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Geisterstunde in der Tissot Arena

Geisterspiele sind nicht nur für die Sportler selber, sondern auch für die Journalisten vor Ort eine spezielle Herausforderung.

BT-Sportredaktor Francisco Rodríguez/Copyright: Bieler Tagblatt/Peter Samuel Jaggi

Francisco Rodríguez

Zugegeben, nebst meinen beruflichen Pflichten ist es auch ein Privileg, die Spiele des EHC Biel vor Ort mitzuverfolgen. Viele Fans würden wohl allzu gerne mit mir tauschen. In den ersten Saisonpartien erschienen immerhin noch 3777 von ihnen in der Tissot Arena und zwischenzeitlich am 21. Oktober im Derby gegen Bern nur noch 1000, ehe gar keine mehr zugelassen wurden. So begebe ich mich alleine durch die Einlasskontrolle, inklusive obligatem Fiebermessen, und suche meinen Arbeitsplatz auf. Getrennt durch Plexiglasscheiben von meinen in genügend grossem Abstand sitzenden Journalistenkollegen blicke ich in die gähnend leeren Zuschauerränge. In die Begegnungen ohne Publikum musste ich mich erst hineinfühlen. Ohne ohrenbetäubende Stimmung laufe ich Gefahr, die Qualität der gezeigten Leistung auf dem Eis falsch einzuschätzen und fade wahrzunehmen. Statt Anfeuerungsrufe, Fangesänge und Szenenapplaus hört man jede Puckberührung, die Schlittschuhkufen auf dem Eis kratzen und die Stimmen der Spieler und Trainer. Ich kann die Sportler nicht nur akustisch sehr gut verstehen, sondern auch, was in ihren Köpfen abgehen mag. Es ist mir richtig bewusst geworden, wie wichtig ihnen die Unterstützung der Anhänger und die knisternde Ambiance im Stadion sind. Das Derby am letzten Sonntag gegen den SC Bern, dem die Bieler trotz 5:1-Führung eine Verlängerung zugestehen mussten, ehe sie doch noch den Siegestreffer erzielen konnten, hätte eine mit 6521 Fans ausverkaufte Arena in ein Tollhaus verwandelt. Tore, Spektakel, Emotionen und am Ende ein siegreicher EHC Biel: Fast alles war da, um das 150. Duell als eines der denkwürdigsten in die Klubannalen eingehen zu lassen – nur fehlten halt leider die Zuschauer. Das Wort «Geisterspiel» passt ebenso perfekt, um die Szenerie nach den Partien zu betiteln. Nachdem die Eisfläche gereinigt worden ist, erlischt das Licht im Stadion, und so sitzen ich und andere Journalisten, die in den letzten Zeilen ihrer Artikel stecken, im Dunkeln. Die gute alte Jogging-Stirnlampe erfüllt auch hier ihren Zweck. Draussen ist die Place Publique ausgestorben. Der Wind bläst durch die Gitterkonstruktion des modernen Stadions und erzeugt ein schaurig heulendes Geräusch. Nichts wie weg und ab nach Hause in die warme Stube! An die Geisterstunde in der Tissot Arena werde ich mich nie gewöhnen können.

frodriguez@bielertagblatt.ch

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