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„Krawattenzwang“

Eigentlich sinnlos – aber wunderbar

Im persönlichen Blog berichtet Bernhard Rentsch, publizistischer Leiter der Gesamtredaktion und Chefredaktor „Bieler Tagblatt“ wöchentlich über Erlebnisse im privaten wie im beruflichen/gesellschaftlichen Leben – dies immer mit einem Augenzwinkern. Heute: Eigentlich sinnlos – aber wunderbar.

Krawattenzwang: Bernhard Rentsch
  • Dossier

81 Jahre alt ist sie, die Bieler Braderie. Und in der Tat nicht wegzudenken. Ein Start in die Sommerwochen ohne Braderie in Biel – unmöglich. Am Wochenende war das Programm für viele Bieler und Seeländer klar.

Wie im BT vom Montag in Erinnerung gerufen, ging es ursprünglich darum, den Geschäftsgang der kriselnden Innenstadtgeschäfte anzukurbeln. Lange war es dann der Startschuss zum Sommer-Ausverkauf. Heute ist es ganz einfach ein Sommerfest mit Schnäppchenjagd, mit Sehen und Gesehen-Werden und mit Geniessen. Viele Fremde fragen, was wir da am Wochenende an der Braderie eigentlich tun. "Meist nichts gezieltes", so die Antwort. Manchmal ist der Hauptteil des Besuches das mehrmalige Hin- und Herlaufen. Eigentlich sinnlos – aber wunderbar.

Die Braderie im Rückblick über einige Jahre zeigt zwei Seiten: Zum einen die Fähigkeit, sich anzupassen. War es einmal ein grosser Umzug, der die Massen anzog, sind es seit einigen Jahren Konzerte auf dem Zentralplatz und ein riesiges Unterhaltungsangebot in den unzähligen Zelten der Innenstadt. Erstmals war in diesem Jahr die Pflicht zur Nutzung von Mehrwegbechern, die für Diskussionen sorgte. Als Konsument verlief der Wechsel für mich problemlos (dazu auch die aktuelle Frage der Woche auf der BT-Webseite). Hinter den Kulissen war der (neue) Aufwand gross und entsprechend häuften sich auch die negativen Stimmen. Das wird sich rasch einpendeln, die "Fehler" der Premiere werden korrigiert. Zum anderen ist etwas sympathisch Bewahrendes und Immer-Gleichbleibendes ein festes Element der Braderie. Dass man seit Jahren die gleichen Stände am gleichen Ort findet, ist langweilig und spannend zu gleich. Seien Sie ehrlich: Auch Sie steuern immer wieder die gleichen Orte an, um sich dann zu wundern, dass in der Tat die gleichen oder ähnliche Angebote wie im Vorjahr warten...

Denn: "Biel lässt sich nicht unterkriegen". Das war bereits nach der ersten Braderie 1936 die positive Bilanz. Dem gilt es bis heute nichts anzufügen. Vom Selbstbehauptungswille der Stadt war die Rede. Das klingt etwas pathetisch, trifft den Nagel aber ziemlich genau auf den Kopf.

Ich begrüsse und schätze Orte, wo man sich persönlich begegnet, sich kurz über Wichtiges oder Unwichtiges unterhält und für einen Moment aus dem (hektischen) Alltag fliehen kann. Deshalb: Braderie ja – immer wieder. Ein grosses Merci an all diejenigen, die das ermöglichen. Und ein grosses Merci auch an all diejenigen, die zwar keine Freude haben, aber der Braderie immer wieder mit Toleranz begegnen.


brentsch@bielertagblatt.ch

Twitter: @BernhardRentsch

 

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