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«Lieber Samichlous»

Gewünscht sind: Mehr, weniger und ein schnellerer Esel

Die Alt-und-Jung-Kolumnistinnen und -Kolumnisten erinnern sich, was ihnen der Samichlous einst bedeutete, und formulieren ihre Wünsche an den Mann mit dem weissen Bart – oder an uns alle.

Symbolbild: bt/a
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"Es isch Zyt"

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Es isch Zyt

von Paquita Maria Etter



Weniger z’springe
U meh z’gseh

Weniger Angscht z’ha
U meh Muet

Weniger furt z’gheie
U meh z’teile

Weniger z’urteile
U meh z’lache

Weniger meh z’ha
U meh weniger

Weniger meh z’ha
U meh weniger

Weniger z’lärme
U meh z’lose

Weniger z’verglyche
U meh z’sy

Weniger Grät z’troue
U meh Gärte z’boue

Weniger Gift z’gä
U meh Tröim

Weniger z’rächne
U meh z’vertroue

Weniger z’zeue
U meh z’gniesse

Weniger z’meine
U meh z’frage

Weniger yzschlafe
U meh z’stuune

Weniger meh z’ha
U meh weniger

Weniger meh z’ha
U meh weniger

Weniger z’verstecke
U meh z’zeige

Weniger z’schimpfe
U meh z’schetze

Weniger sträng sy
U meh z’singe

Weniger z’warte
U meh z’häufe

Weniger meh z’ha
U meh weniger

Weniger meh z’haa
U meh –

Info: Paquita Maria ist Komponistin, Sängerin und Texterin. Das Stück «Es isch Zyt» entstammt ihrem 2019 erschienenen Album «Recherche».

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Lieber Samichlous

von Luca Brawand alias Landro

Schon lange nichts mehr von Dir gehört! Ich dachte, ich schreibe Dir einfach wieder einmal einen Brief. Mit dem Internet hast Du es ja nicht so. Wie war Dein Jahr so? Hast Du wieder einmal am Strand die Beine hochgelegt und Dich Caipirinha schlürfend braun gebrannt? Ich nehme an, die Bräune dürfte jetzt weg sein, zur Zeit hast Du hier ja alle Hände voll zu tun.

Ist der Bart eigentlich wieder in Ordnung nach dem Unfall mit dem Rasierapparat? Ich persönlich finde ja, Dir steht der Dreitagebart und Du könntest auch ein wenig mit der Zeit gehen. Aber ich verstehe natürlich, dass das zum Image gehört. Wie geht es Deiner Frau so? Sagte sie nicht letztes Mal, sie wolle bald nach Indonesien auswandern, weil es hier so kalt sei? Sag bloss nicht, die ist gleich mit dem Caipirinha am Strand geblieben!

Ich finde es übrigens immer noch sehr beeindruckend, wie eine Person von Deiner Bekanntheit ihr Privatleben so gut von der Öffentlichkeit fernhalten kann. Stell Dir vor, wenn alle wüssten, wo Du und Deine Frau wohnen. Die Kinder würden in der Adventszeit vor Eurer Hütte campieren als wäre es ein Justin-Bieber-Konzert. Ich bin übrigens auch bald wieder einsatzbereit.

Gestern sprach ich noch mit dem Manager bezüglich unserer Anfrage, aber er fand es ein schlechtes Timing, um vom Esel auf das Auto umzusteigen. Vielleicht könnte er uns einen schnelleren Esel besorgen. Ich sagte ihm, es wäre schon ein wenig effizienter, wenn wir fahren könnten, aber er meinte, es sei authentischer und CO2-neutraler, den Esel zu benutzen.

Nun ja, was solls. Durch den Schnee stapfen müssen wir wohl sowieso kaum bei diesen Temperaturen. Ich denke, Du kannst die Thermounterwäsche zuhause lassen. Apropos Temperaturen: Wie ist das jetzt eigentlich schon wieder mit den Kindern, die an diesen «Fridays for Future»-Demos waren? Bekommen die jetzt die Rute oder Schokolade? Gib mir auf jeden Fall noch Bescheid, und ich stosse dann dazu, sobald ich den Coiffeur-Termin hatte, um mir den Bart wieder schwarz einzufärben. Das wird von Jahr zu Jahr auch nicht leichter.

Alles Gute und bis bald,

Schmutzli

Info: Der 22-jährige Bieler Luca Brawand hat als Musiker Landro letztes Jahr sein Debütalbum veröffentlicht. Er studiert zudem Medien und Kommunikation.

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Kinder sind schlauer, als man denkt

von Judith Giovannelli-Blocher



Den heutigen Samichlausklamauk empfinde ich als reinen Kommerz: Manche Mütter müssen den nur mitmachen, weil die Kinder so darauf drängen, all das zu bekommen, was andere auch haben.

In meiner Kindheit habe ich folgendes gelernt: Der Samichlaus tritt jedes Jahr angeblich aus dem Schwarzwald in unsere Stube. Er schimpft uns zunächst aus wegen unserer Missetaten, holt in der Ecke meine geliebte Puppe mit eingeschlagenem Kopf (damals waren Puppenköpfe noch aus Porzellan), die mein Bruder im Jähzorn auf den Boden geschmissen hatte. Dann nimmt er die Zöpfe meiner kleinen Schwester in die Hand und man sieht, dass der eine Zopf viel dicker ist als der andere. «Du hast also deine Schwester häufig an den Haaren gezogen, sodass der eine Zopf jetzt viel dünner ist als der andere», grollt der Chlaus.

Ich wusste damals nicht, dass die Zöpfe ungleich dick sind, wenn das Haar auf dem Kopf seitlich gescheitelt ist. Diese vermeintliche Untat hat mir lange Schuldgefühle bereitet.

Aber mein älterer Bruder und ich haben zusammen ein Geheimnis: Martin hat entdeckt, dass sich hinter der Maskerade des Samichlauses das Gesicht meines Vaters verbirgt. Man muss sich nur in der richtigen Perspektive seitlich von ihm aufstellen, dann durchschaut man den Betrug gut, entdeckt sogar, dass sich hinter dem Schnauz und dem langen Bart aus Watte und der tiefen Bassstimme das Gesicht meines Vaters versteckt, das gar nicht grimmig ausschaut, sondern eher etwas schmunzelt. Wir flüstern uns diese Entdeckung zu, halten aber dicht, um die Vorstellung nicht zu beenden, und damit die kleinen Geschwister ihre mit Furcht gemischte Freude erleben können.

Der Vater hat mir viel später gestanden, dass er niemals angenommen hat, dass wir immer für bare Münze nahmen, was er sagte.

Ich glaube, damals habe ich etwas Entscheidendes für mein Leben gelernt: Ob Polizist in der Uniform, Soldat, Arzt im weissen Kittel oder Pfarrer im Talar: Man sollte nicht alles glauben, was diese Autoritäten sagen.

Dass ich schon damals nicht alles den Erwachsenen abgekauft habe, was diese verkündeten, hat sich positiv auf mein Leben ausgewirkt: Die Welt ist voller Täuschungen, aber Kinder sind zum Glück schlauer, als man denkt.

Info: Die 87 Jahre alte Schriftstellerin Judith Giovannelli-Blocher lebt mit ihrem Mann in Biel. Sie beschäftigt sich seit Langem mit Altersfragen.

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Lieber Samichlous

von Hanspeter Brunner

Ich hoffe, Du verzeihst mir, wenn ich Du zu Dir sage, aber in einem Brief geht dies einfacher. Im Moment versuche zu ergründen, seit wann wir zwei einander eigentlich kennen. Auch wenn ich mich nicht mehr an unser erstes Date erinnere, eines weiss ich sicher: Zu Beginn unserer Bekanntschaft kamst Du immer in der Nacht, während wir schliefen.

Als Zeichen, dass wir das ganze Jahr hindurch brav waren, hast Du die Schuhe, die wir am Abend vor die Türe stellten, mit allerlei Süssigkeiten gefüllt. Allerdings war mir nie ganz bewusst, warum Du damals auch meine Schuhe gefüllt hast. Im Gegensatz zu meiner Schwester gehörte ich unter dem Jahr nicht ganz zu den Braven. Dafür war ich froh, der Älteste unter den Geschwistern zu sein, das hiess auch, die grössten Schuhe zu haben.

Aber gestaunt habe ich immer, wie Du Deinen grossen Tag gemeistert hast. Zu meiner Jugendzeit jedenfalls. Denn damals, und das weisst du sicher noch besser als ich, fand der Samichlousen-Tag mit ganz wenigen Ausnahmen wirklich am Samichlousen-Tag statt. Da konntest du die Arbeit nicht auf viele Wochen verteilen.

Heute hast Du es schon viel einfacher, da beginnst Du bereits mit den letzten Sommertagen mit dem Bereitstellen von Schaufensterauslagen, dem Herstellen von Schoggibären mit goldenen Glöckchen und Aufstellen von Spielzeugen. Sogar ein amerikanischer Kollege mit einem grossen, roten Sattelschlepper unterstützt Dich bei deiner Arbeit.

Wenn Du mal in unserer Gegend bist, hätte ich aber einen Wunsch. Könnten wir mal zusammensitzen? Ich möchte nämlich von Dir gerne ein paar Tipps, wie Du Deine Arbeiten in so kurzer Zeit erledigst. Vielleicht hast Du einige Vorschläge, wie ich zu mehr Freizeit komme.

Dazu hätte ich dann noch eine Frage. Warst Du derjenige, der Mutters Weihnachtsguetzli so gut versteckt hat? Wir hatten zum Teil nämlich lange, bis wir das Versteck gefunden hatten. Heute spielt dies für mich zwar keine grosse Rolle mehr, denn meine Frau, die gute Fee, versteckt die Guetzli nicht mehr.

Also bis bald, ich freue mich,

Dein Hanspeter Brunner

Info:Hanspeter Brunner ist Vorstandsmitglied des Aarberger Vereins Aarsenior, engagiert sich unter anderem bei Gastro Bern sowie in der Seniorenriege Aarberg.

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