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Biel

Eine Velo-Allee von der Schüssinsel bis zum See

Neben einer Velohochstrasse entlang der Bahngleise fordert Pro Velo Biel nun auch eine Velostrasse entlang der Schüssquais. Für den Stadtpräsidenten Erich Fehr ist das Projekt nicht zu Ende gedacht.

Auf dem Unteren und Oberen Quai sollen die Buslinien verschoben und die Parkplätze aufgehoben werden.  Bilder: Matthias Käser
Hannah Frei
 
Eine ebene Veloverbindung von der Bieler Schüssinsel bis zum Seeufer: Das fordert der Verein Pro Velo Biel/Bienne-Seeland-Jura bernois mittels Petition. Heute Abend hatte der Verein bisher über 1300 Unterschriften zusammen, innert fünf Tagen. Gefordert wird, dass die Schüssquais zur Velo-Allee umgewandelt werden. Die Schüssquais würden für den motorisierten Individualverkehr jedoch nicht gänzlich gesperrt, aber die Parkplätze sollen weichen. Es gehe darum, den Velofahrerinnen und Velofahrern den Vortritt zu überlassen und eine breite Spur für sie zu schaffen, so Matthias Rutishauser, Geschäftsleiter der zuständigen Pro-Velo-Sektion. Eine weitgehend barrierefreie Strecke, auf der die Velofahrer kaum anhalten müssen. Die Buslinien würden auf die Dufourstrasse versetzt werden.
 
Zudem fordert die Petition erneut die Umsetzung einer Velohochstrasse der Bahngleise entlang zwischen dem Mühlefeldweg und dem Unteren Quai (das BT berichtete).
 
Pilotprojekt in Bern und Basel
Die sogenannten Velostrassen sind ein neues Verkehrsregime, das 2016 und 2017 in den Städten Basel, Bern, St.Gallen, Zürich und Luzern im Rahmen eines Pilotprojekts in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Strassen (Astra) getestet wurde. Auf diesen Strassen gilt beispielsweise Tempo 20 oder 30, auf Rechtsvortritte wird weitgehend verzichtet, Vortritt haben stets die Velos.
 
In Bern blieben die beiden Velostrassen, eine davon in der Länggasse und die andere im Breitenrain, bis heute bestehen. Die Stadt zeigt sich überzeugt von dem neuen Verkehrsregime, wie sie in einer Medienmitteilung schreibt. Befragungen nach der Pilotphase hätten gezeigt, dass die Strecken mit dem neuen Regime für die Velofahrer attraktiver wurden, während sich die Situation für Autofahrerinnen und Fussgänger hingegen kaum verändert habe.
 
Das Astra kam hingegen zu einem ernüchternden Ergebnis: «Die Resultate aus den Pilotversuchen liefern keine eindeutigen Aussagen zur Zweckmässigkeit von Velostrassen.» Sie würden zwar nicht schaden, aber auch nicht wirklich etwas bringen. Aufgrund der kurzen Laufzeit der Pilotversuche und die tiefen Fallzahlen lasse sich auch nicht sagen, ob Velostrassen sicherer seien. Doch Bern hielt am Konzept fest. Die Velostrassen bleiben bestehen, bis der Bund darüber entscheidet, ob das Verkehrsregime ins ordentliche Recht aufgenommen werden soll. Dies soll noch in diesem Jahr der Fall sein. In anderen Ländern hat die Velostrasse längst Einzug gefunden, beispielsweise in den Niederlanden.
 
Auch im Bieler Stadtrat war die Forderung nach einer Velostrasse vor etwa einem Jahr schon einmal Thema, ein Vorstoss dazu wurde mit knapper Mehrheit gutgeheissen. Seither liegt das Dossier beim Gemeinderat.
 
Dieses holt der Verein Pro Velo nun wieder hervor. Gemäss seiner Petition sollen auf den Velostrassen auch Elektrovelos einen separaten Platz erhalten. Ob ein- oder zweispurig, Tempo 20 oder Tempo 30, temporär oder langfristig, gibt der Verein hingegen nicht vor. «Wir sind keine Verkehrsplaner», sagt Rutishauser, der in Biel wohnt und sowohl mit dem Fahrrad als auch mit dem Auto unterwegs ist.
 
Während der Coronapandemie wurde laut Rutishauser deutlich, dass Städte und Kantone sehr wohl in der Lage seien, innert kürzester Zeit etwas Neues zu erschaffen – auch im Verkehr. So wurden beispielsweise Strassenabschnitte temporär gesperrt, um mehr Platz für die Gastrobetriebe zu erhalten. Zudem sei die Zahl der Velofahrerinnen und Velofahrer in Biel während der Coronakrise deutlich gestiegen, so Rutishauser.
 
Das Aufwertungsprojekt der Schüssquais, das vor ein paar Tagen von der Stadt präsentiert wurde, geht für Rutishauser in die richtige Richtung. Doch die Umsetzung soll schneller erfolgen, als der mehrjährige Prozess für die Aufwertung dauern wird. Die Stadt nutze das Potenzial für den Veloverkehr längst nicht aus. Denn die flache Topografie im Stadtzentrum sei bestens für eine solche Velostrasse geeignet. Auch die kürzlich gesprochenen Massnahmen in der Coronakrise, pro Person 50 Franken an die Veloreparatur zu bezahlen, seien nur ein Tropfen auf den heissen Stein. «Biel ist in den Köpfen immer noch eine Autostadt», sagt Rutishauser. Mit der Velostrasse soll sie einen weiteren Schritt in Richtung Velostadt wagen.
 
Fehr stellt sich gegen Petition
Die Stadt Biel strebt bei ihrer Raumplanung seit Jahren die Förderung des Langsamverkehrs und damit auch des Velonetzes an. Sowohl in der Gesamtmobilitätsstrategie als auch bei der bereits erwähnten Neugestaltung der Schüssquais erhalten die Velofahrerinnen und Velofahrer einen hohen Stellenwert. Trotzdem äussert Stadtpräsident Erich Fehr (SP) Kritik an der Petition. Denn werde das Fahrrad priorisiert, müssten auch die anderen Verkehrsträger darunter leiden, in der Forderung der Petition unter anderem der ÖV. «Ich finde es nicht zielführend, wenn das Velo gegen den ÖV ausgespielt wird», so Fehr. Grundsätzlich würden der Verein Pro Velo und die Stadt Biel dasselbe Ziel verfolgen, nämlich die Förderung des Langsamverkehrs und damit auch der Velofahrer. «Es gibt genügend Hürden, die wir gemeinsam überwinden müssen. Wir sollten zusammen und nicht gegeneinander arbeiten.» Die Gesamtmobilitätsstrategie der Stadt baue schliesslich auf der von Pro Velo mitlancierten «Städteinitiative» auf und setze auf eine sinnvolle Kombination von Velo, Fussverkehr und ÖV.
 
Auch die Forderung nach einer Extra-Fahrspur für E-Bikes wirft bei Fehr Fragen auf. Dies sei besonders bei den Kreuzungen, unter anderem am Zentralplatz, kaum vorstellbar. Velostrassen würden lediglich über längere Strecken und ausserhalb von Stadtzentren Sinn ergeben, wo die Berührungspunkte zu anderen Verkehrsteilnehmern gering seien, beispielsweise vom rechten Seeufer ins Bözingenfeld. Solche Projekte würden zurzeit bereits mit der Agglomeration und dem Kanton diskutiert. «In der Innenstadt ist es nahezu unmöglich, eine reine Velostrasse einzuführen», sagt Fehr.
 
Der Stadtpräsident ist davon überzeugt, dass Biel bereits heute eine Velostadt ist, auch von der Topografie her. In den letzten Jahren habe man das Verkehrsnetz für die Velofahrerinnen und Velofahrer ausgebaut, es entstanden zusätzliche Veloparkplätze, ein Veloverleih-System und Velowege, wie beispielsweise auf der Schüssinsel. Aber er sei sich bewusst, dass das Potenzial noch nicht ausgeschöpft ist. Auch deshalb werde der Veloverkehr bei der aktuellen Raumplanung hoch gewichtet. Doch eine nachhaltige Umkrempelung von der Industrie- und Autostadt zur Velostadt benötige nun halt Zeit. «Man kann die Stadt nicht vom einen auf den anderen Tag umstechen. Das braucht Zeit», so Fehr.
 
Temporär wäre zeitintensiv
Zeit. Das ist, was der Verein Pro Velo nicht verstreichen lassen möchte. Mit der Velostrasse soll es schnell gehen, allenfalls auch nur als temporäre Massnahme. Doch diesbezüglich hat die Stadt wenig Spielraum, wie Baudirektorin Barbara Schwickert (Grüne) sagt. Denn temporäre Massnahmen, beispielsweise die Sperrung einer Strasse für den motorisierten Individualverkehr, dürfen maximal acht Tage lang umgesetzt werden. Bleiben diese länger, muss neben dem Gemeinderat auch der Kanton darüber befinden und ein Gesuch dafür publiziert werden, mit entsprechender Einsprachefrist. Dies wurde der Stadt letzten Sommer in Erinnerung gerufen, als sie für die sogenannten Sommerinseln die Karl-Neuhaus-Strasse ohne ein solches Gesuch sperrte und daraufhin gerügt wurde (das BT berichtete).
 
Und in der Regel dauere ein solches Verfahren mindestens ein Jahr, sagt Schwickert. Eine Ausnahmeregelung aufgrund der besonderen Lage während der Coronapandemie gebe es im Bezug auf das Verkehrsregime nicht.

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