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Biel

«Gleichbehandlung wird durchgesetzt»

Weil deutschsprachige Plakate in der Stadt dominieren, soll zweisprachige Werbung in Biel zur Pflicht werden. Sensibilisierung alleine bringe offensichtlich nicht den nötigen Erfolg, sagt Stadtpräsident Erich Fehr.

Werbung nur in Deutsch: Der Gemeinderat kritisiert, dass die Unternehmen auf Plakaten die Zweisprachigkeit Biels zu wenig berücksichtigen. Symbolbild: dni
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Lino Schaeren

Der Bieler Gemeinderat hat die Totalrevision des städtischen Reklamereglements genehmigt. Diese sieht Anpassungen an übergeordnetes Recht vor – neu vor allem aber eine Pflicht, dass Werbungen in Biel künftig zwingend zweisprachig gestaltet werden müssen. Das betrifft vor allem jene Plakatwände und Bildschirme, die im Auftrag der Stadt durch die auf Aussenwerbung spezialisierte APG SGA AG bewirtschaftet werden. Aber nicht nur: Stadtpräsident Erich Fehr (SP) präzisiert auf Anfrage, dass der neue Reglements-Artikel grundsätzlich alle Werbungen betreffe, also etwa auch das Bewerben von Sport- und Kulturveranstaltungen.

Die strikte Regelung hat der Gemeinderat beschlossen, weil vor allem Grossverteiler in Biel oft nur auf Deutsch werben. Das sei in der zweisprachigen Stadt Biel ein «grosses Ärgernis», sagt Fehr. Die Stadt habe zusammen mit dem Forum für Zweisprachigkeit über Jahre hinweg versucht, die Werber zu sensibilisieren, was aber nicht die nötige Wirkung gezeigt habe. «Das ist enttäuschend. Beide Sprachgruppen sind in Biel gleichzubehandeln und das soll mit dem neuen Reglement jetzt durchgesetzt werden», so der Stadtpräsident. Eine klare politische Botschaft. Ob das Vorhaben des Bieler Gemeinderats mit dem Grundrecht vereinbar ist, ist allerdings juristisch umstritten: Eine Werbepflicht in beiden Amtssprachen wäre ein Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit – und ein solcher ist nur zulässig, wenn er verhältnismässig ist.

«Massvoller Eingriff ins Grundrecht»
Das revidierte Reklamereglement durchläuft nun die kantonale Vorprüfung, ehe es öffentlich aufgelegt wird. Im Mai 2020 soll dann die Volksabstimmung stattfinden. Bereits 2016 ging das Reglement in die öffentliche Mitwirkung. In den entsprechenden Unterlagen hielt der Gemeinderat damals fest, dass das kantonale Amt für Gemeinden und Raumordnung (AGR) in Bezug auf den Zweisprachigkeits-Artikel Vorbehalte geäussert habe, ob eine genügende gesetzliche Grundlage bestehe, damit dieser genehmigt werden könnte. Auch bürgerliche Parteien sprachen sich in der Vernehmlassung gegen den Artikel aus, ebenso – wenig überraschend – die Werbeunternehmung APG. Der Gemeinderat war damals anderer Meinung und hat an dieser bis heute festgehalten. Fehr sagt: Die Juristen hätten gewisse Zweifel, ob diese Bestimmung genehmigungsfähig sei. «Sie sagen aber auch nicht, dass sie nicht genehmigungsfähig wäre.» Deshalb habe der Gemeinderat in seiner Güterabwägung «die Gleichberechtigung beider Sprachen höher gewichtet als allfällige Risiken hinsichtlich der Grundrechts-Kompatibilität». Dem verleiht die Stadtregierung im Artikel Nachdruck, in dem es heisst, dass alle Reklamen «gestützt auf die in der kantonalen Verfassung verankerten und in der Stadt Biel geltenden Prinzipien zur Zweisprachigkeit» in beiden Amtssprachen konzipiert werden müssten.

Der Gemeinderat versucht also, den Kanton in die Pflicht zu nehmen: Dieser betone immer wieder seine Brückenfunktion zwischen der Deutsch- und der Welschschweiz, sagt Fehr, begründe diese mit der Zweisprachigkeit der Stadt Biel. Zudem habe der Regierungsrat bei seinem Vorgänger als Bieler Stadtpräsident, Hans Stöckli (SP), einen Zweisprachigkeitsbericht in Auftrag gegeben, dessen Empfehlungen jetzt umgesetzt werden sollen (das BT berichtete). «Es wäre komisch, wenn der Kanton jetzt zum Schluss kommen würde, dass die Zweisprachigkeit Biels nicht reicht für diesen massvollen Eingriff ins Grundrecht», sagt Fehr.

Wie die neue Zweisprachigkeits-Pflicht umgesetzt würde, müsste in einer Verordnung geregelt werden. Der Gemeinderat habe aber bereits klare Vorstellungen, sagt Fehr. So sei es nicht Ziel der Vorgabe, dass die Werber künftig etwa an der Seevorstadt ein deutschsprachiges und in Madretsch ein französischsprachiges Plakat buchen. «Vor dem inneren Auge sehen wir zweisprachige Plakate», sagt der Stadtpräsident. Er könne sich aber auch vorstellen, dass mit zwei Plakaten an demselben Standort geworben werde: «Wichtig ist, dass der Betrachter nicht nur in einer Sprache angesprochen wird.»

«Vielfalt bereits heute zunehmend»
Die APG, die den Grossteil der Werbung in Biel verkauft, will sich auf Anfrage nicht mehr dazu äussern, was sie von einer möglichen Zweisprachigkeits-Pflicht auf Stadtebene hält. Sie verweist stattdessen darauf, dass man die Kunden bereits heute nach den Empfehlungen der Behörden und Institutionen berate. Die APG arbeitet seit rund 60 Jahren mit der Stadt Biel zusammen und ist Mediapartnerin für das Festival du Film Français d’Helvétie (FFFH). Diese langjährigen Kooperationen würden dazu beitragen, dass die Sprachvielfalt bei Plakaten und Werbung auf Screens in der Stadt bereits heute zunehmend besser berücksichtigt werde, sagt Unternehmenssprecherin Nadja Mühlemann.

Das System bei der APG sehe zudem automatisch eine Plakatzuteilung mit einem Mindestanteil in französischer Sprache von 30 Prozent vor, wenn ein Kunde eine Buchung für Biel erstelle. Dabei handelt es sich jedoch lediglich um eine Empfehlung, um für die Zweisprachigkeit in Biel zu sensibilisieren. Ein Sensibilisieren reicht dem Bieler Gemeinderat aber nicht mehr. Er will stattdessen Vorschriften.

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