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«Frauen, hört bitte damit auf!»

Feministin bin ich ja wie viele erst seit dem dreissigsten Lebensjahr. Vorher hat frau das Gefühl, das ganze Gleichberechtigungsdings ist gegessen und courant normal. Von wegen.

Sabine Kronenberg

Bewirbt man sich nämlich nach gründlicher und solider Ausbildung um Stellen mit Verantwortung – was Handgelenk mal Pi plus etwas Berufserfahrung nun mal nach dem dreissigsten Geburtstag der Fall ist – kommt plötzlich immer die Gretchenfrage. «Wir dürfen ja von Rechts wegen nicht fragen... aber trotzdem: Planen sie Kinder?» Ja klar, der Vierjahresplan der Goofen. Es soll ja solche Menschen geben. Das weiss ich auch erst seit diesen Fragen.

Aber so richtig zur Feministin, zum Feminist wird man als Eltern. Gegen vierzig hat es uns wider Erwarten doch noch einen Knirps reingeschneit, worüber wir uns sehr freuen. Aber wenn ich bisher dachte, die alten Garden in den Firmen, in denen ich an «Assessments» und «Rekrutierungsprozessen» teilnehmen durfte, halten am Männerkult fest, lerne ich nun wieder neu. Die Frauen stehen den alten Garden in nichts nach. Und schlimmer, bei den Frauen kann keine Rede davon sein, dass nur die älteren Semester gnadenlos die Klaviatur der Stereotypen bespielen.

Die Frauen jeden Alters sind es nämlich, die meinem Partner das Kind entreissen, als sei er drauf und dran, dem Giel irgendein Unrecht der gröbsten Sorte anzutun. Und dabei ist das Problem wohl nur, dass er ein Mann ist. Da helfen die langen Haare auch nichts. In der Waschküche etwa, wenn das Kind unversehens in den Armen der Nachbarin landet, «damit der Papa Dich mal nicht fallen lässt gell, der kann das ja nicht so gut, Waschtrommel befüllen und Kind halten». Als wäre das eine den Frauen vorbehaltene Mutter-Kernkompetenz. Oder kürzlich im Kleidergeschäft hat er, bevor wir das Etablissement verlassen, unserem Sohn eine Jacke angezogen. In der Zwischenzeit hatte es draussen zu regnen begonnen, und hätte man mich nach meiner Meinung gefragt, ich hätte geurteilt: «Guter Mann, gute Entscheidung. Der macht das gut.» Nicht so die Verkäuferin. Ehe wir bapp sagen konnten, war das Kind in den Armen der Frau (wie machen die das nur immer mit dieser Lichtgeschwindigkeit?), und sie meinte: «So, jetzt zeigen wir dem Papa mal, wie das richtig geht, wie man die Jacke richtig anzieht.» Und dann begann ein langatmiges Fingeryoga, um unserem Sohn die Ärmel so schonend wie möglich über die Ärmchen zu ziehen. Einen qualitativen Unterschied haben wir wegen der umständlichen Technik nicht erlebt. Das Kind brüllt so oder so, weil es – notabene wie fast jedes Kleinkind – Ärmelanziehen nicht ausstehen kann.

Bei aller Menschenliebe: Frauen, hört bitte damit auf. Eure Männer können Kinderbetreuung und Haushalt, und sie machen das gut, auch wenn sie es anders machen. Haltet das aus! Und fragt mich in der Migros zwischen Kelloggs und Brot bitte auch nicht, wie die Geburt war, ob ich «Komplikationen hatte» und ob ich beim Stillen klarkomme – es sei denn, wir sind Freunde und nicht in der Migros, sondern sitzen bei einem Glas Wein. Und fasst bitte auch nicht unvermittelt mein Kind an, als sei es ein Brot, das man auf Textur und Körper abklopft. Kein Wunder ziehen sich so viele Menschen in dieser Lebensphase zurück ins Private, wie es Bourdieu beschreibt. Es braucht schon Mut und Standhaftigkeit, sich unserer Gesellschaft als Familie auszusetzen.

Info: Sabine Kronenberg ist Historikerin und Ausbildnerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Biel.


kontext@bielertagblatt.ch

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