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Grüne

Die Pioniere der grünen Welle

Bei den nationalen Wahlen im letzten Herbst gingen sie als Sieger hervor. Nun hoffen die Grünen bei den städtischen Wahlen auf zusätzliche Sitze im Stadtrat. Sie kämpfen gegen den Westast, für eine Velo-Allee – und dafür, die grünste Partei zu bleiben.

Zwei Bisherige: Myriam Roth fährt, Urs Scheuss geht lieber zu Fuss.  Matthias Käser
  • Dossier
Hannah Frei
 
Urs Scheuss ist Präsident der Grünen Biel – und er fährt kaum Fahrrad. Klimaschutztechnisch sei das aber kein Problem, sagt der 45-jährige Stadtrat, und verweist darauf, dass er hauptsächlich zu Fuss und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sei. Einen Führerausweis hat er jedenfalls nicht. Myriam Roth, Stadträtin und Vize-Präsidentin der Grüne-Fraktion im Stadtrat, hingegen schon. Unterwegs ist die 29-Jährige aber meist mit einem alten Damenfahrrad, einem Geschenk ihrer Grossmutter.
 
Was die Bieler Verkehrspolitik betrifft, ziehen die beiden aber am selben Strick: Die Fussgängerinnen und Velofahrer sollen mehr Raum erhalten und der motorisierte Individualverkehr stärker eingeschränkt werden.
 
Passend zum Thema wählten sie den Bieler Strandboden als ersten Ort für den Stadtrundgang mit dem «Bieler Tagblatt». Würde der umstrittene A5-Westast gemäss der vorliegenden Planung gebaut, würde aus dem Strandboden für mehr als zehn Jahre eine Baustelle, sagt Scheuss. «Der Strandboden würde als Naherholungsgebiet zerstört.» Zudem werde der Westast so zu einem Keil zwischen See und Stadt. Scheuss und Roth wünschen sich das Gegenteil: eine Verbindung zwischen den Quartieren, dem Stadtzentrum und dem See. Eben das, was das Projekt Velo-Allee des Vereins Pro Velo Biel-Seeland bieten würde.
 
Dahinter stünden die Bieler Grünen, so Scheuss. Und Roth sowieso, ist sie doch Mitglied bei Pro Velo Biel-Seeland. Die geplanten Projekte der Stadt zu Förderung des Langsamverkehrs, unter anderem der Richtplan für die verkehrlich flankierenden Massnahmen für den A5-Ostast und der Sachplan Velo, sind für die Grünen zu wenig. «Bei der Verkehrspolitik liegen wir weit zurück. Die Fahrradfahrer und Fussgängerinnen hätten schon lange mehr Raum erhalten müssen», sagt Scheuss.
 
Raum für Begegnungen schaffen
Der Ruf nach mehr Platz für Velofahrerinnen und Fussgänger führt den Stadtrundgang weiter Richtung Schüssquai, eben dort, wo die Velo-Allee gemäss den Initianten entstehen soll. Roth sagt, es gehe dabei nicht nur darum, eine bessere Verbindung zwischen Stadt und See für die Velofahrer zu schaffen, sondern auch um die Aufwertung der gesamten Fläche. «Der öffentliche Raum in der Stadt soll grüner werden und Platz für Begegnungen bieten», sagt sie. Und man begegne sich eben nicht dadurch, dass jeder in seinem eigenen Auto durch die Stadt fahre, sondern mit ausgiebigen Fussgängerzonen und kulturellen Angeboten. «Das ist für mich Lebensqualität.»
 
Zudem sei es in Anbetracht der Klimaerwärmung zwingend notwendig, dass keine weiteren Anreize für den motorisierten Individualverkehr geschaffen werden, besonders nicht in Städten.
 
Der Klimaschutz. Ein Thema, das spätestens seit vergangenem Jahr nicht nur bei den Grünen ins Parteiprogramm gehört. «Heute möchten fast alle Parteien ein grünes Mäntelchen tragen», sagt Scheuss. Doch was bleibt den Grünen dann? «Wir waren von Anfang an die treibende Kraft, wenn es um den Klimaschutz geht.» Bereits 2008 lancierten sie die Bieler Klimainitiative. Als weiteres Beispiel nennt er erneut den A5-Westast. Die Grünen seien die erste Partei gewesen, die sich geschlossen gegen das Projekt gestellt habe.
 
Grundsätzlich seien die Grünen auch immer noch grüner als die SP, die Sozialdemokraten hingegen einen Ticken sozialer. Scheuss verdeutlicht dies mit einem Spruch, der am Kandidierendentag gefallen sei: «Die SP will, dass sich jede und jeder ein Auto leisten kann. Die Grüne hingegen will, dass gar niemand ein Auto braucht.»
 
Roth präzisiert, dass in der heutigen Zeit die Themen Umwelt und Soziales nicht losgelöst voneinander betrachtet werden könnten, und spricht dabei unter anderem die Klimaflüchtlinge an. Aber auch die Anbindung von Quartieren wie beispielsweise Madretsch oder Mett ans Stadtzentrum. Durch die Schaffung von Begegnungszonen auf der Strecke zwischen Zentrum und Quartieren würde man sowohl das Soziale als auch den Klimaschutz fördern.
 
Schüssinsel als Vorzeigebeispiel
Am Schüssquai entlang geht es weiter Richtung Schüssinsel. Doch bis dahin gilt es einige Male, Strassen zu überqueren und den Baustellen auszuweichen. Für Myriam Roth ist dies keine befriedigende Verkehrslösung. Der Abschnitt zwischen Zentralplatz und Stadtpark weise für den Langsamverkehr momentan die schlechtesten Bedingungen auf dieser Strecke auf.
 
Ein paar Minuten später, ein paar hundert Meter weiter, angekommen bei der Schüssinsel, fühlt sich Roth wieder wohler. Es ist der Ort, den Scheuss und Roth als Vorzeigebeispiel für ein gelungenes Aufwertungsprojekt in der Stadt ausgewählt haben. Hier komme alles zusammen, sagt die diplomierte Pflegefachfrau Roth: Platz für Spaziergängerinnen, Jogger, Velofahrerinnen, zum Verweilen in der Mittagspause und für Kinder, die sich austoben wollen. Und Scheuss ergänzt: «Es ist eben nicht nur ein Park, sondern auch eine Verbindung zwischen Quartier und Stadt. Nun fehlt nur noch die Fortsetzung bis zum See.»
 
Hoffnung auf 15 Sitze
Den städtischen Wahlen sieht Parteipräsident Scheuss erwartungsvoll entgegen. In der Partei ist er als Vorstandsmitglied auch auf kantonaler Ebene tätig, beruflich sogar auf Bundesebene als Stellvertretender Generalsekretär der Grünen Schweiz. Nach dem Sieg der Grünen bei den letztjährigen nationalen Wahlen hofft er, dass seine Partei auch bei den Bieler Wahlen zulegen kann.
 
Es gelte nicht nur, die bestehenden acht Sitze im Stadtrat und den Sitz der abtretenden Gemeinderätin Barbara Schwickert zu verteidigen, sondern auch um zusätzliche Sitze im Stadtrat. Gemessen am Erfolg auf nationaler Ebene könnten die Grünen im besten Fall bis zu sieben Sitze zulegen, sagt Scheuss. An Interessierten fehlt es der Partei jedenfalls nicht: Insgesamt 34 Kandidatinnen und Kandidaten haben sich aufstellen lassen.
 
Dies trotz der coronabedingten kurzen Zeit für die Kandidierendensuche. «Dieses Jahr war das anders als in früheren Jahren. Und wir sind davon überzeugt, dass alle Kandidierenden das Amt mit viel Herzblut ausführen würden.» Aber am wichtigsten sei, die linke Mehrheit im Bieler Parlament aufrecht zu erhalten.
 

Liste der Grünen, junge Grüne und Gewerkschaften

Lena Frank, 1989, bisher
Isabelle Iseli, 1985
Daniela de Maddalena, 1958, bisher
Bettina Epper, 1974, bisher
Benedikt Loderer, 1945, bisher
Myriam Roth, 1991, bisher
Stefan Rüber, 1980, bisher
Urs Scheuss, 1975, bisher
Jorge Cancio, 1974
Loic Charrière, 1992
Laurent Delémont, 1975
Astrid Frischknecht, 1968
Etienne Hersperger, 1977 
Anna Knecht-Rickenbach, 1969
Sezer Kula, 1984
Jana Kula, 1991
Michel Leyvraz, 1956
Nadia Magnin, 1986
Marion van der Meer, 1978
Yannick Rochat, 1983
Christophe Schiess, 1974
Elisha Schneider, 1953
Ariane Tonon, 1958
Naomi Vouillamoz, 1979
Christoph Walther, 1959
Philippe Weber, 1982
Muriel Beck Kadima, 1961
Maurice Camille, 1961
Gabriela de Vries, 1973
Lucas Dubuis, 1979
René Frisch, 1967
Fabrice Juchler, 1993
Marlène Künzler, 1979
Verena Soncini, 1955   haf

 

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