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Architektur

Ein Haus für das Volk – und eines für die Elite

1923 wurde das Bieler Bahnhofsquartier komplett umgestaltet. Dabei entstanden die beiden grossen Gebäude, die der Bahnhofstrasse ihr charakteristisches Gesicht geben.

Das Hotel Elite, Bilder: mémreg/Tanja Lander
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Volkshäuser öffneten überall in der Schweiz seit dem Aufschwung der Arbeiterbewegung ab 1900 ihre Türen. Hier sollten Arbeitnehmende nicht nur Lokalitäten für Anlässe und das gesellige Bei-sammensein nutzen können; Volkshäuser standen ebenso für die Idee, Arbeiterinnen und Arbeiter darin auszubilden, ihre Interessen zu wahren und zu vertreten.

Die Arbeiterbewegung Biels, hervorgegangen aus der 1888 gegründeten Arbeiterunion, einem Verbund von Arbeitervereinen aus Biel, wuchs sehr stark. Dies führte 1920/21 zum Umschwung: erstmals wurde Biel «rot» regiert und die Linke ist bis heute weitgehend unangefochten. 1921 rückte für die Verantwortlichen die Umsetzung eines grösseren Vereinslokals der Arbeiterbewegung in greifbare Nähe. Das Lokal am Juraplatz, das die Gewerkschaften mieteten, war seit Langem zu klein geworden.

 

Ziegel aus dem Rheinland

Das Volkshaus wurde in den Jahren 1929 bis 1932 gebaut. Nebst grossem Saal und Gastronomie-Teil, befand sich im Turm ein Hotel. Der Architekt Eduard Lanz baute das ganze Gebäude mit Backsteinen, genauer Klinker. Klinker ist ein besonders harter Ziegelstein, der bei teilweise über 1000 Grad gebrannt wird. So wird der Stein gegenüber Säuren, Laugen, Druck und Feuchtigkeit widerstandsfähig und eignet sich dadurch besonders gut als Aussenschutz. Es gibt verschiedene Ausführungen des Klinkersteins.

Für das Volkshaus Biels wurde Klinker aus dem Rheinland verbaut: Dieser zeigt eine besonders dunkle Färbung aufgrund des dort üblichen Beimischens von Kohle zur Tonerde, dem Grundmaterial aller Backsteine. Klinker kam erstmals gegen Ende des 19. Jahrhunderts für die Verblendung von Bahnbauten zum Einsatz. Der Name geht dabei auf «klinker» aus dem Niederdeutschen und Niederländischen zurück, was klingen bedeutet und auf den hellen Klang hinweist, der beim Schlagen gegen Klinkersteine ertönt.

Um das geplante Volkshaus mit Subventionen zu unterstützen und dies beim bürgerlichen Lager politisch durchzubringen, trat man das Terrain vis-à-vis des Terrains, wo heute das Volkshaus steht, an die Industriellen ab. Dort, auf dem Gelände des alten Bahnhofs, sollte ein Luxushotel errichtet werden. Dies war längst ein Wunsch, diesmal jedoch von Industriellen und Bürgerlichen, die seit 1926 für ausländische Uhrenhändler gebührende Unterkünfte forderten. So sind die einander gegenüberliegenden Gebäude seit der Grundsteinlegung als eine Art gegensätzliche Zwillinge zu betrachten: das Volkshaus, wie der Name schon sagt, ein Haus «für das Volk» und das Hotel Elite, nichts weniger als ein Bau für die «Elite».

 

Wirtschaftlichkeit geht vor

Heute sind die gehaltvollen und vormals hehren Grundideen hinter beiden Bauten Schall und Rauch: In Zeiten von Profitmaximierung und Steigerung der Effizienz ist wenig Platz für Schöngeistiges. Beide Gebäude und ihre Betriebsräume werden heute von einem Grosshändler (Elite) und einem lokalen Grossunternehmer (Rotonde) betrieben.

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