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Biel

Erfolglose Suche nach dem Kompromiss

Der Graben zwischen den Linken und den Bürgerlichen prägte die gestrige Budgetdebatte im Stadtrat. Beide Seiten betonten, wie kompromissbereit sie bereits gewesen sind - und konnten sich doch nicht einigen.

Finanzdirektorin Silvia Steidle (PRR) redete den Stadträten ins Gewissen. copyright: peter samuel jaggi/bieler tagblatt/a

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von Jacqueline Lipp

Der Bieler Stadtrat hat gestern das Budget 2016 diskutiert. Zur Debatte standen zwei Varianten, die sich in der Steueranlage und wenigen anderen Punkten unterscheiden (siehe Infobox). Stadtratspräsident Werner Hadorn bezeichnete das Budget gleich zu Beginn als «Pièce de Resistance» - eine nicht allzu gewagte Prognose. Denn noch bevor einzelne Punkte besprochen wurden, riss der bekannte Graben zwischen Linken und Bürgerlichen auf.

Anlass dafür waren die gemeinsamen Anträge von SP, Grünen und Passerelle. Sie wollen damit eine «linke» Alternative zur Variante 1 erreichen, zu der sich die bürgerlichen Parteien bekannten. Fritz Freuler, Fraktionssprecher der Grünen, stellte klar: «Was uns vorliegt, ist kein Kompromiss, sondern ein weiteres Abbaubudget nach bürgerlichem Geschmack.» Ein «faires Vorgehen», so Andreas Bösch (Grüne), wäre es, wenn die Bevölkerung zwischen einem bürgerlichen und einem linken Budget entscheiden könnte.

Was will die Bevölkerung

Rotgrün verlangte deshalb, als «politisches Sprachrohr des Komitees ‹Biel für alle›», dass die Subventionen für acht Institutionen weiterhin bezahlt werden, dass die Klassengrössen nicht erhöht und in der Verwaltung weniger gespart wird. Kurz: Dass ein Grossteil der im Frühling gefällten Entscheide der Nachhaltigen Haushaltssanierung wieder rückgängig gemacht werden. Doch dagegen wehrten sich die Mitte-Rechts-Parteien vehement. Bereits damals habe man viele Zugeständnisse gemacht, argumentierten die Sprecher der Bürgerlichen, zum Beispiel, indem man einer Steuererhöhung von einem Zehntel zustimmte.

Beide Seiten betonten, wie stark sie bereits nachgegeben hätten - doch auf einen gemeinsamen Kompromiss konnten sie sich trotzdem nicht einigen.

Besonderen Anstoss erregte die Idee der Linken, bei beiden Vorschlägen dieselbe Steueranlage festzusetzen. Nur so könne der Stimmbürger entscheiden, ob er die Leistungen wolle oder nicht. «Das ist ein Witz», entgegnete Alain Pichard (Grünliberale). «Wir können kein Geld ausgeben, wenn wir kein Geld haben», sagte auch Stefan Kaufmann (FDP).

Darüber entfachte sich eine fast zweistündige Diskussion. Der Stadtrat konnte sich nirgends einigen - nicht in der Frage, wie die Varianten aussehen sollen und nicht einmal in der Frage, ob der Bevölkerung eine oder zwei Varianten vorgelegt werden sollen.

Steidle mahnt die Stadträte

Finanzdirektorin Silvia Steidle (PRR) warnte die Stadträte vor einem Scheitern. «Wir brauchen ein Budget. Eine Rückweisung hätte schwerwiegende Konsequenzen für das Funktionieren unserer Stadt.»

Sie erinnerte an das Jahr 2014, als das Budget an der Urne abgelehnt wurde und die Stadt während drei Monaten nur die nötigsten Ausgaben tätigen durfte. Ihr Appell zeigte Wirkung: Der Stadtrat unterbrach die Sitzung für eine Viertelstunde. Hinter den Kulissen wurde während dieser Pause intensiv verhandelt.

Andreas Bösch (Grüne) verkündete nach der Pause das mit Spannung erwartete Resultat. Die Linken halten an der Forderung fest, zwei Varianten mit demselben Steuerfuss zur Abstimmung zu bringen. Allerdings zog Rotgrün alle Anträge zurück, ausser jene, welche die Subventionen der acht Institutionen (Schwanenkolonie, Multimondo, Dargebotene Hand, Cartons du Coeur, Ludothek, Gassenküche, AJZ, Pro Senectute) betreffen.

Der Vorschlag der Linken stiess allerdings nicht auf Gegenliebe. Stefan Kaufmann (FDP) bemängelte die fehlende Basis für ein gemeinsames Vorgehen. «Dieser Kompromiss kommt von unserer Seite her nicht zustande.» Auch Adrian Dillier (SVP) hielt fest: «Ein Kompromiss mit den Linken ist nicht möglich, die Meinungen gehen zu stark auseinander.» Der erhoffte Schulterschluss blieb aus. Wie es weitergeht, wird sich heute Abend zeigen, wenn die Detailberatung über die einzelnen Punkte im Budget stattfindet.

Zwei Petitionen eingereicht

Zu Beginn der Sitzung haben die Ludothek und der Verein Pro Schwanenkolonie dem Stadtratspräsidenten je eine Petition überreicht mit insgesamt über 1000 Unterschriften für den Erhalt der jeweiligen Subventionen. Beide Institutionen fallen in Variante 1 dem Sparhammer zum Opfer, in Variante 2 bekämen sie jährlich 40 000 Franken.

Weiter hat der Stadtrat vor der Budgetdebatte der Schaffung einer Spezialfinanzierung zugunsten des städtischen Personals zugestimmt. Denn aufgrund der Sparmassnahmen werden voraussichtlich sieben Stellen gestrichen. Um Härtefälle bei Angestellten abzufedern, wurde eine Spezialkasse mit drei Millionen Franken geschaffen.

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Die zwei Varianten

Der Gemeinderat schlägt für das Budget 2016 zwei Varianten vor. Beide basieren grösstenteils auf den Entscheiden der Nachhaltigen Haushaltssanierung. Sie unterscheiden sich in drei Punkten. 

• Variante I: Der Steuerfuss wird um 0,1 auf 1,63 Zähler erhöht. Das Minus beträgt 2,9 Millionen Franken. 

• Variante II: Der Steuerfuss wird um 0,15 auf 1,68 Zähler erhöht. Die Schul-Skilager, die Ludothek und die Schwanenkolonie werden weiter unterstützt. Es resultiert ein Gewinn von 130 000 Franken. eva

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