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Titelgeschichte

«Es ist toll, weniger am Handy zu sein»

Eine Klasse der Fachmittelschule in Biel produziert im Rahmen einer Projektarbeit fünf Seiten «Kontext». Das ist aber nicht das einzige Experiment: Zwei Schülerinnen verzichten eine Woche lang auf ihre Smartphones.

Keine Täuschung: Am vierten Tag hatten die Autorinnen bei ihrem Experiment zwar eine kleine Krise. Aber sie hielten durch und mogelten nicht. Bild: Hannah Burri-Moret

Sophie Zesiger, Julia Zweifel

«Heute kann man sich den Alltag ohne das wohl meistverwendete Accessoire gar nicht mehr vorstellen. Ein Leben ohne Handy? Wie soll das gehen? Die mobilen Telefone sind aus unserem Alltag kaum mehr wegzudenken. Wir, zwei Schülerinnen der Fachmittelschule (FMS) in Biel, haben uns der Herausforderung gestellt. Eine Woche lang verzichteten wir nicht nur auf unser Handy, sondern auf jegliche elektronischen Geräte. Wir durften in unserer Freizeit nicht fernsehen, nicht auf unsere Laptops schauen und keine Musik hören, ausser sie kam ohne unsere Einflussnahme aus einem Radio.

Aus unserem Umfeld gab es verschiedene Reaktionen auf unser Experiment. Eigentlich waren fast alle begeistert, allerdings liessen uns viele wissen, dass sie selbst eine handylose Woche wahrscheinlich niemals mit Erfolg absolvieren könnten. Kolleginnen und Kollegen aus unserer Klasse kommentierten es so: «Es würd mi stresse, so ne Wuche z mache.» Oder kurz mit: «viu Spass». Diese Rückmeldungen verstärkten nur unsere Motivation, diese Woche auch durchzuziehen.

Bevor wir uns diesem Experiment stellten, überlegten wir uns natürlich, was uns erwarten würde. Wir dachten nach, in welchen Situationen wir unser Handy aus Gewohnheit zücken. Dies geschieht ja nicht nur, wenn uns langweilig ist, sondern auch, wenn wir unseren Terminkalender oder den Stundenplan benötigen. Dazu kommt, dass wir auch gerne mal telefonieren. Deshalb schrieben wir uns zuerst einmal die wichtigsten Telefonnummern auf, die wir nicht auswendig konnten. Uns wurde schnell klar, dass wir einen Wochenplan benötigten, um in der richtigen Zeit am richtigen Ort zu erscheinen. Unsere Erwartungen an die handylose Zeit waren:Mehr Zeit für Freunde und Familie zu haben, aber auch, dass uns doch viele Dinge schwerer fallen würden als mit dem Handy.

Wir freuten uns auf die so gewonnene Zeit, in der wir unseren Hobbys nachgehen wollten. Wir hatten auch einige Erwartungen an uns selbst: Wir wollten uns nicht einfach langweilen, sondern unsere Zeit konstruktiv nützen. Wir überlegten uns, was die Jugendlichen machten, als es noch keine Handys gab. Versuchten sie, sich anders zu beschäftigen, nur um die Zeit vergehen zu lassen? Immer wieder überlegten wir uns, was wir selber alles in der freien Zeit machen könnten. Um einen gewöhnlichen Nachmittag neu zu gestalten, bliebe ohne Handy ja noch einige Zeit übrig.

Und wir setzten uns Ziele. Zum Beispiel Joggen zu gehen, ein Buch zu lesen oder feine Rezepte auszuprobieren. Wir erwarteten, dass wir im Alltag entspannter sein und uns auch an den kleinen Dingen im Leben erfreuen würden. Nicht, dass wir das sonst nicht täten, aber doch vielleicht noch etwas stärker.

In der Vorbereitung des Experiments haben wir uns mit der James-Studie befasst, die jedes zweite Jahr von der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften durchgeführt wird. James ist eine Abkürzung für Jugend, Aktivitäten, Medien, Erhebung und Schweiz. Einige Erkenntnisse der Studie von 2018: In ihrer Freizeit beschäftigen sich Jugendliche am liebsten mit audiovisuellen Medien, wenn sie alleine sind. Sie schauen Serien, Filme und Videos. Sportliche Aktivitäten wie Fussball spielen oder tanzen wurden ebenfalls häufig genannt.

Bevor unser Selbstversuch begann, befassten wir uns auch mit unserer durchschnittlichen Bildschirmzeit. Diese betrug circa 2,5 Stunden am Tag. In der James-Studie wird die durchschnittliche Handynutzungsdauer von Jugendlichen sogar auf 3,2 Stunden an einem Wochentag und 4,3 Stunden am Wochenende geschätzt. Die Zeit, die wir sonst an unserem Handy gewesen wären, ist also unterdurchschnittlich.

Dennoch mussten wir während unseres Experiments ungefähr 18 Stunden anders als mit dem Handy bewältigen. Das ist doch eine enorm hohe Zahl. Wenn wir im Nachhinein darüber nachdenken, erschrecken wir.

In der Schule gestaltete sich unser Alltag relativ einfach ohne Handy und PC. Wir konnten dem Unterricht sogar konzentrierter und fokussierter folgen. Aber in den Pausen, in denen wie üblich fast alle im Klassenraum am Handy waren, war uns teilweise langweilig. Zudem werden an der Schule viele Informationen via E-Mail versendet. Da wir während unseres Experiments auf diese Art nicht erreicht werden konnten, waren wir auf andere Personen angewiesen, die uns mit Nachrichten und Informationen versorgten.

In der Freizeit war es uns trotz der guten Vorsätze dann doch teilweise ziemlich langweilig ohne Handy. Wir verbrachten viel Zeit damit, zu lesen, zu malen, zu spazieren oder zu kochen. Unsere Familien hielten das Projekt zwar für eine gute Sache. Aber die Geschwister drückten doch manchmal einen Spruch raus wie: «I ga jetzt e Film ga luege, chunsch ou? Ah stimmt, du darfsch ja nid, haha.» Das Mitgefühl der Eltern hielt sich in Grenzen: Sie hatten in ihrer Jugend ja auch kein Handy.

Der Ehrgeiz packte uns wieder
Den Tiefpunkt unseres Experiments erlebten wir am vierten Tag. Bis dahin hatten wir alle alternativen Ideen schon einmal durchgespielt. Am fünften Tag ging es wieder ein bisschen besser. Dennoch überlegten wir uns, ob wir nicht schon jetzt wieder ans Handy gehen sollten. Doch der Ehrgeiz packte uns wieder. Als dann der ersehnte siebte und letzte Tag des Experiments kam, verspürten wir zwei sich widersprechende Gefühle. Einerseits Freude, wieder online und wieder auf dem Laufenden zu sein. Andererseits waren wir auch auf eine Art enttäuscht, dass die «friedliche» Zeit nun vorbei war.

Das Experiment war für uns eine sehr spannende Erfahrung. Es zeigte uns, wie viel heute über das Handy läuft und wie viel Zeit wir wirklich an unseren Mobiltelefonen oder am PC verbringen. Ohne Handy hatten wir viel mehr Musse für Kreativität, Erholung und auch einfach mal Zeit für Langeweile. Uns ist auch aufgefallen, dass wir während des Experiments viel mehr schliefen. Ob dies so war, weil es uns öfter langweilig war und wir mehr Zeit hatten, einfach einmal schlafen zu gehen, oder ob es war, weil wir mehr auf unseren Körper hören konnten, wissen wir allerdings nicht. Wir raten allen Jugendlichen, auch einmal eine Woche oder wenigstens ein bis zwei Tage lang ein solches Experiment zu machen: Es ist wirklich spannend.

Als wir wieder begannen, unsere Handys zu benutzen, hatten wir Probleme, am Abend einzuschlafen. Wir waren unruhig und hatten Mühe abzuschalten. Und wir wurden gar nicht mehr wirklich müde. Für uns ist klar: Das Handy macht vieles einfacher, aber es frisst auch viel Zeit und hat ein grosses Suchtpotenzial.

Ohne Handy geht fast nichts
Wir sind zum Schluss gekommen, dass wir in Zukunft öfter einen handyfreien Tag einlegen wollen. Unser Experiment hat uns geholfen, kreativer zu sein und wieder einmal Dinge zu machen, die wir sonst oft vernachlässigen. Den PC nicht zu brauchen, fanden wir nicht so schwierig, weil dieser, im Gegensatz zum Handy, doch eher ein Luxusartikel ist.

Das Handy aber brauchen wir. Ohne Handy geht kaum mehr etwas. Wenn man bedenkt, dass manche von uns bis zu fünf Stunden täglich am Handy sind, ist es doch sehr eindrücklich, wie viel Zeit wir gewinnen, wenn wir es an manchen Tagen nicht benutzen.

Es gibt Leute, die sagen, dass die Jugend von heute handysüchtig sei. Wir behaupten, dass dies nicht mehr nur die Jugend betrifft. Wir finden, dass dies auch nicht nur unsere Schuld ist, denn wir müssen heute fast ein Handy haben, weil sonst viele Informationen an uns vorbeigehen würden.

Etwas ist aber klar aus dem Experiment hervorgegangen: Weniger am Handy zu sein, ist toll.

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Style ist fast alles – wo aber bleibt die Nachhaltigkeit?

Lea Gruber,  Selina Niederer

Denken Kundinnen und Kunden, die in Brockenhäusern in der Region einkaufen, über Nachhaltigkeit nach? Eine Umfrage in Biel gibt einen Eindruck davon, was sie beim Kauf von Kleidern wirklich interessiert.

«Kleider machen Leute». Das galt nicht nur im 19. Jahrhundert, als Gottfried Keller seine gleichnamige Novelle schrieb. Dieses Thema beschäftigt auch heute fast alle Menschen, egal wie alt sie sind. Viele Konsumenten profitieren dabei von billiger Massenproduktion und ignorieren den verschwenderischen Umgang mit Ressourcen. Drei Schülerinnen haben sich gefragt, was die Menschen in der Region Biel über die Themen Nachhaltigkeit, Ressourcenverbrauch und faire Produktion von Kleidern denken. Deshalb besuchten sie an einem Donnerstagmorgen Bieler Brockenstuben, um dort Antworten auf ihre Fragen zu erhalten. Sie befragten dazu aber auch Menschen auf der Strasse.

8000 Liter Wasser für eine Hose
Die Autorinnen verstehen unter nachhaltiger Kleidung, dass sie fair produziert wird und unter schonender Verwendung der Umweltressourcen und mit wiederverwendbaren Materialien hergestellt ist. Wobei faire Produktion bedeutet, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter einen angemessenen Lohn erhalten und dass auf Kinderarbeit verzichtet wird.

Bevor sie die Leute befragt haben, informierten sich die Schülerinnen intensiv über das Thema Nachhaltigkeit und fanden viele, für sie auch verblüffende Fakten heraus: Zum Beispiel, dass für die Herstellung eines gewöhnlichen Baumwoll-T-Shirts im Durchschnitt 2500 Liter Wasser verwendet werden. Für eine Jeanshose sind es sogar zirka 8000 Liter.  

Der Konsum von ökologisch und fair produzierter Kleidung ist zwar gestiegen, bildet jedoch immer noch eine Ausnahme. Noch immer hat der Preis einen höheren Stellenwert als die Umweltverträglichkeit und die Art der Produktion, fanden die Schülerinnen heraus. Und weil Fairtrade-Kleider aus nachhaltiger Produktion viel teurer sind als normale Massenware, kann sie sich nur ein Teil der Bevölkerung leisten.

Heute seien Kleider zu einem Wegwerfprodukt geworden, heisst es in einer Maturaarbeit, die für das Gymnasium Biel verfasst wurde: Der Kleiderkonsum habe sich pro Person seit 1950 verfünffacht. Während 1950 pro Kopf und Jahr rund drei Kilogramm Textilien erworben wurden, sind es heute etwa 15 Kilogramm. Wobei dieser Anstieg vor allem auf die Online-Shops zurückzuführen sei.  

«Zahlen sind erschreckend»
So werden in der Schweiz pro Jahr allein von Zalando zirka 20 Millionen Pakete versandt. Etwa die Hälfte davon wird wieder zurückgeschickt. Diese Zahlen sind für die recherchierenden Schülerinnen ein Indiz dafür, dass die heutige Gesellschaft viel Wert auf das äussere Erscheinungsbild legt und Kleider wichtiger sind denn je: «Diese Zahlen sind für uns erschreckend und wir fragen uns, welche Gedanken sich Schüler und Erwachsene zu diesem Thema machen.»

Die meisten der von ihnen auf der Strasse befragten Menschen sagten, sie kauften ihre Kleidung in einer Brockenstube oder in Läden, wo hochwertige und qualitativ gut verarbeitete Kleider verkauft würden. Einige gaben an, ihre Kleider vor allem wegen ihrer finanziellen Situation in einem Secondhand-Laden einzukaufen. Erstens seien die Preise erheblich günstiger. Zweitens wollten sie damit aber auch nachhaltig handeln und die Kleider wiederverwenden.

So sagte etwa Gabrielle Moret: «Ich kaufe in Brockenhäusern, weil ich Nachhaltigkeit unterstütze und es meine finanzielle Situation nicht erlaubt, viel Geld für Kleidung auszugeben». Und Hans Liechti sagte, er lege vor allem Wert auf hochwertig verarbeitete Kleidung, die er lange tragen könne. Andere meinten, wenn sie die finanziellen Möglichkeiten hätten, achteten sie schon darauf, dass die Kleider gute Qualität hätten, doch das sei ihnen nicht immer möglich.

Die Schülerinnen sprachen die Konsumenten auch auf das Thema Kinderarbeit an. Die Befragten sagten, dass sie niemals Kleider kaufen würden, wenn sie wüssten, dass diese unfair hergestellt wurden. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn die Kleider sehr billig wären.

Die Angestellten im Brockenhaus Twix erzählten, dass sie selbst öfter ihre Kleider im Brockenhaus kaufen würden. Natürlich könne man in diesen Fällen nicht zurückverfolgen, wie die Kleider produziert wurden. Dennoch fanden die Verkäuferinnen und Verkäufer, die anonym bleiben wollten, dass es nachhaltiger sei, gebrauchte Kleider zu kaufen, als in Neuwaren zu investieren. Bei jedem Kleidungsstück, das noch einmal verwendet werde, könne man Ressourcen sparen. Damit leiste man einen Beitrag für die Umwelt. Zudem würden viele ihrer Kundinnen und Kunden sagen, dass sie Spass daran hätten, nach gebrauchten Einzelstücken zu suchen, da sie so einen eigenen Stil haben könnten, der nicht auf billiger Massenware beruht.

Einzigartiger Stil
Für die Autorinnen war nach ihren Interviews klar, dass sich die Bieler Bevölkerung zum Thema Nachhaltigkeit viele Gedanken macht. Ihre Erkenntnis aus den Gesprächen: «Heute leben wir umweltbewusster, trotzdem spielt für viele der Preis eine grosse Rolle.»
Und noch etwas haben die Schülerinnen herausgefunden: In Biel gibt es mehrere sehr schöne Brockenhäuser, bei denen sich ein Besuch lohnt. «Die Kleider sind zwar schon getragen, dennoch befinden sie sich in einem sehr guten Zustand.»  

Es gibt viele Menschen, die aufgrund ihres nicht sehr grossen Budgets in Brockenhäusern einkaufen, um so Geld zu sparen, sodass sie das Geld an anderen Orten sinnvoller einsetzen können. Aber auch für Menschen, die einen einzigartigeren Stil haben wollen, lohnt es sich, ab und zu ein Secondhand-Stück zu tragen. Ausserdem ist es sowieso spannender, wenn nicht alle die gleichen 0815-Klamotten tragen.

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Cannabis ist mehr als ein Rauschmittel 
Hanfprodukte können in der Medizin genutzt werden. Die Pflegefachfrau Nazmije Demi-Fetija hat eine Arbeit darüber geschrieben, wie sie bei Krebspatienten eingesetzt werden. Über Cannabis als Droge weiss die Bieler Suchtberaterin Stéphanie Meier Bescheid.

Natalia Blunier, Elena Gribi

Dass man Cannabis als Haschisch rauchen kann, ist das eine. Das andere ist, dass der Hanf ein grosses Potenzial in der Medizin hat. Auch im Seeland wird Cannabis als Medizin eingesetzt. Die 35-jährige Pflegefachfrau Nazmije Demi-Fetija kennt sich in der Materie aus. Sie arbeitet in einer Bieler Klinik und absolviert gerade ein Nachdiplomstudium in Onkologie-Pflege, das sie im Herbst abschliessen wird.

Dafür schreibt sie eine Abschlussarbeit, in der es um den Einsatz von Cannabis in der Medizin und in der Pflege geht. Denn gerade bei Krebspatienten kann Cannabis als Medikament eingesetzt werden.

Medizinische Anwendungen von Cannabis werden seit den 70er-Jahren klinisch getestet. Seit der faktischen Legalisierung des Hanfwirkstoffs CBD vor zwei Jahren wird Cannabis vermehrt auch in der Medizin eingesetzt. Cannabis helfe gegen Schmerzen, Übelkeit und Schlafprobleme und rege den Hunger an, erklärt Demi-Fetija.

Deshalb könne Cannabis für viele verschiedene Krankheiten eingesetzt werden, die diese Symptome aufweisen. In ihrer Abschlussarbeit schreibt Demi-Fetija, dass Cannabis auch bei chronischen Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes hilfreich sei.

Zudem könne es gegen Übelkeit und Erbrechen bei der Chemotherapie und für die Appetitsteigerung bei Aidskranken eingesetzt werden. «Es ist in der Regel kein Problem, von den Krankenkassen eine Kostengutsprache zu erhalten, wenn Cannabis als Medizin eingesetzt wird.»

«Ein natürliches Medikamentmit wenigen Nebenwirkungen»
Weil Cannabis nicht nur appetitanregend, sondern auch beruhigend wirke, könne es auch bei Krankheiten wie Epilepsie, Tourette und ADHS verschrieben werden. Und es werde auch bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen wie Angststörungen, die oft im Zusammenhang mit Depressionen und Psychosen stünden, eingesetzt, schreibt Demi-Fetija in ihrer Arbeit. «Es ist ein natürliches Medikament und hat nicht viele nachgewiesene Nebenwirkungen», sagt die Pflegefachfrau.

Dennoch ist der Einsatz von Cannabis nicht einfach. Da es sich um ein alternatives Medikament handelt, sei der Weg recht lange, bis man es erhalte, weiss Nazmije Demi-Fetija. Um Cannabis als Medikament zu verschreiben, müsse die Ärztin oder der Arzt ein Gesuch schreiben, um beim Bundesamt für Gesundheit eine Spezialgenehmigung zu erhalten. Swissmedic, die schweizerische Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Arzneimittel, entscheidet dann, ob das Gesuch bewilligt wird oder nicht.

Bis zu diesem Entscheid kann eine Woche vergehen. Falls dem Gesuch zugestimmt wird, muss das Cannabis in einer Apotheke abgeholt werden. Das ist allerdings zeitaufwendig, da in der Schweiz nur die Bahnhof-Apotheke in Langnau Cannabis als Medikament verkauft.

Beim medizinischen Cannabisist die richtige Dosierung wichtig
Vielen Ärzten würde die Motivation fehlen, diesen Aufwand zu betreiben, solange ein anderes Medikament viel einfacher zu bekommen sei. Zudem brauche ein Patient das Medikament meistens schnell und nicht erst dann, wenn Cannabis verfügbar ist. «Das Problem ist die lange Zeit, bis das Cannabis da ist. In der Zwischenzeit hat man schon etwas anderes probiert», sagt Nazmije Demi-Fetija.

Die richtige Dosierung sei beim medizinischen Cannabis wichtig, sagt sie weiter. «Wenn der Patient einfach einen Joint raucht, ist das nicht gut. Denn beim Rauchen kann man die Dosierung nicht kontrollieren.»

Ein Drittel der Bevölkerunghat schon einmal gekifft
Während also Cannabis in der Medizin Vorteile aufweist, gibt es auch die andere Seite. Laut Suchtmonitoring Schweiz ist Cannabis die am häufigsten konsumierte illegale Droge in der Schweiz.

Mehr als ein Drittel der Bevölkerung über 15 Jahre hat angegeben, Erfahrung mit Cannabis zu haben. Wobei bloss gut drei Prozent der Bevölkerung sagten, in den letzten 30 Tagen Drogenhanf konsumiert zu haben.Bei einem Drittel davon könnte es sich um einen problematischen Konsum handeln: «Es kann davon ausgegangen werden, dass der Anteil problematisch Konsumierender in der Schweizer Bevölkerung ab 15 Jahren bei rund 1 bis 1,2 Prozent liegt», heisst es auf der Website von Suchtmonitoring Schweiz.

Aber wann wird Konsum von Cannabis problematisch? Stéphanie Meier ist Suchberaterin beim «Blauen Kreuz» in Biel. Sie erklärt, dass bei Cannabis grundsätzlich immer eine Suchtgefahr bestehe. Vor allem, wenn dieses einen hohen THC-Anteil habe. Das THC ist für den Rausch verantwortlich.

Für Meier ist ein grosser Faktor der Suchtgefahr der Rausch und das Verlangen, diesen Rausch immer wieder zu erleben. Deshalb mache es einen Unterschied, aus welchem Grund man Cannabis konsumiere.

Wolle man vergessen, brauche man den Rausch jeden Tag. Anders sei es, wenn man einfach gelegentlich geniessen wolle. «Eine Sucht entwickelt sich, wenn der Konsum zu einer Gewohnheit wird und wenn man nicht mehr selbst bestimmen kann, wann konsumiert wird», erklärt die 34-Jährige.

Die Folgen einer Cannabis-Sucht seien vor allem psychischer Natur. Die Sucht könne bei unter 21-Jährigen aber auch Auswirkungen auf die Entwicklung des Gehirns haben. Ausserdem könne THC auch Psychosen auslösen, wenn bei einer Person schon eine Veranlagung zu einer Psychose besteht, führt Meier weiter aus.

Beim medizinischen Gebrauch von Cannabis jedoch sei die Suchtgefahr sehr gering, wenn ein Patient die richtige Dosierung einnehme, sagt Nazmije Demi-Fetija.
 

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