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Adventszeit

Die Schulen sind im Weihnachtsfieber

Weihnachten ist in der Schweiz das wichtigste christliche Fest. Doch hat ein solches angesichts der wachsenden kulturellen Vielfalt noch Platz in der Schule? Lehrer und Schulleiter im Seeland sagen: Klar doch!

In Ipsach haben die Schülerinnen und Schüler Dutzende Fenster in bunte Kunstwerke verwandelt. Matthias Käser
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Soll man Weihnachten an Schulen noch feiern?



von Carmen Stalder


Wohin man in diesen Tagen auch schaut, um Weihnachten kommt niemand herum. Blinkende Lämpchen hängen an Häuserfassaden, in jedem Dorf steht ein Weihnachtsbaum, im Einkaufszentrum läuft «Jingle Bells» in Endlosschleife und die Schokoladenberge in den Läden sind so gross, dass sie einzustürzen drohen. Klar ist aber auch: Nicht jeder feiert das Fest der Geburt Jesu Christi. So haben etwa die Weihnachtstage für Muslime oder Juden keine Bedeutung.

Da in der Schweiz immer mehr Kinder zur Schule gehen, die aus nicht-christlichen Religionsgemeinschaften stammen, stellt sich die Frage, ob das Fest in Kindergärten und Primarschulen überhaupt noch gefeiert wird. Das BT hat sich im Seeland umgehört und Schulleiter und Lehrkräfte nach ihren Weihnachtstraditionen befragt. Das Echo ist deutlich: Der Advent hat im dicht getakteten Schuljahr auch heute noch eine ganz besondere Stellung.


Begegnung im Vordergrund
Ohne Ausnahme heisst es bei allen angefragten Schulen, dass sie Weihnachten feiern. Einige verfügen gar über spezielle Arbeitsgruppen, die sich schon im August erste Gedanken zu den Feierlichkeiten machen. Weihnachten wird bei vielen als Gelegenheit genutzt, gemeinsame Aktivitäten vom Kindergarten bis in die sechste Klasse durchzuführen. «Solche Rituale ermöglichen Begegnungen, die im Schulalltag sonst nicht möglich sind», sagt Ursula von Niederhäusern, Schulleiterin in Ipsach.

Der religiöse Hintergrund von Weihnachten steht bei den Feierlichkeiten allerdings nicht immer im Zentrum. So sagt Stefan Wyss, Schulleiter der Primarschule Leubringen: «Weihnachten hat an unserer Schule sehr wohl eine Bedeutung – allerdings weniger im Sinne eines religiösen Festes, sondern mehr als Fest der Freude und der Begegnung.»

Auf dem Adventsprogramm der Seeländer Kindergärten und Primarklassen steht eine vielfältige Mischung aus allen erdenklichen Aktivitäten: Weihnachtsfenster gestalten, Adventskalender-Türchen öffnen, Geschichten erzählen, Lieder singen, Gedichte vortragen, Mandalas ausmalen, Wichteln, gemeinsam Basteln, tägliches Kerzenanzünden und vieles mehr.


Unihockey und Kinderkrimi
Einige Schulen haben sich ganz besondere Aktivitäten ausgedacht. In Leubringen haben die Kinder einen Weihnachtsmarkt mit selbst gefertigtem Handwerk und allerlei Leckereien organisiert. Die Einnahmen haben sie an «Jeder Rappen zählt» und «Coeur à Coeur» gespendet. In Twann gibt es jedes Jahr ein Weihnachts-Unihockeyturnier. Und eine Lehrerin aus Bellmund erzählt, dass sie mit ihren Schülern einen Kinderkrimi zum Miträtseln hört und am letzten Schultag vor den Ferien einen Brunch veranstaltet.

Leidet bei so viel Programm nicht der normale Schulunterricht? Tatsächlich können die Weihnachtsfeierlichkeiten überhandnehmen. «Gerade hat sich bei uns die Mehrheit der Lehrkräfte dafür ausgesprochen, das Weihnachtssingen am letzten Tag vor den Weihnachtsferien nicht mehr durchzuführen», sagt Anne-Sophie Bühler, Schulleiterin der Primarschule Aarberg – weil es sonst einfach zu viel werde.


Kein Problem für die Eltern
Grundsätzlich nehmen alle Kinder an den Feierlichkeiten teil – auch wenn sie zuhause kein Weihnachten feiern. So lautet jedenfalls die Rückmeldung der befragten Schulen. Es komme selten bis gar nie vor, dass Eltern ihre Kinder von gewissen Aktivitäten dispensieren lassen.

Eine Lehrerin, die derzeit ein muslimisches Kind in ihrer Klasse hat, sagt, dass sich dessen Eltern bisher nicht beklagt hätten. Und Ipsachs Schulleiterin hält fest: «Wir gestalten das Weihnachtsritual bewusst offen, damit sich alle Kinder damit identifizieren können.»

In Biel ist die Zahl der fremdsprachigen Kinder in vielen Klassen um einiges höher als in ländlichen Gemeinden. So etwa in der Quartierschule Bözingen, wo Co-Schulleiterin Franziska Buxtorf-Meier von einem «hohen Anteil fremdsprachiger Kinder», spricht. Dennoch wird auch hier Weihnachten gefeiert, «das gehört schliesslich zu unserer Kultur».

Und wenn doch einmal ein Kind aus religiösen Gründen dem Weihnachtssingen fernbleiben muss, bekommt es eben eine andere Aufgabe zugeteilt. Reto Meyer, Leiter der Abteilung Schule & Sport in Biel, sagt, dass man den Schulen in dieser Hinsicht keine Vorgaben mache. Was Weihnachten anbelangt, dürfen sich die Lehrer also kreativ austoben.

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Kommentar von Carmen Stalder
Ich weiss noch heute, wie wir in der dritten Klasse im Dezember jeden Morgen Weihnachtslieder gehört und dazu Mandalas ausgemalt haben. Oder wie wir in der fünften Klasse gewichtelt haben und sich jeder über die kleinen Geschenke gefreut hat. Schon damals gab es in meiner Klasse Kinder aus der Türkei oder dem Kosovo, die zuhause kein Weihnachten gefeiert haben. Trotzdem haben sie bei allen Feierlichkeiten mitgemacht. Schliesslich ging es dabei mehr um das friedliche Beisammensein als um christliche Inhalte. Die Adventszeit in der Schule war eine magische Zeit. Schön, dass das auch heute noch so ist – und die Lehrer die Vorbereitungen mit viel Herzblut angehen. E-Mail: cstalder@bielertagblatt.ch

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