen. Die Leubringenbahn fuhr unterhalb es Beaumont aus dem Nebel. Dafür gab es in den vierziger Jahren noch schneereiche Winter, so dass ma mit Ski und Schlitten vo der Hohmatt bis in die oberen Quartiere von Biel fahren konnte^. Noch in den Fünfzigern habe ich mit Schulklassen Skinachmittage verbracht, an denen wir mehrmals die Strecke Magglingen über Leubringen (Wyshusmatte) bis zur Station Hohfluh fuhren.


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