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Biel

Kinder müssen draussen bleiben

Restaurants in der ganzen Welt empfinden Kinder als störend: zu laut, zu lebhaft. Einige greifen zu fragwürdigen Tricks und gewähren Rabatt, wenn die Kleinen brav am Tisch sitzen bleiben. Wie finden Restaurants in der Region eine solche Idee?

Hier dürfen Kinder auch mal laut sein: Bei Marc Bernhard, Chefkoch im Restaurant Baselstab in Meinisberg.
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Sollte es kinderfreie Restaurants geben?




Anna Meister


Die Geschichte ging durch die Nachrichten und wurde in den sozialen Medien heiss diskutiert: Restaurantbesitzer Antonio Ferrari aus Padua hat in seiner Beiz einen «sconto bimbi educati» eingeführt: einen Rabatt von fünf Prozent dafür, dass die Kinder sich gut benehmen. Dies löste Diskussionen unter Eltern, Restaurantgästen und -besitzern aus.

Das Thema keine Kinder in Restaurants ist nicht neu: Bereits 2007 beschloss Dieter Hein, Besitzer des Restaurants Hacienda in Kraiburg, Bayern, Kindern unter 12 Jahren den Zutritt zu seinem Lokal zu verwehren. Und vor zwei Jahren sorgte der Besitzer eines Düsseldorfer Biergartens für Schlagzeilen, als er einen Abschnitt seines Lokals zur kinder- und hundefreien Zone erklärte. Wenn man über den grossen Teich blickt, fällt auf, dass sich in den USA eine regelrechte «No Kids allowed»-Bewegung ausbreitet. Seit Jahren erklären dort immer mehr Restaurants, Cafés und sogar öffentliche Plätze ihre Örtlichkeiten zu kinderfreien Zonen.

«Wenn Pommes frites fliegen, hört der Spass auf»
Einen Rabatt, wie Ferrari ihn anbietet, kann sich Hansruedi Winiger, Pressesprecher von Gastroseeland, gut vorstellen. Meistens seien jedoch nicht die Kinder das Problem, sondern die Eltern. «Viele Kinder können sich heute nicht mehr benehmen und die Eltern sagen nichts», sagt er. Dass Kinder ab und zu lauter seien als der erwachsene Restaurantbesucher sei klar und tolerierbar, aber «wenn Pommes frites fliegen, da hört der Spass auf.»

Kinder sind zukünftige Restaurantkunden
Winigers Rat an die Restaurantbesitzer ist dennoch: «Seid kreativ im Bezug auf Kinder. Sie sind die Kunden von morgen.» Man könne ihnen zum Beispiel etwas zum Spielen anbieten: Bücher, etwas zum Malen, kleine Spiele.
Bestimmte Regeln, die kinderfreundliche Restaurants auszeichnen, gibt es bei Gastroseeland ebenso wenig wie Regeln, welche Kunden der jeweilige Wirt in seiner Beiz haben möchte. Heutzutage könne jeder Wirt frei entscheiden, wen er in seinem Betrieb als Kunde haben möchte und wen nicht, sagt Winiger. «Am besten bedient man Familien mit Kindern zuerst.» Denn die Aufmerksamkeitsspanne kleiner Kinder sei nicht gross. Wenn sie zuerst ihr Essen bekämen, seien sie weniger quengelig. «Anschliessend können sie sich mit Malen oder Spielen in einer Spielecke beschäftigen.» In Spanien beispielsweise sei diese Vorgehensweise gang und gäbe.

A-la-carte-Gerichte in Kinderportion
Eine Spielecke gibt es zum Beispiel im Restaurant Baselstab in Meinisberg. Dort gibt es grosse Duplosteine, einen Strassenteppich, Spielzeugautos, Bücher. «Im grossen und ganzen haben wir drei bis vier grosse Kisten gefüllt mit Spielsachen», sagt Küchenchef Marc Bernhard. Das Restaurant wirbt aktiv auf seiner Website um Familien mit Kindern. «Kinder sind bei uns immer willkommen. Sie dürfen lärmen und die Spielsachen auch an den Tisch mitnehmen.»

Zu einem familienfreundlichen Restaurant gehört für Bernhard auch eine Speisekarte für Kinder. Beliebt seien Chicken Nuggets, Schnitzel mit Pommes frites und Spaghetti. «Aber wir bereiten auch  A-la-carte-Gerichte in Kinderportion zu — so fern dies zeitlich möglich ist.» Dass Schnipo und Spaghetti bei den Kleinen gut ankommen, bestätigt Nazif Asani vom Restaurant Drei Tannen in Biel. «Kinder sind halt Kinder, sie mögen einfache Gerichte, die es zu Hause nicht jeden Tag gibt.»

«Nie Probleme mit Kindern, nur mit Erwachsenen»
Eines der bekanntesten Restaurants für Kinder ist die «Märlipinte» in Kerzers. Seit 27 Jahren bewirten Urs und Petra Walther dort mit Herzblut die grossen und kleinen Gäste aus der ganzen Schweiz. Auf drei Etagen können sich Kinder allen Alters nach Herzenslust austoben. Es gibt einen Hexensaal mit einer Spielburg für die Kleinsten, auf der zweiten Etage können die Kinder im sogenannten Gumpi-Zimmer toben. In der Verkleidungsecke warten etwa 100 Kostüme darauf, anprobiert zu werden und im TV-Zimmer können Kinderfilme geschaut werden. Die Kinder dürfen sogar in die Küche und bei der Zubereitung eines Desserts mithelfen, wenn sie möchten.

Urs Walther meint zum Thema Rabatt für ruhige Kinder: «Ich finde das daneben. Wenn man ein Kind zwingt, ruhig zu sein, dann darf es kein Kind mehr sein.» Klar gäbe es Kinder, die lauter seien als andere, doch deswegen Familien mit ruhigeren Kindern einen Rabatt zu gewähren käme einer Bestrafung gleich. Überhaupt sagt Walther: «Wir hatten noch nie Probleme mit Kindern, nur mit Erwachsenen.»

«Wie misst man, ob ein Kind ruhig ist?»
Marc Bernhard ist der selben Meinung: «Für mich ist es eine Bestrafung der Eltern: Mit solchen Aktionen mischt man sich in ihre Erziehung ein.» So lange die Kinder den Service nicht behindern, tolerieren sie vieles. «Falls es aber doch jemandem zu laut wird, so dürfen sie gerne den Tisch wechseln.»

Asani sagt dazu: «Wie misst man, ob ein Kind sich ruhig verhält?» Kinder laufen halt gerne herum und seien ab und zu etwas lauter, sagt er. Er ist selber Vater und würde nie einen solchen Rabatt gewähren. «Wenn ich mit meinen Kindern ein Restaurant besuchen würde, das mit solchen Tricks arbeitet, würde ich da nicht wieder hingehen», ist er sich sicher.

Domino und Mikado zur Beschäftigung
Auch in Restaurants der gehobenen Klasse sind Familien mit Kindern ein Thema — wenn auch kein grosses. Nina Volken, Geschäftsführerin des Bieler Restaurants Villa Lindenegg sagt: «Wir haben zwar Familien mit Kindern alles Altersklassen bei uns, prozentual allerdings sind sie eine Minderheit.» Sie vermutet, dass dies daran liege, dass Familien mit Kindern meist etwas mehr aufs Budget achten müssen. Trotzdem bietet die Restaurantleitung eine Auswahl an Spielsachen, wie zum Beispiel eine Werkzeugkiste aus Holz, aber auch Spiele wie Domino oder Mikado für die Kinder an.

Eine Kinderkarte gibt es in der  «Lindenegg» nicht. Allerdings, sagt Volken, sei es möglich, ein Gericht der Speisekarte auch in einer Kinderportion zu erhalten. «Und wenn mal gar nichts für die Kleinen dabei ist, dann können wir ihnen auch einen Teller Teigwaren oder Bratkartoffeln servieren.»

Im Restaurant Du Lac in Biel sind Familien mit Kinder nicht täglich zu Gast. «Sie besuchen uns hauptsächlich an den Wochenenden zu Taufen, Firmungen oder Konfirmationen», sagt Stephan Stanger von der Administration. Eine Spielecke oder einen Spielplatz gibt es in ihrem Restaurant nicht. Dafür sei der Prozentsatz an Familien zu niedrig. Kindersitze sind jedoch vorhanden.

«Kinder sind bei uns willkommen»
Wenn Kinder mal unruhig werden, so Stanger, würden sie meistens von den Eltern zurechtgewiesen. «Wir als Personal mischen uns da nicht ein. Ausser, es fliegen mal Teller.» An einen konkreten Fall, bei dem Kinder andere Gäste gestört hätten, kann er sich nicht erinnern. Das selbe sagt auch Cynthia Lauper, Geschäftsführerin im Restaurant Aux Trois Amis in Schernelz. Und: «Wir sind der Meinung, dass es nicht zu unseren Aufgaben gehört, Kinder zu beruhigen, zu bestechen oder in welcher Form auch immer am Tisch zu halten.» Das sei klar Erziehungssache. Aus diesem Grund sähen sie auch keinen Grund, Rabatte für ruhige Kinder geben zu müssen. «Kinder sind bei uns natürlich willkommen und dürfen auch Kind sein. Wenn auch in einem gewissen Rahmen.»

Kommentare

ligerius47

Ihre zutreffenden Zeilen @Wildhaber unterschreiben vermutlich alle Leser.


Wildhaber

Es wäre sicher übertrieben, die Anwesenheit von Kindern in Restaurants generell zu verbieten. Für mich kommt es einerseits auf die Art des Restaurants (Pizzeria oder Gourmet-Tempel?) und selbstverständlich auf die Erziehung der kleinen Wonneproppen an. Wir haben als Kinder noch gelernt, dass man in Restaurants nicht herumrennen darf und dass man sich einigermassen ruhig verhält. (Das gilt im Übrigen auch z.B. für den öV.) Heute habe ich öfters den Eindruck, dass Kinder kleine Götter sind, welche ihren Eltern auf der Nase herumtanzen und denen alles erlaubt wird! Solchen Eltern ist der Hinweis auf "Debrett's Guide to Etiquette" zu geben. Zitat: Kinder können, obschon sie für Eltern die reinste Freude sind, für andere Leute eine extreme Geduldsprobe darstellen. Eltern müssen ihren Nachwuchs in Ordnung halten. Dazu gehört, Kinder von der Produktion von Lärm und Unordnung sowie von vorlautem, dominantem und unhöflichem Benehmen gegenüber Erwachsenen und anderen Kindern abzuhalten. Sowie ganz allgemein zu verhindern, dass Kinder ihrer Umgebung das Leben zur Hölle machen. Dem ist nicht mehr beizufügen...!


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