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Wochenkommentar

Gottes Wort auf Bieler Bussen – oder das Zündhölzli-Prinzip

Will sich da ein Politiker profilieren? Zeugt der Angriff auf christliche Plakate auf Bieler Bussen von Hypersensibilität? Oder ist es eine Diskussion, die wichtig ist? Mani Matter kann die Antwort liefern. Der Wochenkommentar:

Über diese Werbung auf Bieler Bussen wird diskutiert. Zu Recht?

Der Herr segne dich.

Okay, danke, habe ich mir gedacht, als ich diese Woche auf dem Nachhause-Weg in die Aarbergstrasse einbiegen wollte, auf eine Lücke wartete und durch die Windschutzscheibe einen vorbeifahrenden Trolleybus betrachtete. Der Herr segne dich, stand da nämlich in gelben Lettern auf blauem Hintergrund geschrieben.

Okay, danke. Mehr als diesen kurzen Gedanken hatte ich nicht. Jedenfalls denke ich, dass ich das gedacht habe. Denn vielleicht habe ich mir auch gar nichts dabei gedacht. Bibelverse auf öffentlichen Plakatwänden habe ich schon oft gesehen. Zu oft wahrscheinlich, als dass so ein Plakat auf einem Trolleybus einen Gedanken auslösen könnte, der sich festsetzt und wächst.

Ich hegte wohl aus diesem Grund eher abschätzige Gedanken, als ich diese Woche las, dass der Bieler Stadtrat Mohamed Hamdaoui solche Werbeplatzierungen auf Bussen der VB bekämpfen will. Da will sich mal wieder ein Politiker profilieren, war der Blitzgedanke. Und: Haben wir nicht richtige Probleme? Hinzu kommt: Es war ein Linker. Was zum Gedanken führt: Hypersensibel. Und: Dieser hypersensible Linke heisst «Mohamed». Das Christentum ist die Staatsreligion, also bitteschön, ein wenig Toleranz. Was kommt als nächstes? Darf der ESB keinen Weihnachtsbaum mehr aufstellen?

Nein, das sind keine reflektierten Gedanken. Es sind Reflexe, basierend auf Vorurteilen, die in irgendeiner Form in uns allen schlummern. Es sind Reflexe aus der Defensive, weil man sich angegriffen fühlt. Im emotional getriebenen Moment, ohne sachliche Einordnung.

Ganz nüchtern betrachtet sieht das Urteil anders aus. Nein, Mohamed Hamdaoui will damit nicht die Staatsreligion angreifen. Schon gar nicht mich. Oder sonst einen Mitbürger. Er hat sogar richtigerweise aufgezeigt, dass ein solches Plakat durchaus Zündstoff bergen kann. Selbst wenn der Spruch darauf harmlos ist.

Problematisch an diesem Plakat ist das Grundprinzip dahinter: Die VB lassen religiöse Werbung zu. Denken wir an das Mani-Matter-Zündhölzli-Prinzip: Ein unscheinbares Flämmchen endet in einem Flächenbrand. Wenn man nämlich auf den Busplakaten Gott anpreisen darf, wieso sollten dann nicht Atheisten darauf verkünden dürfen, dass es keinen Gott gibt. Passiert ist dies bereits. In Grossstädten in ganz Europa. In London, Madrid und Barcelona mit dem Spruch: «Es gibt vermutlich keinen Gott. Mach dir keine Sorgen und geniesse dein Leben.» Das Resultat: Proteste. Mit derselben Kampagne reagierten übrigens auch in der Schweiz Atheisten auf die verbreiteten Bibelzitate auf Plakatwänden. Der Zuger Kantonsrat hatte das Aufhängen dieser Plakate untersagt. Das Resultat: Eine landesweite Debatte.

Die Bieler Verkehrsbetriebe sind ein öffentlich-rechtliches Unternehmen, also im Besitz der Stadt. Die politische Diskussion wird damit legitimiert. Und sie wird, wie wir durch Hamdaouis Ankündigung wissen, auch geführt werden. Man wird sich mit Fragen auseinandersetzen müssen, die nicht mit richtig oder falsch beantwortet werden können. Wenn die Christen dürfen, warum die Freidenker nicht? Oder Muslime? Oder Hindus? Es werden Entscheidungen gefällt werden müssen, die einen Teil der Bevölkerung zufrieden stellt, und den anderen Teil verärgert.

Die Frage ist: Wollen die VB solche Diskussionen auf ihrem Rücken austragen müssen? Wollen sie Teil eines Konflikts werden, der gar nicht einvernehmlich enden kann? Die Verkehrsbetriebe sind auf dieses Werbegeld nicht angewiesen. Ihr Fundament ist eine Stadt, die den öffentlichen Verkehr stützt und fördert.

«Politische und religiöse Werbung ist nicht zulässig.» Ein so simpler Satz in einer Verordnung könnte eine energieraubende Diskussion im Keim ersticken.


von Parzival Meister, stv. Chefredaktor
E-Mail: pmeister@bielertagblatt.ch

Kommentare

Demokrat

Und was meint der Herr zu Sure 2, Vers 191, Sure 8, Vers 17, Sure 47, Vers 4 ?


Biennensis

Die grösste Bedrohung ist nicht der Mohamed Hamdaoui (SP), sondern unsere eigene Schwäche: Ich fürchte nicht die Stärke des Islam, sondern die Schwäche des Abendlandes. Das Christentum hat teilweise schon abgedankt. Es hat keine verpflichtende Sittenlehre, keine Dogmen mehr. Das ist in den Augen der Muslime auch das Verächtliche am Abendland. "Wird der Antichrist aus dem Islam kommen, ein Muslim sein?" Um den Islam richtig zu verstehen, muss man die Art und Weise verstehen, wie der Islam sich selbst sieht. Der Islam betrachtet sich als die einzig wahre Religion - in der Tat die einzige Religion, die es würdig ist, praktiziert zu werden. Demzufolge ist eines seiner Ziele die totale Weltherrschaft. Deshalb strebt der Islam buchstäblich an, alles auszurotten, was er als falsche und unangebrachte Anbetung bei allen anderen Religionen ansieht. Bis zu dem Tag, an dem jeder sagt: "Kein anderer hat das Recht, angebetet zu werden ausser Allah", wird der Islam seinen Kampf gegen die Ungläubigen und ungläubigen Nationen fortzusetzen. Fazit: Man muss also kein Prophet sein, um besser zu verstehen, worum es dem „Herrn“ Mohamed Hamdaoui („ich bin ein frei denkender Muslim“) geht…


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